Lachen ist die beste Medizin


Beim FC Bayern herrscht im Trainingslager in Doha ausgenommen gute Stimmung. Das liegt vor allem an der Rückkehr von Arjen Robben. Geübt wird trotzdem fleißig - das liegt an Louis van Gaal.

Zwischendurch bittet der Muezzin eindringlich zum Gebet, die Lautsprecher verbreiten die warmklingende Stimme über dem Trainingsareal. Aber die Profis des FC Bayern nehmen den Gebetsruf nicht wahr, auch nicht Franck Ribéry, der zum Islam konvertierte Franzose. Er kann jetzt nicht.

Montagmorgen in Doha, Katar, die Bayern haben die Arbeit aufgenommen unter der milden Sonne am Persischen Golf. Gut fünf Flugstunden von daheim entfernt dröhnt in ihren Ohren nur die Stimme des Louis van Gaal. Sie klingt eigentlich nicht sehr warmherzig, sondern rau, energisch, schmutzig. "Sie dürfen Fehler machen, aber Sie müssen trainieren!", triezt der holländische Cheftrainer seine Männer bei den Passübungen, die er immer und immer wieder wiederholen lässt. Eine einzige Tortur, sollte man meinen, aber das stimmt nicht.

Es ist für alle das reinste Vergnügen. "Guter Ball, Müller!", brüllt van Gaal, denn Müller ist wirklich ziemlich gut bei der Sache. - "Animal Breno! Animal!", schreit er ihm begeistert zu nach einem weiteren Ballgewinn: Breno, dem Tier aus der Abwehr. Die Bayern haben viele Wintercamps absolviert, aber so viel Zug und Präzision und gute Laune ist dabei selten zu beobachten gewesen.


Man ahnt, weshalb sich die Mannschaft in den ungemütlichen Herbsttagen ausdrücklich zu ihrem sonderbaren Trainer bekannte. Thomas Müller hätte das also gar nicht noch einmal bekräftigen müssen, aber er macht er trotzdem. Er sagt: "Es ist immer wieder lustig und macht großen Spaß, wenn der Trainer eingreift."

Die beschwerliche Hinrunde der Bayern liegt in diesen Tagen irgendwie viel weiter zurück als gut zwei Wochen - oder fünf Flugstunden. Das hat sicher nicht nur mit den Bedingungen auf der großspurigen Anlage der Aspire Academy for Sports excellence zu tun, dem weltweit größten und mehr als eine Milliarde Dollar teuren Trainingskomplex des angehenden WM-Ausrichters Katar. Es liegt auch an Arjen Robben.

Von van Gaals launiger Lehrstunde bekommt Robben zwar nicht viel mit, der Holländer studiert drüben mit Holger Badstuber und Philipp Lahm als Anspielstationen und Miroslav Klose als Abnehmer einen Spielzug über die rechte Seite ein. Wieder und immer wieder. Beim Abschluss sieht Robben zwar nicht sonderlich gut aus, links und rechts geht der Ball vorbei, oft fliegt er auch hoch übers Tor. Aber Robben ist unverkennbar wieder dabei, und zwar mit voller Kraft: Er sprintet und fintiert wie im Frühjahr 2010, als er mit den Bayern beinahe Europa eroberte und später mit den Niederlanden die Welt, bei der WM in Südafrika.


Thomas Müller hat Robben nur sporadisch zuschauen können, weil es ja im Zirkel mit van Gaal so amüsant und anstrengend war. Aber die Eindrücke haben auch ihm gereicht für ein Urteil. "Wenn man seine Läufe und Sprints sieht", sagt er, "dann ist wohl alles in Ordnung bei ihm, er arbeitet ja


Ein halbes Jahr hat Arjen Robben, 26, gefehlt, und wenn man ihm zuschaut und dann auch noch den ebenfalls lange pausierenden Ribéry sieht, den van Gaal hier in Doha nach einer weiteren Zirkusnummer mit einem "natürlich, Franky!" umgarnt - dann ist klar, was den Münchnern in der Hinserie abging. Philipp Lahm bringt ja nur ein winziges Detail von Robbens Wert vor, wenn er erzählt, wie sich allein sein eigenes Spiel verändern werde, wenn Robben wieder sein Partner ist auf der rechten Flanke. "Ich freue mich, wenn er wieder mit mir auf einer Seite spielt", sagt Lahm, "er dribbelt ja so schnell und zieht gerne nach innen, so habe ich mehr Freiheiten über außen."


Offiziell hat das bisher niemand erklärt, und doch ist bekannt, dass die Bayern bisweilen sogar unsicher waren, ob Robben überhaupt wieder spielen könnte. Statt eines Faktors, der ein Spiel verändert, ist er seit seiner Verletzung nur noch ein Politikum gewesen: ein Streitobjekt zwischen den Münchnern und Hollands Fußballverband, der Robben offenkundig angeschlagen bei der WM einsetzte: Als er sich nach den Ferien zurückmeldete, entdeckte Teamarzt Müller-Wohlfahrt ein fünf Zentimeter großes Loch in der Oberschenkelmuskulatur.

Am linken Oberschenkel trägt Robben jetzt eine blaue Bandage. "Ich werde sie auch bei den Spielen tragen, sie ist für den Muskel", erzählt er nach dem Training. Er trägt sie aber wohl auch für seinen Kopf. "Ich habe keine Angst mehr", sagt er zwar, doch den Ernstfall hat das Gewebe erst noch zu überstehen. Doch die Zuversicht ist groß, der Rückrunden-Start in Wolfsburg ist das Ziel. "Ich fühle mich sehr gut", versichert Robben, und auch deshalb hatte wohl Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag gemeint, van Gaal müsse mit der Ankündigung eines weiteren Trainingsneulings nach Luiz Gustavo den Rückkehrer Robben gemeint haben.


Dabei hat sich sein eigenwilliger Trainer wohl wieder nur etwas zu weit vorgewagt, denn ganz offenbar erwarten die Münchner spätestens in der kommenden Woche einen Gast zum unverbindlichen Probetraining: einen offensivstarken, hierzulande noch namenlosen Teenager, der nicht aus Europa stammt.

An dem jungen Kandidaten ist allerdings auch ein spanischer Topklub interessiert. Van Gaal sollte mal seinen rauen Charme spielen lassen.

Quelle: SZ