Asiens Chelsea will bei der Klub-WM Bayern ärgern

Bei der Klub-WM trifft der FC Bayern auf Guangzhou Evergrande. Der Klub aus China gehört einer Immobilienfirma. Die Gehälter zählen zu den höchsten der Welt. Ein Weltmeister-Trainer ist der Chef.
Von Julien Wolff



Philipp Lahm sieht aus, als wolle er mit einer Armee feindliches Territorium einnehmen. Der Kapitän des FC Bayern steht auf einem Hügel in der marokkanischen Wüste, über ihm schwebt sein Trainer Pep Guardiola, wie ein Geist, und auf einem Hügel gegenüber steht Zhi Zheng.

Er ist einer der Stars des chinesischen Klubs Guangzhou Evergrande, schwenkt die Fahne seines Vereins, und am Himmel erscheint sein Trainer Marcello Lippi. So dramatisch sieht in China die Werbung für ein Fußballspiel aus. Da kann Hollywood noch lernen. Als Überschrift steht auf dem Plakat: "Where amazing happens" - wo Erstaunliches passiert.

Dienstag (20.30 Uhr, ARD) tritt Guangzhou im Halbfinale der Klub-WM in Agadir gegen den deutschen Rekordmeister an, und eine Niederlage der Bayern wäre tatsächlich sehr erstaunlich. Guangzhou – mal gehört? "Wir wissen, dass nicht nur Chinesen dort spielen, sondern viele Südamerikaner. Für mich der Bekannteste ist aber ihr Trainer", sagt Nationaltorwart Manuel Neuer.

Italiener Lippi trainiert die Chinesen

Der 65-jährige Lippi gehört zu den erfolgreichsten Trainern der Welt: 2006 zerstörte die italienische Nationalmannschaft unter seiner Leitung im Halbfinale den Traum der Deutschen vom Endspiel im eigenen Land und gewann später den Titel. Zudem gewann er mit Juventus Turin 1996 die Champions League, fünf Mal die italienische Meisterschaft und in diesem Jahr mit Guangzhou die asiatische Champions League. Das war dem Verein zuvor noch nie gelungen, mit dem Triumph qualifizierten sich die Chinesen für die Klub-WM.

Lippi sagt über die Partie gegen die Münchner: "Bayern ist eine der besten Mannschaften der Welt. Wenn wir hundert Mal gegen sie spielen, werden wir 99 Mal verlieren. Aber der eine Sieg kommt vielleicht in diesem Spiel."

Viele sehen in Guangzhou die beste asiatische Klubmannschaft, die es bislang überhaupt gab. Der Klub sicherte sich dreimal in Folge den Meistertitel, in der vergangenen Saison schon drei Spieltage vor dem Ende und schließlich mit 18 Punkten Vorsprung und 78:18 Toren. Der ehemalige englische Nationaltrainer Sven Göran Eriksson meint sogar, Evergrande könnte in der Premier League bestehen. Lippi hat viel bewirkt in dem Klub. Das Geld noch mehr.

Vor drei Jahren spielte der Verein noch in der Zweiten Liga - weil er sich den Aufstieg in Chinas höchstes Klassement 2007 erkauft hatte, der Korruptionsskandal um verschobene Spiele sorgten nicht nur in China für Aufsehen. Zur Strafe ließ der Verband Guangzhou absteigen, dem Klub gelang in der darauffolgenden Saison der Wiederaufstieg. Und dann legte er richtig los: Mit Hilfe des Investors Evergrande Group, eine große Immobiliengesellschaft, rüstete er seinen Kader auf.

180 Millionen Euro investiert

Der Klub hatte zuvor mal einem Pharmaunternehmen gehört und in den vergangenen 29 Jahren sechs Mal den Namen und das Klubemblem gewechselt, von einem Lorbeerkranz über Herzen bis hin zu einer Krone war alles dabei. Jetzt ist es ein Tiger. Er soll wohl symbolisieren, dass der Verein dank der Evergrande Group nun besonders (finanz)stark ist:

Firmenchef Xu Jiayin gehört zu den reichsten Chinesen, sein Vermögen wird auf rund sechs Milliarden Euro geschätzt. Er hat bislang angeblich 180 Millionen Euro in den Verein investiert und auch einen deutschen Physiotherapeuten verpflichten lassen. Xu Jiayin lässt die Spieler in seinem Privatjet fliegen und mit seiner Yacht fahren.

Die Klubverantwortlichen kauften in den vergangenen Jahren unter anderem den argentinischen Mittelfeldprofi Dario Conca vom brasilianischen Klub Fluminense, die Ablöse soll sieben Millionen Euro betragen haben - chinesischer Rekord. Mit rund elf Millionen Euro Jahresgehalt gehört der 30-Jährige zu den bestverdienenden Spielern der Welt. Bei Beratern und Spielern sprach sich schnell rum, wie gut der Klub zahlt, und so wechselten weitere Profis aus Brasilien, ein Großteil der chinesischen Nationalmannschaft und Lucas Barrios von Borussia Dortmund zu Guangzhou. Dem Stürmer gefiel es trotz 130.000 Euro Gehalt pro Woche dort nicht, er spielt inzwischen für Spartak Moskau.

Lippi soll rund zehn Millionen Euro pro Jahr verdienen und kommt deutlich besser als Barrios zu Recht bei dem Klub, der seit dem Kaufrausch in Anlehnung an den englischen Klub "Chelsea Asiens" genannt wird. Weil in der asiatischen Champions League die Mehrheit der Spieler aus dem eigenen Land sein müssen, gehören allerdings nur vier Nicht-Chinesen zum Kader.

"Mit 20 Jahren erst die Taktik zu lernen, ist viel Arbeit"

Die sind dafür aber ziemlich gut und teuer: Der Brasilianer Elkeson schaffte es in der vergangenen Saison mit 24 Treffern zum Torschützenkönig der chinesischen Liga, sein Landsmann Muriqui ist ebenfalls torgefährlich, und der südkoreanische Nationalspieler Young-Gwon Kim ein solider Innenverteidiger.

"Wir haben das alles sehr schnell auf die Beine gestellt, vor eineinhalb Jahren haben wir international noch nicht existiert. Der Fußball beginnt, sich zwischen Tischtennis und Badminton Platz zu schaffen, aber es liegt noch ein langer Weg vor ihm. Es ist eine Frage der Fußball-Kultur. In China habe ich damit begonnen, das einzuführen, aber es braucht Zeit. Mit 20 Jahren erst die Taktik zu lernen, ist viel Arbeit", sagt Lippi.

Neuer befürchtet italienische Spielweise der Chinesen

Am vergangenen Samstag gewann Evergrande im Viertelfinale der Klub-WM 2:0 gegen Al Ahly Kairo aus Ägypten, die Tore erzielten Elkeson und Conca. "Es war ein wunderbarer Sieg, der mich sehr zufrieden macht. Wir haben sehr viel Qualität in unserer Mannschaft", sagte Lippi. Guardiola hat sich intensiv über die Chinesen informiert und seiner Mannschaft erklärt, dass der Gegner sich unter Lippi taktisch deutlich verbessert hat. "Wenn die Chinesen nach italienischem Muster spielen, wird es schwer für uns, Tore zu erzielen", so Neuer.

In China träumen sie jetzt sogar davon, dass Lippi mal das Amt des Nationaltrainers übernimmt, 2015 steigt in Australien die nächste Asienmeisterschaft. Bis dahin will Guangzhou ein Verein sein, in dem neben gekauften Stars auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs entscheidend sind.

Der Klub vereinbarte eine Kooperation mit Real Madrid zum Austausch von Talenten und hat sein Nachwuchszentrum ausgebaut. Mittelfeldstar Conca wird nach der Klub-WM trotzdem zu Fluminense zurückkehren. Ein Sieg gegen die Bayern zum Abschied, das wär´s, findet er. "Wir wollen Klub-Weltmeister werden. Das Selbstvertrauen haben wir", sagt Conca.

Quelle: DIE WELT
https://www.welt.de/sport/fussball/bundes...rn-aergern.html


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)