Anmerkung von mir: sehr schönes Interview mit Rode.

Bayern Münchens Sebastian Rode: "Man spürt Xabi Alonsos Aura"

Exklusiv mit Goal spricht Rode über seine ersten Wochen beim Titel-Krösus. Man fühle sich zwar wie ein Popstar, trotzdem habe er Luxus nicht nötig.

INTERVIEW
Von Christoph Köckeis



München. Im Jogging-Anzug mit Badelatschen spazierte er in das Studio 2 an der Säbener Straße. Er entschuldigt sich für die Verspätung, lächelte die Frage nach Überstunden charmant weg. Sebastian Rode hat allen Grund zu bester Laune. Beim FC Bayern München ist der Neuzugang angekommen, wird respektiert, für seine Charakteristika sogar gepriesen.

Goal traf den 23-jährigen Mittelfeldmotor in entspannter Atmosphäre. Ein Interview über Xabi Alonsos Aura, Pep Guardiolas Komplexität sowie die Blase "Profitum". Plus: Was er von Marco Reus und dem Gezanke mit Borussia Dortmund hält.

USA-Trip, Bundesliga-Debüt, Lederhosen-Shooting - und bald grassiert in München das Wiesn-Fieber. Herr Rode, der Terminkalender verspricht weiterhin Stress.

Sebastian Rode: Wir haben dann ausschließlich englische Wochen. Ich freue mich allerdings auf das Oktoberfest, ich war nämlich selbst noch nie dort. Einen offiziellen Besuch gibt es auf jeden Fall - und vielleicht ergibt sich eine weitere Möglichkeit. Die Tracht sitzt jedenfalls und sieht gut aus.

Xabi Alonso meinte, Thomas Müllers Englisch bereite ihm Probleme. Wie kommen Sie denn mit dem bayrischen Dialekt zurecht?

Rode: Thomas ist einfach zu verstehen (lacht). Sprachliche Barrieren gibt es kaum, außer mit dem ein oder anderen Ur-Bayer. Bei unserem Physiotherapeuten muss ich zum Beispiel zwei Mal hinhören, um ihn zu verstehen. Sonst finde ich mich sehr gut zurecht. Der Klub ist eine völlig neue Dimension - allein wie viele Pressetermine anstehen, wie viele Leute hier arbeiten.

Nach Javi Martinez‘ Kreuzbandriss stießen zwei Stars hinzu: Erst Mehdi Benatia. Dann Xabi Alonso, ein Welt- und Europameister, Champions-League-Sieger. Was halten Sie vom Transfer-Coup?

Rode: Man sieht die Klasse, die er besitzt, in jeder Aktion. Ich kann von ihm nur lernen. Die Ruhe am Ball, die Pässe, die er nach vorne spielt, vor allem die langen. Er hielt mir gegen Schalke den Rücken frei. Ich konnte daher vorne attackieren.

Beeindruckt Sie die Ausstrahlung?

Rode: Man spürt seine Aura, sie flößt dem Gegner Respekt ein. Er hat alles gewonnen und erreicht, was es zu erreichen gibt. Durch seine Ausstrahlung ist er eine Persönlichkeit. Er verfügt über reichlich Erfahrung. Das gibt Sicherheit. Gegen Schalke war er dafür zuständig, den Spielaufbau zu eröffnen, die Bälle abzuholen und geordnet in die Offensive zu bringen. Ich konnte mich blind auf ihn verlassen.

Mit Alonso wächst die spanische Clique. Nimmt deren Einflüsse langsam Überhand?

Rode: Nein, die Ansprachen und Sitzungen hält der Trainer auf Deutsch. Die Spanier kommunizieren zwar untereinander in ihrer Heimatsprache, jedoch ohne sich abzugrenzen. Sie bekommen Deutsch-Unterricht und pauken fleißig. Vom Verein wird sehr darauf geachtet.

Apropos Verständnis: Guardiolas Philosophie fußt auf Ballbesitz. Klingt einfach. Wie schwer ist es, seine Ideen umzusetzen, zu verinnerlichen?

Rode: Die Anforderungen, die Pep Guardiola an einen hat, sind sehr, sehr komplex. Da versuche ich, mich einzufinden und die Vorgaben bestmöglich umzusetzen. Ich denke, bisher habe ich das ordentlich gemacht. Er gibt viele Hinweise, wie es funktionieren kann. Es ist nicht so, dass er uns den Ball, aber keine Lösungen gibt. Er hat für alles eine Lösung. Diese Vielzahl an Optionen gilt es zu ordnen, sie aufzusaugen. Gerade, was das Gegenpressing betrifft.

Im Training kommentiert Guardiola beinahe jede Aktion, gibt während Übungen munter Kommandos. Ein Laie wäre heillos überfordert.

Rode: Es stimmt, manchmal geht es relativ schnell. Wir sind bei einer Situation, plötzlich springen wir zur nächsten. Was heißt überfordert? Aufmerksamkeit ist bei seinen Einheiten alles - das bläut er uns ständig ein. Jeder muss zu hundert Prozent auf der Höhe sein und Vollgas geben. Wenn man richtig aufpasst, lernt man jede Menge.

Besonders für die Schaltzentrale des modernen Fußballs, das defensive Mittelfeld.

Rode: Er spielte selbst auf meiner Position und hat zahlreiche Ideen parat. Er nimmt mich dann zur Seite, versucht genau zu erklären, was er sich vorstellt und gibt mir Hilfestellungen. Ihm ist wichtig, offen zum Ball zu stehen, den Pass offen anzunehmen, um handlungsschnell zu bleiben. Er zeigt mir schon mal Bewegungen, die das gewährleisten.

Medial wurde gemunkelt, Sie seien keine Pep-Verpflichtung. Ihr Eindruck?

Rode: Ich habe sein Vertrauen. Man spielt nur, wenn man im Training und in den Testspielen Leistungen bringt. Das war bislang, denke ich, in Ordnung. Die Konkurrenz ist mit Alonso sicherlich größer geworden. Aber ich konnte die gesamte Vorbereitung mitmachen und bin der Konkurrenz gewachsen.

Zweifel plagten Sie nie?

Rode: Ich selbst und Matthias Sammer trauten mir das zu. Es waren die Kritiker, die sagten: „Der Rode wird keine Einsätze bekommen.“ Damit umzugehen, ist nicht einfach. Vor allem die Anfeindungen in sozialen Netzwerken nach einem Vereinswechsel oder einem Fehler tun weh. Dann die Gerüchte, die um mich und meine Knieverletzungen kursierten - sogar von Karriereende war die Rede. Ich ließ mich nicht verrückt machen. Wie man sieht, geht es mir sehr gut. Ich kann das ausblenden. In vier Jahren Eintracht lernt man das.

Rode: Er ist wirklich ein großer Förderer von mir. Ich hatte damals ein Trikot von ihm - und ja, das mit der Dortmund-Bettwäsche stimmt. Dazu stehe ich. Als er anrief, musste ich nicht lange überlegen. Er überzeugte mich schnell, dass Bayern mich will und ich keine Angst zu haben brauche. Vor dem Trainingsstart nahm er mich zur Seite und erklärte mir, was er erwartet. Sonst hält er sich im Kreise der Mannschaft zurück. Sein Vertrauen möchte ich durch Leistung rechtfertigen.

Liebevoll wurden Sie von ihm als "Giftzwerg", als neuer Jens Jeremies präsentiert. Die Aggressivität, der Kampfgeist zeichnet sie aus - im Star-Ensemble ein Alleinstellungsmerkmal.

Rode: Mein Stil unterscheidet mich von vielen hier. Erfolg hat man nicht nur durch schönes Spiel. Da benötigt es mitunter andere Attribute. Die bringe ich mit. Ich muss mich auf meine Stärken besinnen und die Kollegen in Szene setzen. Da darf man keine Angst haben, Fehler zu begehen. Eigentlich ist es sehr leicht, mit Ausnahme-Fußballern wie Franck Ribery oder Arjen Robben zu kicken. Sie wissen fast in jeder Situation den Pass zu verwerten.

Von eben jenen Ballartisten zehrt die Marke FCB. Der Trubel ist gigantisch. Wie geht man damit um?

Rode: Es macht unheimlich Spaß, Kindern mit einer Unterschrift ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Man kann es aber nicht jedem Recht machen und zwei Stunden nach dem Training bei den Fans bleiben. Man fühlt sich manchmal wie ein Popstar, gerade beim Pokal-Spiel in Münster. Die Menschenmengen, die uns dort auf dem Flughafen verabschiedeten, waren unglaublich. Da muss man aufpassen, den Blick fürs Wesentliche nicht zu verlieren. Denn: Letztlich zählt die Leistung auf dem Platz, nicht außerhalb.

Sie wirken entschlossen, nicht verkrampft, locker, nicht aufgesetzt. Andere verlieren ihre Natürlichkeit. Warum?

Rode: Meine Eltern und Freunde halten mich immer auf dem Boden. Ich lege keinen Wert auf teure Uhren, oder Autos. Mittlerweile darf man auf deutschen Autobahnen ohnehin nicht mehr so schnell fahren (lacht).

Wie sehr prägten Sie verletzungsbedingte Rückschläge in Ihrer Einstellung?

Rode: Ich hatte den ersten Kreuzbandriss mit 18 Jahren, da ging ich noch zur Schule und machte mein Abitur. Zwei Mitspieler in Offenbach, die auf dem Sprung zu den Profis waren, teilten dieses Schicksal mit mir. Sie kehrten nicht zurück. Ich habe es hautnah miterlebt: Die Blase platzt schnell. Man braucht nach langen Ausfällen im Nachwuchs viel Glück, muss fixiert sein, dass es irgendwann wieder hinhaut mit dem Fußball. Da muss man dran bleiben. Und abseits des Sports runterfahren und entspannen.

Etwa auf dem Mountainbike. Zum Nationalteam würden Sie sogar radeln. Wie nah sind Sie, um im Bilde zu bleiben, der Ziellinie, der EURO 2016?

Rode: Ich setze mir keine Flausen in den Kopf und werde nicht unruhig. Das, was ich zu dem Thema gesagt habe, versuche ich über Leistungen zu rechtfertigen. Wenn ich weiter abliefere, wird Joachim Löw irgendwann nicht mehr an mir vorbeikommen. Momentan liegt der Fokus auf den kommenden Wochen mit Bayern München. Vielleicht klappt es ja in der nächsten Länderspielphase.

Zunächst wartet ein anderes Highlight: 17. September, Königsklasse, Manchester City. Was schwirrt Ihnen durch den Kopf?

Rode: Deshalb habe ich den Schritt zu Bayern München gewagt. Ich wollte Champions League spielen. Der Traum wird sich hoffentlich gegen City erfüllen. Es wäre eine richtig geile Sache. Dann warten noch AS Rom und Altmeister Francesco Totti. Er gehört zu denen, die man früher bewunderte. Selbst mit 37 Jahren hat er nichts an Qualität eingebüßt. Wichtig ist ein guter Einstieg in die Gruppenphase. Wir müssen gegen City die drei Punkte zu Hause behalten. Sie verfügen über eine sehr, sehr starke Mannschaft, die ebenfalls unzählige Nationalspieler in ihren Reihen hat.

Sie streben nach Titeln, der Rekordmeisters auch. Erwartet Deutschland neuerlich ein Durchmarsch in der Bundesliga?

Rode: Ein Selbstläufer ist das nie. Bayern eilte letztes Jahr in Hin- und Rückrunde vorneweg. Und sie schaffen es, das Jahr für Jahr zu bestätigen, genau das macht Weltklasse-Teams aus. Bayern ist eine Konstante. Leverkusen hat sich super verstärkt und Trainer Roger Schmidt ein klares System, wie er Fußball spielen lässt. Die Dortmunder sind ebenfalls gerüstet. Jürgen Klopp schafft es, die Neuen schnell zu integrieren. Man wird sehen, wie ihm das mit Shinji Kagawa nach der Zeit bei Manchester United gelingt. Der BVB ist mittlerweile ein anderes Team.

Im Dunstkreis der Bayern fiel zuletzt häufig der Name Marco Reus. Wäre er einer für Guardiola?

Rode: (lacht) Da werde ich mich nicht einmischen. Marco Reus agiert schon lange Zeit auf absolutem Top-Niveau. Für ihn sind die Verletzungen sehr schade. Er wäre bei der WM ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft gewesen und ist ein Super-Kicker.

Und wie nehmen Sie das Gezanke mit Dortmund wahr?

Rode: Man liest es. Intern bekommt man nichts mit, nur über die Presse. Als Spieler schmunzelt man darüber. Wenn man weiß, wie es im Fußball zugeht, sollte man das nicht überbewerten. Das gehört zur Rivalität. Es ist eine besondere, zusätzliche Motivation, gegen Dortmund zu spielen. Letztlich geht’s im direkten Duell allerdings nicht um Streitigkeiten, sondern um das Prestige.

Quelle: goal.com


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)