Peps Probierwochen: Alles nur Strategie
Patrick Strasser / Rainer Nachtwey, 08.12.2014 06:23 Uhr



Beim Sieg gegen Leverkusen überrascht Pep Guardiola mit einer neuen taktischen Variante. Die ehemaligen Bayern Didi Hamann und Lothar Matthäus warnen. Matthias Sammer verteidigt Guardiolas Maßnahmen.

München -
Die Nachspielzeit war fast abgelaufen, nur Sekunden noch zu spielen. Echte Gefahr drohte nicht mehr. 1:0 führte der FC Bayern gegen Bayer Leverkusen. Einwurf für den Tabellenführer in der gegnerischen Hälfte, direkt vor der Trainerbank, vor den Augen von Scharfrichter Pep.
Und dann das: Die Bayern verdaddelten den Ball leichtfertig, leiteten so einen Leverkusener Konter ein, zumindest den Versuch. Guardiola tobte, wurde fuchsteufelswild. Raunzte Arjen Robben an, den vermeintlichen Übeltäter. Ich? Warum ich, Trainer? Nein, nein! Dann war Rafinha, zufällig in der Nähe des Tatorts, dran. Das nächste Opfer wehrte sich: Ich doch nicht, Trainer! In Peps Anfall hinein ertönte der Schlusspfiff. Er stürmte missmutig in die Kabine, brabbelte „Scheiße! Scheiße!“ vor sich hin.

1:0 gewonnen gegen einen Champions-League-Teilnehmer, sieben Punkte vor Wolfsburg – alles schön und gut. Aber diese Nachlässigkeiten! Zum Aus-dem-Pep-Fahren! „Ach, das ist kein Problem“, sagte Robben später, „das sind die Emotionen der letzten Minuten. Alles gut.“ Er lachte. Er kennt seinen Trainer. Funktioniert ein Puzzle-Teil nicht, ein Einwurf, ein Anspiel, ein Zustellen des Gegners flippt der Perfektionist an der Linie aus.

Als Robben wegen einer blutenden Nase an der Seitenlinie behandelt werden musste, ging ihm dies zu langsam. Er drängte sich dazwischen, redete auf Arzt Müller-Wohlfahrt und den Vierten Schiedsrichter ein, Umarmung inklusive. „Pep war heiß wie Frittenfett und wollte alles tun, damit wir das Spiel gewinnen“, erklärte Sportvorstand Matthias Sammer, „wenn es auf Messers Schneide steht, wenn es taktisch seziert wird, dann verzichtet er ungern auf ein so wichtiges Puzzle-Teil. Er war gegen Leverkusen nochmal eine Schippe heißer.“

Weil er sich aber auch selbst sehr unter Druck gesetzt hatte: mit einer neuen Idee. Er stellte Bayer, die meist extrem offensiv mit hoch stehenden Außenverteidigern operieren, ein 4-1-2-3-System entgegen, mit dem Strafraum-Stürmer Robert Lewandowski als Links- und Thomas Müller als Rechtsaußen. Mario Götze agierte in der Mitte. Dahinter Franck Ribéry auf halblinks und Robben auf halbrechts. „Mit diesem Pressing wollten wir Anspielmöglichkeiten in der Tiefe und Breite haben“, sagte Sammer.

Eine riskante Variante, die Verwirrung stiftete – trotz des Einstudierens im Training. „Auf meiner Position musste ich nicht nur nach vorne spielen, auch zur Seite, aber dann ist in der Mitte niemand“, meinte Lewandowski. Doch Pep wäre nicht Pep, könnte er sich nicht selbst korrigieren. Zur Pause brachte er Sebastian Rode für Götze. Lewandowski ersetzte in der Mitte Götze, Ribéry rückte auf links, Giftzwerg Rode eroberte Bälle, etwa den, der nach einer Ecke zu Ribérys Volleyschuss zum 1:0 führte (51.). Ein Wechsel, der die Partie entschied. Nochmal gut gegangen.

Peps Probierwochen gehen weiter. Vergangenen Samstag beim 1:0 in Berlin setzte der Spanier die Flügelspezialisten Robben und Ribéry im Zentrum ein, diesmal Lewandowski auf Linksaußen. Zu viel der Taktik? „Du bringst die Mannschaft durcheinander, darfst sie nicht verunsichern“, monierte Sky- Experte Didi Hamann, „solange Bayern gewinnt, geht es gut.“ Ex-Bayern-Kapitän Lothar Matthäus warnte: „Pep probiert viele Dinge aus, kann den Fußball aber auch nicht neu erfinden.“

Die Operation am offenen Herzen geht weiter. Alles für die Phase im Frühjahr, wenn es richtig ernst wird? „Dahinter steckt eine klare Strategie, was der Trainer in der jeweiligen Situation mit den zur Verfügung stehenden Spielern erreichen will“, verteidigte Sammer gegenüber der AZ seinen Trainer, „es ist keine Experimentier-Phase. Es geht darum, welche Spieler wir zur Verfügung haben und zweitens daraus resultierend das Optimale für unser Spiel zu finden.“ Und weiter: „Wenn mein Trainer nicht eine andere Idee gehabt hätte für dieses Spiel, außer genau so zu spielen wie immer, dann hätte er mit mir ein Problem gehabt.“

Quelle: abendzeitung-muenchen.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)