28. April 2015, 10:30 Uhr Mitchell Weiser beim FC Bayern
Azubi auf der Außenbahn




- Plötzlich ein Genie: Vor dem Pokalspiel gegen Dortmund haben sich die Karten von Mitchell Weiser beim FC Bayern schlagartig verbessert.
- Doch ihm fehlt ein Vertrag für die kommende Saison.

Von Jonas Beckenkamp

Wenn Pep Guardiola ins Schwärmen gerät, kann das zu Verwirrung führen, denn in seinem Wortschatz befinden sich eine Reihe Lobesbekundungen, die sehr ähnlich klingen. Da purzeln die Superlative manchmal wie Dominosteine. "Super, super" (gilt für fast alle), "top, top" (gilt für alle, außer Dante) und natürlich "unglaublich überragend" (gilt nur für Dante) findet der Bayern-Coach seine Spieler - da ist es mit den Abstufungen des Gutfindens natürlich verzwickt.

Für Mitchell Weisers Darbietung beim 1:0 gegen Hertha BSC hatte sich der Bayern-Trainer eine neue Schwärmerei zurechtgelegt. Weisers Vorarbeit zu Bastian Schweinsteigers Siegtreffer bezeichnete Guardiola fachgerecht als "Geniestreich", was beim Katalanen eher nach "Chäniästreichä" klang. Der Nachwuchsmann hatte in der 80. Minute gleich vier Berliner zum Spalierstehen verdonnert, als er sie umkurvte. Diese kleine Vorlagenkunstwerk ist natürlich auch dem Coach aufgefallen - für Weiser kam der Auftritt zu einem günstigen Zeitpunkt, denn er braucht derzeit ein paar Argumente, um in der Pep-Gunst nach oben zu kommen.

Vom "Chäniästreichä"-Bereich in den "top, top"-Bereich wäre da schon mal ein Anfang. Und vielleicht bekommt der 21-Jährige nach seiner sehr ordentlichen Vorstellung vom Samstag im Pokal gegen den BVB eine weitere Chance. Guardiola wird nach eigener Aussage "erst am Morgen vor dem Spiel entscheiden", wie er seine Mannschaft aufstellt, aber Mitchell Weiser wird sicher eine Rolle in seinen Grübeleien spielen. Denn: Womöglich fehlt dem Pep-System nach dem Ausfall von David Alaba ein weiterer Außenverteidiger.

"Ein Geniestreich von Mitch"

Sollten die Bayern wieder mit Viererkette agieren wie zuletzt in der Liga und sollte Rafinha wie schon gegen die Hertha ausfallen (ihn zwickt's an den Adduktoren), wäre auf Rechts erneut ein Plätzchen frei. Am vergangenen Samstag besetzte diese Position zunächst Sebastian Rode, der sich aber häufig festrannte. Nach der Pause beorderte Guardiola dann Weiser an selbige Stelle - das Resultat ist bekannt. Der gebürtige Rheinländer selbst freute sich über die Komplimente, allzu euphorisch wollte er sich aber nicht äußern.

"Es ist einfach schön, dass ich der Mannschaft zum Sieg verhelfen konnte", sagte Weiser. Etwas blumiger formulierte es Manuel Neuer, der offenbar bei Guardiola im Vokabelheftchen gespickt hatte: "Ein Geniestreich von Mitch." Befeuert von solchen Komplimenten gestalten sich auch Weisers Zukunftchancen in München durchaus positiver als zuvor. Guardiola mag andere Profis etwas lieber haben als den Azubi auf der Außenbahn, aber zumindest Sportvorstand Matthias Sammer ist angetan von dessen Entwicklung.

Eine vor Kurzem noch ausgeschlossene Vertragsverlängerung ist nunmehr in den "Vielleicht doch"-Bereich gerückt. Darf Weiser also bleiben? "Die Antwort ist einfach. Wir sind in der Kaderplanung noch nicht in der Entscheidungsphase", sagte Sammer am Wochenende. Man habe vereinsintern "gewisse Überlegungen", aber bei Weiser sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen. "Sein Vertrag läuft aus. Auch er hat die Möglichkeit, sich umzusehen. Er weiß von mir, dass wir unsere Entscheidungen sehr spät treffen", präzisierte Sammer, der klar betonte: "Die Tür steht auf."

Kommt er gegen Dortmund zum Einsatz?


Die entscheidenden Wochen gestalten sich ob der Absenzen anderer Luxuskandidaten für Mitchell Weiser also ziemlich angenehm. Wobei einen weiteren Einsatz gegen Dortmund auch ganz andere Planspiele Guardiolas verhindern könnten: Sollten Rafinha und auch Juan Bernat (er trainierte am Montag nach Sprunggelenksproblemen wieder) rechtzeitig fit werden, stellt sich die Abwehr mit Boateng und Dante in der Mitte fast von selbst auf.

Und auch Philipp Lahm kommt nach seinen Ausflügen auf Rechtsaußen (gegen Porto) und auf die Achter-Position (gegen Hertha) natürlich für alle Positionen außer der des Torwarts in Frage (er könnte wohl sogar "Mull" ersetzen). Für Weiser bedeutet dies: Abwarten und hoffen, dass sich Guardiola am Morgen des Spiels an seine neueste Schwärmer-Vokabel erinnert.


Quelle: sueddeutsche.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)