Nach DFB-Pokal-Aus gegen Dortmund
Verballert der FC Bayern jetzt alles?

Patrick Strasser, 29.04.2015 17:27 Uhr


Konnte es nicht fassen, dass seine Kopfbälle gegen den BVB nicht rein wollten: Bastian SchweinsteigerFoto: dpa

Nach dem Elferdrama im Pokal gegen Dortmund ist der Triple-Traum der Bayern geplatzt. In der Champions League wartet Barcelona. „Wir brauchen nicht zu jammern. Wir haben noch eine Chance!“

München -
Der Tag danach. Kater, Katzenjammer und Wunden lecken, so sagt man ja. Es war mehr als das. Viel mehr! Beim FC Bayern konnte man am Mittwoch noch gar nicht absehen, wie tief die Wunden sein werden, die diese Niederlage im Elfmeterschießen des Pokalhalbfinales gegen Borussia Dortmund verursacht haben dürfte. Und welch’ Kontrast an der Säbener Straße – denn genau eine Woche zuvor schwebte der Verein nach dem 6:1 gegen den FC Porto auf einer Wolke der Glückseligkeit, stand im Halbfinale der Champions League, ein weiteres historisches Triple nach dem von 2013 vor Augen.

Nun liegen die Träume in Trümmern und die Spieler im Krankenhaus. Siehe Arjen Robben, dessen Saison nun nach einem Muskelbündelriss in der linken Wade beendet ist. Und Robert Lewandowski, der mit Gehirnerschütterung sowie Bruch des Nasenbeins und des Oberkiefers für das erste Halbfinale beim FC Barcelona fraglich ist (siehe Seite 28). „Wir müssen uns jetzt schütteln und nächsten Mittwoch in Barcelona mit neuem Elan, mit neuem Spirit auf den Platz gehen“, forderte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Unterdessen gab Philipp Lahm den aufrechten Kapitän in höchster Seenot: „Wir brauchen nicht zu jammern, es geht weiter. Wir haben noch eine Chance, ins Finale nach Berlin zu kommen – und die wollen wir nutzen.“ Statt am 30. Mai, wenn der BVB den scheidenden Trainer Jürgen Klopp mit dem goldenen Pott verabschieden will, soll nun das Königsklassen-Endspiel am 6. Juni zur noch größeren Bayern-Bühne werden. Der silberne Henkelpott ist ja wertvoller.

Was unterdessen hilft? Etwas Sarkasmus. Es geht ja im Halbfinale nur gegen Barcelona. Und: Bis zum nächsten Elfmeterschießen ist ja noch Zeit. Am 12. Mai, im Rückspiel des Halbfinals der Königsklasse gegen Barça könnte es soweit sein. Alles muss bis dahin auf den Prüfstand nach den vier verballerten Schüssen, was ein Novum in der Vereinsgeschichte bedeutete: Die Schützen, logo. Die Wahl der Stollen, nachdem Philipp Lahm und Xabi Alonso ausrutschten, dann der Elfmeterpunkt (plötzliches Blitzeis?) und schließlich das Tor selbst, das vor der Südkurve. Liegt auf diesem ein Fluch? Muss es für künftige Elfmeter-Entscheidungen aus Selbstschutz gesperrt werden? Schließlich ballerte Bastian Schweinsteiger genau hier im „Finale dahoam“ 2012 den letzten Elfmeter gegen den Pfosten. Der FC Chelsea gewann damals den Pott – nicht gewusst wie.

Was für Parallelen! Dortmund gewann am Dienstag Bayerns „Halbfinale dahoam“ – auch im Elfmeterschießen, auch ohne hinterher so recht zu wissen, wie und warum. Und: Man sollte eben nie Thomas Müller auswechseln bevor der Gegner sich ergeben hat – siehe Chelsea 2012. „Müller spielt immer“, sagte einst sein Förderer Louis van Gaal, vielleicht sollte Pep Guardiola ein „durch“ ans Ende des Satzes stellen.

Alles nur Pech? Eine Frage der Standfestigkeit? „Es gibt sicher bessere Momente, als im Elfmeterschießen auszurutschen“, meinte Lahm. Müller ließ keine Entschuldigungen gelten: „Die Spieler hatten keine Badelatschen an, sondern Stollenschuhe.“ Übrigens – und noch mal zur Erinnerung: Vor drei Wochen gewann Bayern das Elfmeterschießen in Leverkusen mit 5:3. Alle fünf bayerischen Schützen (Müller, Lewandowski, Alonso, Götze, Thiago) trafen damals und Müller meinte hinterher noch: „Es war eine Mischung aus Glück und Elfmetertraining. Wir trainieren das ja immer ein bisschen nach dem Training.“

So, so. Wie dieses Training dieses Mal wohl aussah? Nun wird es also extrem schwierig, sich für die Halbfinals in der Königsklasse gegen den FC Barcelona, der am Mittwoch in der heimischen Primera Division den FC Getafe locker mit 6:0 abschoss, wieder aufzurichten. Auf den FC Bayern kommt das gefürchtete Angriffstrio Messi, Neymar & Suárez zu. Die glorreichen Drei haben in dieser Saison bereits 102 Pflichtspiel-Tore erzielt und damit den bisherigen Klubrekord aus dem Jahre 2008/09 der Scharfschützen Messi, Thierry Henry und Samuel Eto’o gebrochen. Verballert Bayern jetzt also alles?

Der Eindruck aus den Katakomben der Arena war, dass Spieler und Verantwortliche das Pokal-Aus und die verpasste Triple-Möglichkeit nicht zu tragisch nahmen. „Wir haben unsere Chancen nicht genutzt. Glückwunsch an Dortmund. Man muss gratulieren können“, sagte Lahm. „Das ist Pech. Und Elfmeterschießen immer ein Vabanque-Spiel“, meinte Rummenigge. Lediglich Müller, ja, der Ausgewechselte, der fitte, aber zum Nichtstun Verdammte ab der 76. Minute, war so richtig bedient und angefressen: „Wir haben lediglich für zehn Minuten die Struktur verloren. Wir haben nicht wirklich viel falsch gemacht, aber verloren. Ein katastrophaler Abend. Das kotzt mich an.“ Und Manuel Neuer meinte über die Zeit nach Lewandowskis 1:0-Treffer: „Ich denke, wir hätten einfach weiter spielen müssen. Wir haben alles unter Kontrolle gehabt.“ Nur nicht ihre Nerven.

Ihnen bleibt immer noch – Barça. Doch mit welchem Personal? Auf Twitter kamen gestern zig Vorschläge, wen man zum bedeutungslosen Liga-Auswärtsspiel nach Leverkusen (Samstag, 18.30 Uhr) schicken solle: die A-Junioren oder die Herren Rummenigge, Breitner, Hoeneß. Hm. Schwierig.


Quelle: abendzeitung-muenchen.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)