FC Bayern rüstet gegen die Verletztenseuche auf

Die Saison des FC Bayern war geprägt von vielen verletzten Stars wie Ribéry oder Robben. Dies soll sich nicht wiederholen. Dafür gibt der Klub nun Millionen für neue Hightech-Anlagen aus.



Foto: dpa Bei der französischen Nationalmannschaft ließ sich Franck Ribéry schon öfter mit einer Kältetherapie behandeln.
Bald kann er sich bei seinem FC Bayern in die Eiskammer begeben


Beim FC Bayern geht es zu wie auf einem Bauernhof. Ein roter Traktor fährt über das Gelände, Männer in Arbeitskleidung säen Rasen, und überall stehen Maschinen, die optisch an die Landwirtschaft erinnern. Die Chefs des deutschen Fußball-Rekordmeisters nutzen die Sommerpause nicht nur, um nach Zugängen für ihre Mannschaft zu suchen. Sie lassen auch das traditionsreiche Trainingsgelände an der Säbener Straße modernisieren.

Dabei gibt es nicht nur einen neuen Untergrund, auch personell tut sich einiges bei den Münchnern. Aktuell im Medizinbereich: Am Mittwoch entließ Matthias Sammer den langjährigen Physiotherapeuten Fredi Binder. Der arbeitete nicht nur seit 36 Jahren für den Rekordmeister, er gilt auch als Intimus von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt.

Der Arzt mit dem wehenden Haar, der ebenfalls langjähriger Mediziner der deutschen Nationalmannschaft ist, hatte nach dem 1:3 im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales beim FC Porto Mitte April überraschend die Brocken hingeworfen und von einem "nachhaltig beschädigten Vertrauensverhältnis" gesprochen. Angeblich wurde die medizinische Abteilung für die zahlreichen Verletzten und die Niederlage verantwortlich gemacht. Neben Müller-Wohlfahrt quittierten auch dessen Sohn Kilian sowie Peter Ueblacker und Lutz Hänsel ihren Dienst beim FC Bayern.

Mit Binder hat es nun den Nächsten in dieser Riege erwischt. Der FC Bayern verpflichtete seinerzeit Volker Braun als Interimsarzt, der die Mannschaft auf der Zielgeraden der Saison betreute. Nun benötigt der Deutsche Meister auch noch einen neuen Physiotherapeuten.

Bereich für Leistungsdiagnostik soll bis August fertig sein

Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, Sportvorstand Matthias Sammer, Trainer Pep Guardiola und der Technische Direktor Michael Reschke haben die vergangene Saison analysiert. Fazit: Wir hatten zu viele Verletzte! Vor allem in der entscheidenden Phase ab März fehlten die Stars Arjen Robben, Franck Ribéry, David Alaba und Javi Martinez, hinzu kamen weitere Ausfälle.

In den Verletzungsstatistiken, welche die Topklubs Europas vergleichen, liegen die Münchner im unteren Drittel. Die Konsequenz: Die Bayern wollen künftig Verfahren probieren, die Verletzungen vorbeugen können. "Wir werden uns darüber Gedanken machen, welche Ansatzpunkte es bei diesem Thema gibt. Wo wir noch mehr darauf achten können, dass wir präventiv arbeiten", erklärt Sammer.

Der Klub lässt daher in seinem Leistungszentrum neben den Trainingsplätzen einen Bereich für die Gesundheits- und Leistungsdiagnostik schaffen. Sportdiagnostiker Holger Broich soll ihn mit seinem Team spätestens zum Saisonstart im August nutzen können.

Vor dem Training werden Broich und seine Mitarbeiter den Stars um Kapitän Philipp Lahm einen Tropfen Blut aus dem Ohrläppchen oder der Fingerkuppe abnehmen und umgehend analysieren. An der Blutprobe können sie dann ablesen, wie erschöpft der Spieler ist. Auch Urintests sind geplant. Beim FC Barcelona und dem FC Chelsea gehören solche Tests bereits zum Alltag. Volker Braun hat seine Praxis auf dem Gelände. Verschiedene Fachärzte werden dem Deutschen Meister künftig als Art Berater zur Seite stehen, die Klubbosse wünschen sich ein hochkarätiges medizinisches Netzwerk.

Gekühlt auf minus 110 Grad Celsius

Im Erdgeschoss des Leistungszentrums entsteht zudem ein Schwimmbecken. Dies ist vor allem für Spieler wichtig, die nach einer Verletzung in der Reha-Phase an ihrer Fitness arbeiten. Das Becken enthält eine Laufvorrichtung, die eine gelenkschonende Art des "Aquajoggings" ermöglicht. Dazu werden ein Dampfbad und eine Sauna kommen. Die Fitnesstrainer und Physiotherapeuten erhalten neue Büros, und auch eine Kältekammer leistet sich der Verein. Bayer Leverkusen zum Beispiel nutzt eine solche seit Jahren.

Sie besteht aus drei Räumen mit verschiedenen Temperaturen: minus 10, minus 60 und minus 110 Grad. Die Spieler dürfen sich nur wenige Minuten darin aufhalten, das Ganze dient der schnelleren Regeneration nach körperlicher Belastung. Die Haut kühlt sich auf etwa fünf Grad ab, die Körpertemperatur bleibt aber in der Regel stabil, weil der Körper gegenreguliert.

Die Kälte soll schmerz- und entzündungshemmende Mechanismen in Gang setzen. Die Spieler müssen meist Handschuhe, Mütze und Mundschutz tragen, Pflaster und Kontaktlinsen sind in den Kammern verboten. Des Weiteren hat der FC Bayern einen Magnetresonanz-Tomografen, kurz MRT-Gerät, gekauft. Kosten: gut eine Million Euro. Das Gerät erzeugt Schnittbilder, mit denen Ärzte Veränderungen an Organen besser beurteilen können.

Ziel der Bayern ist "höchster europäischer Standard"

Die Veränderungen sind im Sinne Guardiolas. Dem Trainer hatte es missfallen, dass die Spieler zum Beispiel nach Trainingsunfällen erst in die Innenstadt gefahren werden mussten, um sich in der wenige Kilometer von der Klubzentrale entfernten Praxis Müller-Wohlfahrts untersuchen zu lassen. Aber es geht um mehr als um medizinische Versorgung und das Trainingsgeläuf.

Grundsätzliche Gedanken stehen hinter den vielfältigen Baumaßnahmen. Die Bayern sind mit rund 300.000 Mitgliedern der größte Verein der Welt. Und wohl auch der reichste. Doch von den Trainingsbedingungen können sie nur bedingt mit anderen großen Klubs wie Real Madrid oder Manchester City mithalten.

Den bislang letzten Umbau in der Klubzentrale gab es vor sieben Jahren – damals erheblich mit angestoßen von Jürgen Klinsmann –, das Gebäude der Profis ist seit 1990 zum Teil unverändert. Bis zum Trainingsbeginn am 1. Juli soll nun vieles optimiert werden. Ziel ist der "höchste europäische Standard", wie es im Verein heißt.


Quelle: welt.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)