Boateng: 'Mein Hunger ist riesig'



Vier Jahre, neun Titel und immer noch hungrig - vor seiner fünften Saison beim FC Bayern ist Jérôme Boateng voller Tatendrang. Er wolle „noch eine Schippe drauflegen“, betonte der 26 Jahre alte Weltmeister, der auch dazu beitragen will, die Lücke zu schließen, die Bastian Schweinsteiger hinterlässt. „Ich bin an einem Punkt, an dem ich mehr Verantwortung übernehmen will und kann“, so Boateng.


Im Interview mit fcbayern.de spricht der Innenverteidiger über seinen Drang zur Perfektion, neue Wege in den USA und die anstehende China-Reise des FC Bayern, die auf seinem Kopf schon Spuren hinterlassen hat.
Das Interview mit Jérôme Boateng

fcbayern.de:
Jérôme, der Abschied von Bastian Schweinsteiger ist jetzt ein paar Tage her. Mit welchen Gefühlen blickst du heute auf den Wechsel?
Boateng: „Wenn man so lange mit jemandem zusammenspielt, in der Nationalmannschaft und bei Bayern, dann ist es schon ein bisschen komisch, wenn derjenige nicht mehr da ist. Basti ist ein großer Spieler und ein toller Mensch. Er hat so gut wie alles gewonnen und sehr viel dazu beigetragen. Die Zeit, in der er bei Bayern war, hat er mit geprägt. Für uns als Mannschaft ist es jetzt wichtig, dass wir die Verantwortung, die er bislang übernommen hat, auf andere Schultern verteilen.“

fcbayern.de: Auch auf deine Schultern?
Boateng: „Klar muss ich auch einen Teil mittragen. Ich bin auch an einem Punkt, an dem ich mehr Verantwortung übernehmen will und kann.“

fcbayern.de: Du stehst jetzt vor deiner fünften Saison beim FC Bayern. Wie hast du dich in der Zeit seit deiner Ankunft verändert?
Boateng: „Es hat sich eine Menge verändert. Kurz gesagt bin ich einfach reifer geworden, fußballerisch und als Mensch. Ich habe hier meine Ruhe gefunden.“

fcbayern.de: Du hast dein Niveau beim FC Bayern immer weiter gesteigert und spielst seit mindestens zwei Jahren auf absolutem Topniveau. Siehst du noch Verbesserungspotenzial?
Boateng: „Da gibt es immer etwas. Es geht mir auch darum, dieses Topniveau nicht nur zu halten, sondern noch eine Schippe draufzulegen, sich für die Mannschaft noch weiter zu steigern. Wir wollen zusammen Ziele erreichen, dafür muss jeder Vollgas geben.“

fcbayern.de: Hast du ein Vorbild, an dem du dich orientierst?
Boateng: „Ein Vorbild habe ich nicht mehr. Aber ich sehe mir schon andere Verteidiger ganz bewusst an. Sergio Ramos zum Beispiel oder Thiago Silva, Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci... Es gibt viele gute Verteidiger, von denen man sich Sachen abgucken kann. Gerade ältere Spieler, die nicht mehr so schnell sind, finde ich interessant.“

fcbayern.de: Probleme mit der Schnelligkeit hast du aber nicht...
Boateng: „Noch nicht. (schmunzelt) Aber mich interessiert ihr Stellungsspiel, wie sie ihr Tempodefizit wettmachen.“

fcbayern.de: Woher kommt dieser Drang zur Perfektion, dieser Hunger in dir?
Boateng: „Mein Hunger ist einfach riesig. Ich mache das, was ich liebe: Fußball spielen. Aber ich werde das leider nicht mein Leben lang tun können. Deswegen will ich so viel wie möglich mitnehmen. Ich will nie sagen müssen: Oh, in diesem oder jenem Jahr hätte ich mehr machen oder erreichen können.“

fcbayern.de: Vor einem Jahr bist du Weltmeister geworden. Ist das jetzt der richtige Abstand, um das Thema abhaken zu können?
Boateng: „Ich hatte die WM sehr schnell abgehakt. Ich habe mir die Spiele in Brasilien auch nicht mehr angesehen. Gar nichts. Irgendwann in ein paar Jahren werde ich das ganz in Ruhe machen. Ich denke auch nicht daran, dass ich Weltmeister bin. Es ist eher so, dass ich immer wieder von anderen daran erinnert werde.“

fcbayern.de: Während des Urlaubs hast du immer wieder Fotos oder Videos in den sozialen Medien veröffentlicht, die dich beim Training zeigen. Wie fit bist du schon?
Boateng: „Ich habe viel gemacht. Das habe ich auch immer schon so gehalten, dass ich irgendwann im Urlaub mit dem Training angefangen habe. Aber ich wäre gerne schon weiter.“

fcbayern.de: Wie oft hast du im Urlaub den Ball am Fuß gehabt?
Boateng: „Einmal in New York und noch einmal mit Freunden - häufiger nicht. Diesen Sommer habe ich den Ball bewusst gemieden. Ich wollte mal weg vom Fußball, habe stattdessen Basketball und Tennis gespielt.“

fcbayern.de: Apropos Basketball: Du hast dir mit NBA-Star Dennis Schröder eine Video-Challenge geliefert. Wie kam’s dazu?
Boateng: „Ganz zufällig. Ein Kumpel von mir hat mit dem Handy gefilmt, als ich im Urlaub einen Dunking gemacht habe. Das haben wir dann an Dennis gepostet. So hat es angefangen.“

fcbayern.de: Und wer ist aktuell am Zug?
Boateng: „Eigentlich ich. Aber sein letztes Video fand ich langweilig. Da muss er schon noch einen drauflegen.“ (lacht)

fcbayern.de: Du hast den Urlaub auch für Marketing-Zwecke genutzt und einen Vertrag bei der Agentur von US-Rapper Jay Z unterschrieben. Wechselst du jetzt ins Musikbusiness?
Boateng: „Nein, nein. Es bleibt schon beim Sport. Jay Z ist sehr sportinteressiert und hat mit seiner Agentur seit zwei, drei Jahren nicht nur Musiker unter Vertrag, sondern auch Sportler. Er hatte mich eingeladen und ich fand das sehr interessant. Ich möchte da etwas Neues erleben. In Sachen Marketing und Präsentation sind die Amerikaner weiter als wir Europäer.“

fcbayern.de:
Was ist geplant?
Boateng: „Erst einmal ist es ja so, dass ich nicht jede Woche in die USA fliegen kann, sondern nur in den Spielpausen. Wenn ich da bin, werden wir Marketing- und Charity-Aktionen durchführen, neue Sponsoren suchen.“

fcbayern.de: Nächstes Ziel mit dem FC Bayern ist nicht der Wilde Westen, sondern China im Fernen Osten. Wie gehst du die Reise an?
Boateng: „Ich bin neugierig, was uns dort erwartet. Ich denke, wir werden dort gut arbeiten, gute Testspiele bestreiten und hoffentlich nicht zu erschöpft wiederkommen.“

fcbayern.de: Bleibt nur noch eine Frage: Was ist mit deinen Haaren passiert?
Boateng: (schmunzelt) „Die Frisur ist auch China geschuldet. Dort soll es sehr heiß werden. Wir werden viel schwitzen und oft duschen - und ich habe keine Lust, ständig meine Haare machen zu müssen.“

Das Interview führte: Nikolaus Heindl.


Quelle: fcbayern.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)