Pep Guardiola: So funktioniert sein Wunschfußball


dpa - Bayern-Trainer Pep Guardiola

Der FC Bayern spielt derzeit Fußball wie noch nie in seiner Clubgeschichte. Das liegt nicht zuletzt an Trainer Pep Guardiola. Seinen Stil hat das Team mittlerweile verinnerlicht – wir erklären, warum die Bayern so dominieren.

Vergangene Woche nach Bayerns beeindruckendem Sieg im Pokal in Wolfsburg sagte Kapitän Philipp Lahm: "Die Mannschaft folgt dem Trainer. Man sieht, dass die Spieler genau das umsetzen, was der Trainer von uns will. Das ist die Handschrift des Trainers."

Als Pep Guardiola 2013 nach München kam, umgab den Katalanen die Aura des fehlerlosen Schachspielers, der seine Kicker auf dem Feld umherschieben kann und stets dem gegnerischen Trainer zwei Schritte voraus ist.


AFP - Trainer Pep Guardiola und Stürmer Arjen Robben

Formationen, Positionsbezeichnungen und alt hergebrachte taktische Muster spielen bei Guardiola eine kleine bis gar keine Rolle.

Katalanische und niederländische Tradition

Der 44-Jährige entstammt der modernen Schule des FC Barcelona, die von Johann Cruyff ab Ende der 1980er begründet wurde. Der Niederländer, der stets eine große Affinität zu Katalonien hegte, steht quasi stellvertretend für eine Spielidee. Das sogenannte Positionsspiel heißt im Spanischen "Juego de Posicíon" und im Niederländischen "Positiespel".

Ein wichtiger Repräsentant war seit langem der ehemalige Barça- und Bayern-Trainer Louis van Gaal. Als er den FC Bayern trainierte, ermüdete er zuweilen die Fans mit endlosen Ballstafetten. Van Gaal scheiterte teilweise an seiner dogmatischen Haltung. Guardiola hingegen führt das komplette Konzept auf ein neues Level.


AFP - Pep Guardiola tüftelt am Spielfeldrand

Für ihn bedeutet Positionsspiel in erster Linie, dass sein Team in jeder Situation bestimmte Zonen auf dem Spielfeld besetzt. Welche Räume genau besetzt werden sollen, hängt von der Position des Balles ab. Da sich der Ball ständig bewegt, ist auch die Mannschaft als Ganzes unablässig in Bewegung.

Im Optimalfall hat der Ballführende zwei Anspielstationen (Dreieck) oder sogar drei (Raute). Nie sollen sich mehr als drei Akteure auf einer horizontalen und mehr als zwei Akteure auf einer vertikalen Linie bewegen. Damit weicht Guardiola gänzlich vom eher starren Linienspiel ab, das viele Bundesligisten oder allgemein viele Profimannschaften präferieren.


Constantin Eckner - Wie Guardiola den Platz einteilt

Die Bayern werden damit automatisch weniger ausrechenbar. Zudem passt Guardiola für jeden Gegner die Ausgangsformation beziehungsweise die Abläufe in gruppentaktischer Hinsicht an. Über lange Passstafetten wird der Gegner dominiert. Aber: Guardiola verabscheut den Begriff Tiki Taka, weil er in seinen Augen eher für toten Ballbesitz steht.

"Das ist doch genau das, was ich hasse, sich den Ball einfach nur zuzuspielen, dieses Tiki-Taka. Das ist dummes Zeug und führt zu nichts", wird Guardiola im Buch "Herr Guardiola" von Martí Perarnau zitiert. "Man muss den Ball in einer bestimmten Absicht in den eigenen Reihen halten, in der Absicht nämlich, vors gegnerische Tor zu kommen und Schaden anzurichten."


Bongarts/Getty Images - Pep Guardiola gibt Thiago Anweisungen

Ballbesitz soll kein Dogma, sondern das entscheidende Werkzeug sein. Ballbesitz ohne Raumgewinn ist im Endeffekt ohne Wirkung und meist lediglich eine Verteidigungsstrategie und wird zuweilen als "Tikinaccio", also als Mischung aus Tiki Taka und Catenaccio bezeichnet.

Wie sieht das Positionsspiel beispielhaft aus?

Da die Bayern in mehr als zwei Jahren unter Guardiola derart viele Spielzüge auf den Rasen brachten, kann man nur exemplarisch einzelne Angriffsmuster herausgreifen.


dpa - Pep Guardiola und Bayern-Stürmer Robert Lewandowski

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Die Münchener beginnen in ihrer oftmals benutzten 4-1-2-3-Grundordung. Boateng eröffnet als linker Innenverteidiger den Spielzug und kann aufgrund des vorsichtigen gegnerischen Pressings aufrücken. Linksverteidiger David Alaba bewegt sich auf der Außenbahn nach vorn, sollte aber nicht zu lange auf einer Linie mit Kingsley Coman stehen.

Der Österreicher rückt folglich in den offensiven Halbraum und zieht im besten Fall einen Gegenspieler mit nach hinten. Dadurch öffnen sich für Boateng mehrere Passoptionen: der tief positionierte Linksaußen Coman, der ballnahe Achter Thiago und womöglich auch der aufgerückte Außenverteidiger Alaba.


Constantin Eckner - Ein typischer Spielaufbau der Bayern

Weiterhin sind nicht mehr als drei Spieler auf einer horizontalen Linie positioniert. Nach dem der Pass zum nächsten Bayern-Spieler erfolgt, wird ein neues Dreieck oder eine neue Raute aufgebaut. Beispielsweise hätte Coman nun wieder Alaba und Boateng als Anspielstationen.

Aber zudem könnten Thiago und Lewandowski kurz rochieren. Vielleicht geht der Sechser des Gegners mit Thiago mit und lässt direkt eine Lücke im Halbraum, sodass Coman nach innen spielen kann.


dpa - Arturo Vidal bekommt Anweisungen von Guardiola

Das "Juego de Posicíon" zeichnet sich weniger durch vorgegebene Spielzüge aus. Jeder Angriff ist für sich genommen einzigartig, wird aber durch bestimmte Regeln und Grundordnungen, die Guardiola jeweils anpasst, beeinflusst.

Natürlich ergeben sich gerade im frühen Spielaufbau wiederholende Muster, aber selbst diese sind aufgrund des hohen Tempos und der präzisen Pässe nur schwer zu verteidigen.


Quelle: focus.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)