Warum wechseln Gaudino, Kurt und Kirchhoff?



Die Ferien sind seit ein paar Tagen beendet. Mit dem Beginn des Trainingslagers in Doha beginnt für den FC Bayern die Vorbereitung auf das letzte halbe Jahr unter Pep Guardiola. Es reisten jedoch nicht alle Spieler ins Trainingslager. Wie in jedem Jahr gibt es auch in diesem Winter wieder einige Veränderungen im Kader. Betroffen sind Jan Kirchhoff, Gianluca Gaudino und Sinan Kurt.


Veränderungen gibt es zunächst ein mal auf den hinteren Kaderplätzen beziehungsweise bei Spielern, die aktuell trotz massiver Verletzungsprobleme am Ende der Hinrunde nicht auf die erhoffte Einsatzzeit kamen.

Jan Kirchhoff

Jan Kirchhoff wurde im Winter vor fast drei Jahren verpflichtet. Er galt als einer der Jugendspieler, die besonders bei Matthias Sammer hoch im Kurs standen. Kirchhoff kam damals ablösefrei, so dass das wirtschaftliche Risiko für den FC Bayern überschaubar war. Leider galt dies in der Folgezeit auch für den spielerischen Einfluss. Kirchhoff ist ähnlich wie Dante ein gutes Beispiel für die gestiegenen Erwartungen beim FC Bayern. Seine Verpflichtung wurde bereits weit vor dem Triple festgezogen. Kirchhoff war zu diesem Zeitpunkt ein leicht überdurchschnittlicher Bundesliga-Verteidiger mit Potenzial für mehr. Das reicht für den FC Bayern des Jahres 2016 ganz offensichtlich nicht mehr aus.

Da Kirchhoff vieles kann, allerdings kein Alleinstellungsmerkmal besitzt, wie es zum Beispiel Badstuber mit seinen langen Diagonalbällen oder Benatia mit seinem Kopfballspiel tut, ist er im breiten Bayernkader ersetzbar. Bereits nach einem halben Jahr wurde er trotz einiger Kurzeinsätze aussortiert und an Schalke 04 verliehen. Dort verbrachte er anderthalb Jahre und konnte sich aufgrund vieler Verletzungen nicht entwickeln. Daher ist es wenig verwunderlich, dass Schalke die Kaufoption, die sich im mittleren einstelligen Millionenbereich bewegte, nicht zog und Kirchhoff wieder nach München ziehen ließ. Dort kam er im Sommer verletzt an und war somit de facto nicht vermittelbar. Mittlerweile ist Kirchhoff wieder fit und stand sogar schon wieder auf dem Platz. Allerdings spielt er nach wie vor bei Pep Guardiola keine Rolle. Ein Wechsel ist aus seiner Sicht daher der einzig richtige Schritt. Der aufnehmende Verein ist der AFC Sunderland.

Gianluca Gaudino

Die Enttäuschung war im Herbst groß, als Gaudino aus dem Profikader gestrichen wurde. Gaudino spielte zwar schon längere Zeit immer wieder bei der U19 beziehungsweise bei den Bayern Amateuren, allerdings durfte er dabei immer mit den Profis trainieren. Hiermit war im Herbst etwas überraschend Schluss. Überraschend, weil Gaudino in der Vorsaison eine durchaus beachtliche Anzahl an Einsätzen in der Bundesliga sammeln konnte. Natürlich waren die körperlichen Defizite offensichtlich. Die Zweikampfbilanz des Fliegengewichts (30%) waren für einen Sechser noch nicht bundesligatauglich. Auf 90 Minuten berechnet sind 0.72 abgefangene Bälle zudem zu wenig. Thiago, Vidal, Alonso und Schweinsteiger bewegen sich hier bei 1.5 bis 1.78 abgefangenen Bälle je 90 Minuten. Allerdings überzeugte er durchweg durch gutes Stellungsspiel, gute Pressingbewegungen und gelungenes Passspiel. Warum Pep Guardiola letztlich offenbar das Interesse an einer Weiterentwicklung Gaudinos verlor, ist nicht unbedingt offensichtlich. Klar ist, dass es trotz des Abgangs von Bastian Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld so eng geworden ist, dass selbst Sebastian Rode und Pierre-Emile Højbjerg nur eine untergeordnete Rolle spielen. Beide sind insgesamt weiter als Gaudino, der viel Raum für Verbesserungen hat. Selbst die lange Verletztenliste spielte ihm nicht in die Karten. An dieser Stelle bleibt allerdings unverständlich, weshalb Pep Guardiola viele Kaderplätze unbesetzt ließ, statt sie zum Beispiel mit Gaudino zu besetzen.

Eine Leihe ist daher wohl für beide Seiten eine sinnvolle Option — zumal es in der vierten Liga bei den Amateuren nicht wirklich voran geht. Ein Aufstieg in den Profifußball wäre für die Entwicklung von Spielern der Güteklasse Gaudino unerlässlich. Zugleich ergeben sich bei der Rückkehr unter einem neuen Trainer neue Optionen. Einziger Wermutstropfen scheint der aufnehmende Verein zu sein: St. Gallen. Aktuell sechster in der Schweizer Liga und trainiert von Josef Zinnbauer. Die Liga startet in der Schweiz erst wieder am 6. Februar – gefühlt ist der Aufenthalt also mehr ein Kurzurlaub. Dennoch macht ein Wechsel in diese Liga mehr Sinn als zum Beispiel der Gang in die zweite Bundesliga. Diese hat sich zuletzt spielerisch stark zurückentwickelt. Die meisten Teams legen den Fokus auf Umschaltbewegungen und Konterspiel. Gaudino wäre mit seinem Fähigkeiten in den meisten Mannschaften eher verschenkt. Unter Neutrainer Ancelotti könnte es dann im Sommer einen Neuanfang geben.

Sinan Kurt


Analog zur Geschichte von Jan Kirchhoff liest sich die Laufbahn von Sinan Kurt. Vielen ist Kurt bereits durch seine Beteiligung an einer Sky-Dokumentation bekannt geworden, die seinen Weg als Profi beglitt. Obwohl Kurt noch kein Ligaspiel für Gladbach bestritten hatte, überwies der FC Bayern einen siebenstelligen Betrag und sicherte sich den begabten deutschen U-Nationalspieler. Dies ist nun anderthalb Jahre her. Seitdem ist die Entwicklung von Kurt leider stagniert. Sich richtig durchsetzen konnte er sich beim FC Bayern nie. Zu auffällig waren die spielerischen und körperlichen Defizite. Lediglich ein Einsatz über 44 Minuten gegen Hertha BSC erhielt Kurt. Zu wenig. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Konkurrenz auf der Außenbahn durch die Verletzungen von Robben und Ribery in der letzten Rückrunde weggebrochen war. Kurt wurde daher überwiegend in der A-Jugend eingesetzt. In der laufenden Saison ereilte ihn das gleiche Schicksal wie Gianluca Gaudino. Guardiola, der lieber mit einem etwas kleineren Kader arbeitet, sortierte das Talent aus. Bei den Bayern Amateuren fiel er ebenfalls nicht positiv auf. Einige Einsätze waren von Lustlosigkeit beziehungsweise Desinteresse geprägt. Hinzu kamen einige persönliche Eskapaden.

Obwohl Kurt bereits im Kader beim FC Bayern stand, investierte dieser in der laufenden Saison in Spieler für die Außenbahn. In der aktuellen Lage mit Kingsley Coman und Douglas Costa sowie den alternden Ribery und Robben ist der FC Bayern daher sehr breit aufgestellt. Zudem stehlen auch Müller und Götze gelegentlich auf der Außenbahn Einsatzminuten. Der Wechsel zur Hertha ist folgerichtig. Die Hauptstädter haben auf der rechten Außenbahn noch Bedarf. Anders als beim Weggang von Mitchell Weiser sicherte sich der FC Bayern wohl eine Rückkaufoption, sollte Kurt eine ähnliche Reifung unter Pal Dardai erfahren, wie es Weiser gelang. Es ist noch immer nicht ganz klar geworden, welche Fähigkeiten Kurt zu einer Bundesliga-Karriere verhelfen sollen. In seinen Auftritten im Bayern-Trikot wirkte er weder besonders dribbelstark noch außergewöhnlich torgefährlich. Trotzdem sieht auch Amateure-Coach Heiko-Vogel viel Potenzial in ihm:

Er hat supertolle Anlagen: Gold im linken Fuß, er ist antrittsschnell, er versteht dieses Spiel. Seine Möglichkeiten sind enorm.
Heiko Vogel über Sinan Kurt, Münchner Merkur am 04.01.2016


Es ist durchaus interessant, dass der FC Bayern wie schon bei Emre Can und Alessandro Schöpf ein Modell mit einer Rückkaufoption gewählt hat. Das zeigt, dass reine Leihgeschäfte schwieriger geworden sind. Bei Can (Leverkusen, Liverpool) und Schöpf (Nürnberg, nun Schalke) verfiel eine solche Rückkaufoption auf Grund vorzeitiger Wechsel. Ganz ohne Risiko ist ein solches Modell also nicht.


Quelle: miasanrot.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)