Klaus Augenthaler: "Kahn konnte keinen Ball stoppen"

15 Jahre lang spielte Klaus Augenthaler erfolgreich beim FC Bayern. Goal sprach mit dem früheren Libero über die besten Spieler der Vereinsgeschichte.

Wie von allen anderen europäischen Top-Vereinen hat Goal auch die 20 besten Spieler in der Geschichte des FC Bayern München zusammengestellt. Von den noch aktiven Spielern sind Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Arjen Robben und Franck Ribery mit dabei. Klaus Augenthaler landete indes auf Rang vier. Wir sprachen mit dem Weltmeister von 1990.

Herr Augenthaler, Goal hat die besten 20 Bayern-Spieler zusammengestellt. Ihnen liegt die Liste vor. Können Sie damit leben?

Klaus Augenthaler: Das ist absolut okay. Natürlich kann man über jede Platzierung diskutieren. Für mich persönlich gehört ein Paul Breitner oder ein Karl-Heinz-Rummenigge weiter nach vorne. Es ist aber schwierig, die auffälligsten Spieler haben Sie alle drin. Mir fehlt niemand.

Sie sind auf Platz vier gelandet. Einverstanden?

Augenthaler: Ich kann damit leben (lacht). Wobei man damit ja nicht mehr auf dem Treppchen ist, wie man so schön sagt. Sie können die Liste so stehenlassen, wenn Sie Augenthaler noch vor Oliver Kahn platzieren (lacht).

Warum ausgerechnet vor Kahn?


Augenthaler: Er war ein guter, aber kein kompletter Torwart. Als er damals aus Karlsruhe kam, konnte er keinen Ball stoppen. Er hat gearbeitet wie ein Wahnsinniger, ich habe mit ihm regelmäßig Sonderschichten gefahren.

Mit einem Manuel Neuer kann man ihn nicht vergleichen.

Augenthaler: Überhaupt nicht. Kahn kam über die Mentalität. Man hat in Erinnerung, wie er dem gegnerischen Stürmer in den Hals beißt oder den Fuß auf Kopfhöhe hat. So etwas wird man von Neuer wahrscheinlich nicht sehen. Er ist ein anderer Typ. Wenn der FC Bayern ein Spiel verloren hat, durfte man Kahn nicht ansprechen.

Gibt es einen Spieler, bei dem Sie sich vorstellen können, dass er in 10 bis 20 Jahren auch auf der Liste auftaucht?

Augenthaler: Joshua Kimmich. Er hat viel Qualität, ist deutscher Juniorennationalspieler und weiß, was er am FC Bayern hat. Zudem könnte Thomas Müller noch weiter nach oben klettern. Wenn er beim FC Bayern bleibt und nicht irgendwann den Verlockungen erliegt und nach England geht, wird er eine Institution.

Müller hat seinen Vertrag gerade bis 2021 verlängert. Glauben Sie trotzdem, er könnte den Klub eines Tages verlassen?

Augenthaler: So wie er sich nach außen gibt, glaube ich, dass er bei Bayern bleibt. Aber was heißt das schon? Wegen des Geldes muss er nirgendwo anders hingehen, auch wenn in England nochmal mehr bezahlt wird.

Von den aktiven Spielern sind neben Müller auch Philipp Lahm, Arjen Robben und Franck Ribery dabei. Könnten diese Spieler Ihren Status noch weiter verbessern?

Augenthaler: Ich glaube schon. Bei Ribery habe ich meine Zweifel, weil er nicht mehr der Jüngste ist und zuletzt oft körperliche Probleme hatte. Wenn aber beispielsweise Müller ein entscheidendes Tor schießt, in einem Champions-League-Finale, oder den Bayern hilft, dorthin zu kommen, dann ist er sicherlich auf einem Level mit Bulle Roth, der Bayern zweimal zum Europapokal geschossen hat.

Das war in den Siebzigern, als Bayern zwischen 1974 und 1976 drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister gewonnen hat.

Augenthaler: Genau. Die Generation um Sepp Maier, Gerd Müller und Franz Beckenbauer hat die Basis gelegt. Zu meiner Zeit ist diese glorreiche Mannschaft auseinander gefallen. Dann kam unsere Generation, bei der auch gute Spieler dabei waren. Uli Hoeneß wurde Manager, hat bei der Kaderzusammenstellung ganz genau hingeschaut. Und heute stehen die Bayern wirtschaftlich auf einem ganz anderen Level, gehören ohne einen Scheich zu den Top-Mannschaften und können sich nahezu jeden Spieler leisten.

Im Gegensatz zum Europapokal der Landesmeister gewann die Champions League noch keine Mannschaft zwei Mal hintereinander. Wird so etwas nochmal möglich sein?

Augenthaler: Es wird immer schwieriger. Wenn es aber jemand schaffen kann, dann der FC Bayern.

Die aktuelle Mannschaft ist qualitativ und quantitativ hochklassig besetzt. Sehen Sie dennoch Gefahren, dass das Team wie die Mannschaft der Siebziger auseinander fallen könnte?

Augenthaler: Das englische Geld ist eine Gefahr. Pep Guardiola geht nach England, vielleicht holt er den ein oder anderen Spieler, der dann auch sagt: "Okay, den Trainer kenne ich, da kann ich noch mehr verdienen."


Quelle: goal.com


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)