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Philipp Lahm: Eliteliga? "Widerspricht meinem Verständnis von Fußball"


Philipp Lahm errang mit Bayern bereits sieben deutsche Meistertitel

Die neue Champions-League-Saison steht vor der Tür! Lahm blickt bei Goal auf den ersten Gegner in der Königsklasse und den Wettbewerb im Allgemeinen.


Liebe Leser, Fans, Fußballfreunde und -kritiker,

In der Bundesliga haben wir nach zwei Spieltagen sechs Punkte, in der Champions League steht heute Abend das erste Spiel dieser Saison an. Ottmar Hitzfeld hat immer gesagt, die Champions League ist ein komplett anderer Wettbewerb, nicht mit der Liga zu vergleichen. Alles, was du gegen deine nationalen Konkurrenten geleistet hast, zählt nicht. Es geht wieder bei Null los. Und es gilt, sich auch in Heimspielen schadlos zu halten.
Unser erster Gegner dieses Jahr heißt FK Rostov. Russische Mannschaften sind in der Regel technisch stark, etwas verspielt, nicht ganz so zielorientiert wie die Mannschaften der großen Ligen. Sie können Spiele immer wieder ausgeglichen gestalten, aber meistens ziehen sie über 90 Minuten gegen die etablierten Top-Mannschaften den Kürzeren.
Das erwarte ich auch dieses Mal nicht anders, denn im Normalfall erspielen sich allen großen Teams - egal ob auswärts oder daheim - die Chancen, um zwei bis drei Tore zu machen und die Spiele zu dominieren.

Erwartungshaltung an Bayern wächst immer mehr

Vom FC Bayern erwarten Fans wie Konkurrenten, dass er mindestens das Halbfinale erreicht. Das ist der gewachsene Anspruch und die Bürde, die wir nach den Erfolgen der letzten fünf Jahre und der Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte tragen.
Trotz dieses klaren Qualitätsunterschiedes sind für mich diese Partien im Sinne eines repräsentativen europäischen Wettbewerbs wichtig. Die Attraktivität der Champions League wird nicht alleine dadurch bestimmt, dass die größten Klubs darin aufeinander treffen, sondern auch entscheidend dadurch, dass sich die kleinen Vereine mit einem FC Bayern, Barcelona, Real Madrid, Juventus Turin, Manchester City, Chelsea oder ManUnited messen können.
Es widerspricht meinem Verständnis von Fußball, eine elitäre Liga zu erschaffen, in der nur die Besten der Besten aufeinander treffen.
Die Begegnungen der Top-Mannschaften wird es immer geben. Und es sind natürlich die fußballerisch attraktivsten Spiele. Aber bleibt es auch beim zehnten Mal Bayern gegen Madrid in einem Jahr noch gleich spannend?
Die Champions League, wie es sie jetzt gibt, bietet die Möglichkeit, dass sich die Sieger aus allen europäischen Ländern am Niveau der großen Mannschaften messen und orientieren können. Das funktioniert nicht via TV. Das funktioniert nur durch das unmittelbare Aufeinandertreffen. Und nur dann, davon bin ich auch überzeugt, holen wir auch den kleinen fußballbegeisterten russischen Nachwuchs-Fan ab.

Nähe schafft Identifikation

Denn wie ich schon im Zusammenhang mit unserer US-Tour gesagt habe, glaube ich, dass die Nähe das entscheidende ist, um Identifikation zu schaffen. Noch sind wir in meinen Augen nicht so weit, dass die Ländergrenzen innerhalb Europas keine Rolle mehr spielen und eine Begegnung zwischen Bayern und Barcelona in Ungarn genauso viele Fans begeistert wie ein Spiel zwischen Bayern und Budapest.
Deshalb sehe ich es als die übergeordnete Aufgabe an, alle mitzunehmen und nicht ein großes Fest mit denen zu feiern, die die Profiteure einer globalen Entwicklung sind.

Die kleineren Ligen mitnehmen

Ich finde es wichtig, jetzt dabei zu bleiben und die kleineren Ligen mitzunehmen, die nicht im selben Maß an dem Aufschwung teilhaben konnten. Wenn wir von einer europäischen Fußballliga sprechen, gehört für mich auch die Reise nach Rostov am Don dazu, wenn sich die dortige Mannschaft sportlich für den Wettbewerb qualifiziert hat. Es geht darum, Fußball-Fans zu begeistern und unseren Sport europaweit zu entwickeln.
Deshalb freue ich mich auf den Start heute gegen den FK Rostov. Start der Champions League 2016/17. Alles beginnt bei Null.

Euer Philipp Lahm


Quelle: goal.com


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)