Vorschau: FC Bayern München – FC Ingolstadt. Teil 2



Aller guten Dinge sind drei, denkt sich der FC Ingolstadt und wird so versuchen im dritten Anlauf in der Bundesliga endlich etwas zählbares gegen die Bayern mitzunehmen.

Bereits im vergangenen Jahr waren sie zwei Mal ein äußerst unangenehmer Gegner. Ralph Hasenhüttl stellte seine Mannschaft speziell in München in einem sehr hochstehenden 4-3-3 auf. Das hatte selbst Bayerns Ex-Trainer Pep Guardiola überrascht und so waren die Schanzer sogar nah dran an einem Punktgewinn. Der engagierte Auftritt der Gäste zeigte, dass mit etwas Mut und Selbstvertrauen auch die scheinbar übermächtigen Münchner verwundbar sind.
Nun hat sich aber einiges in Ingolstadt getan. Erfolgstrainer Hasenhüttl ist jetzt in Leipzig und Markus Kauczinski der neue Mann an der Seitenlinie. Der ehemalige Karlsruhe-Trainer hat, wie Ralph Gunesch bereits erwähnte, keine Revolution vor. Er will an einigen Schrauben drehen, aber das Grundkonzept des aggressiven und kompakten Mittelfeldpressings nicht verlassen. Die größte Schraube dürfte die Offensive sein. In der Debüt-Saison im Oberhaus gelangen den Schanzern lediglich 33 Treffer und damit nur zwei mehr als Absteiger Hannover. Aus dem Spiel heraus schoß Ingolstadt sogar nur 13 Tore, da 9 Tore durch Elfmeter und 11 weitere nach Standardsituationen erzielt wurden.

Hasenhüttl und seine Mannschaft hielten vor allem deshalb die Klasse, weil der defensive Verbund gut organisiert war. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen stimmten und auch das Pressing funktionierte. Herausrückbewegungen aus der Formation waren häufig gut getimed und deshalb war es sehr schwer für die Gegner zwischen die Linien zu kommen. Das war in dieser Saison noch nicht der Fall. Drei Gegentore sowie ein Punkt in zwei Bundesliga-Spielen gegen Hertha und den HSV sind zu wenig.
Zu Kauczinskis Verteidigung ist aber auch zu sagen, dass die Defensive fast komplett ausgetauscht werden musste. Acht Leute (darunter sechs defensive Spieler) verließen den Verein. Neben Torwart Özcan gingen auch gestandene und für Ingolstadt hochklassige Leute wie Benjamin Hübner, Danny da Costa oder Robert Bauer. Dafür holte man zehn talentierte und junge Spieler, die ihre Zeit benötigen. Im Schnitt sind die Neuzugänge 22,1 Jahre alt, während Torwart Martin Hansen mit 26 der Älteste unter ihnen ist.

Trotz allem oder gerade deshalb kommen die Bayern aber vielleicht zum richtigen Zeitpunkt für den FC Ingolstadt. Zwar sprechen die letzten Ergebnisse eine andere Sprache, aber die strukturellen Probleme des Rekordmeisters könnten eine Chance sein. Selbst gegen Rostov offenbarten die Münchner einige Lücken in ihrer Formation gegen den Ball. Früh im Spiel bot sich den Gästen eine große Kontergelegenheit, aber Azmoun verschenkte sie leichtfertig mit einem schlechten Pass, der in Neuers Armen landete.
Aus der neuen Vertikalität im Bayern-Spiel resultieren noch viele Ballverluste. Hier muss und wird Ingolstadt seine große Chance suchen wollen. Der Außenseiter wird das Zentrum verdichten und auf den Außen Überzahlsituationen kreieren wollen. Die Bayern hingegen müssen Lösungen finden, um diese zu vermeiden. Am Dienstagabend blieb Costa aufgrund der fehlenden Unterstützung oft keine andere Wahl als eine Flanke zu schlagen oder das Eins-gegen-Zwei zu suchen.

Mit zwei Flügelspielern, zwei zentralen Mittelfeldspielern und Müller, der sich als Freigeist im Zentrum bewegen darf, könnte man für mehr Flexibilität und Ordnung sorgen. Das Spiel der Münchner ist in Phasen noch sehr linkslastig und deshalb auch vorhersehbar. Mit zwei Eins-gegen-Eins-Spielern auf den Außen könnte Ancelottis Elf häufiger verlagern und so versuchen einen der beiden zu isolieren. Dieses Mittel funktionierte gegen gut organisierte Gegner in der Vergangenheit sehr gut.
Ob Ingolstadt eine ähnlich mutige Variante wählen wird wie am 16. Spieltag der vergangenen Spielzeit, lässt sich nur erahnen. Die Gäste werden aber mit Sicherheit nicht so passiv agieren wie beispielsweise Werder Bremen. Obwohl es zuletzt ergebnistechnisch nicht so gut für die Schanzer lief, bleiben sie eine unangenehme Mannschaft. Bekommen sie ihre Kontermomente auch nur im Ansatz so wie Rostov am Anfang des Spiels, wird es gefährlich.

Es wäre nicht komplett überraschend, wenn der FCI sich etwas zutraut und ein höheres Mittelfeldpressing im 4-3-3 spielt. Punktuell könnten sie dann auch mal ganz weit nach vorn schieben. Die Bayern zeigten sich schon auf Schalke mehrmals beeindruckt von einem etwas konsequenteren Pressing. Es wäre spannend zu beobachten wie sie damit umgehen. Die andere Möglichkeit ist die von Ralph Gunesch angesprochene Fünferkette. Auf Umschaltmomente müssen die Schanzer so oder so setzen. Markus Kauczinski wird abschätzen müssen, ob er seiner Mannschaft zutraut auch bei situativem Angriffspressing kompakt zu stehen. Der Weg zum Tor von Manuel Neuer wäre bei hohen Balleroberungen nämlich deutlich kürzer.
Leckie zählt zu den schnellsten Spielern der Liga und könnte in unorganisierten Momenten für Probleme sorgen. Im Zentrum der Schanzer werden vermutlich Roger, Groß und Morales für die Kompaktheit sorgen wollen. Die Rollenverteilung unter diesen drei Spielern ist dabei klar. Roger ist für den Spielaufbau zuständig. Der Brasilianer soll den Innenverteidigern Unterstützung bieten, aber auch bei Ballgewinnen schnell umschalten. Alfredo Morales hingegen ist der Mann für die Balleroberungen. Bisher glänzte er mit 5 Interceptions in 139 Bundesliga-Minuten. In der Offensive liegt es dann an Pascal Groß, der aber nicht nur als Vorbereiter (6 Torschussvorlagen in 180 Minuten) überzeugte, sondern auch 61% seiner Zweikämpfe gewinnen konnte.


Pascal Groß ist der Spielmacher des FCI.
(Foto: Oliver Hardt / Bongarts / Getty Images)


Ohnehin ist Groß der Dreh- und Angelpunkt der Zentrale. Seine Pässe in die Spitze gilt es zu antizipieren, wenn die Schanzer mal den Ball haben. 193 Ballkontakte, 23,91 Kilometer Laufleistung und eine Passquote von 77% nach zwei Spielen unterstreichen, dass er auch in dieser Saison wieder der wichtigste Offensivspieler für Ingolstadt sein wird. Zudem ist der 25-Jährige ein gefährlicher Standard-Experte.
Die Bayern müssen aber am ehesten ihre eigenen Probleme abstellen. Schaffen sie es die Räume wieder sauberer zu besetzen, so dürfte ein Gegner des Kalibers Ingolstadt keine größere Herausforderung darstellen. Besetzt der Rekordmeister aber weiter die Halbräume so inkonsequent, bleibt den Flügelspielern nicht viel mehr übrig als Eins-gegen-Zwei-Situationen einzugehen oder den Ball ins Zentrum zu flanken. Beides war bisher nicht sehr erfolgsversprechend.

Es fehlt ein Netz, das sich über die Defensive des Gegners spannt und den Münchnern wieder mehr Möglichkeiten für Strafraumdurchbrüche bietet. Dieses Netz kann nur entstehen, wenn sich wieder mehr Spieler zwischen die Ketten des Gegners trauen. Die tiefe Positionierung der zentralen Spieler führt zwar zu einer potentiell guten Konterabsicherung, aber auch zu weniger Spielern im Angriff. Der einrückende Ribéry soll dabei Abhilfe schaffen, verschenkt dadurch aber auch eine mögliche Position auf der Außenbahn.
Zusammenfassend ist es für Ancelotti wichtig, dass langsam mehr Struktur in das Offensivspiel des Rekordmeisters kommt. Der Spielplan sollte ihm dabei eigentlich entgegen kommen. Mit Ingolstadt, Hertha und dem HSV kommen nun Gegner, die nicht zu den Stärksten der Liga zählen. Außerdem haben die Bayern zwei Heimspiele in Folge. Neun Punkte, eine zu erkennende Struktur im Angriff, die nicht in einem Flanken-Marathon endet und eine größere Stabilität bei Ballverlusten dürften die drei großen Ziele des Italieners für die kommenden Wochen sein.


Quelle: miasanrot.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)