Teil 2: FC Bayern München – Hertha BSC

Unter dem anfangs stark kritisierten Michael Preetz und Trainer Pal Dardai ging es für die Berliner steil nach oben. Wie gefährlich kann Hertha den Bayern am Mittwoch werden?


Die Stärken von Hertha BSC

Die größten Qualitäten der Mannschaft liegen in der Effektivität. Mit 9,7 Abschlüssen pro Spiel hatten sie in der letzten Saison die wenigsten aller 18 Bundesligisten. Trotzdem erzielte die alte Dame 42 Tore und hatte mit 19,1% Chancenverwertung die drittbeste der Liga. Lediglich Gladbach (20,8%) und Borussia Dortmund (21,9%) waren besser. Auch in dieser Saison leben die Berliner bisher von ihrer Kaltschnäuzigkeit. Nach drei Spielen liegt die Quote bei 25%. Mit 10 Torschüssen pro Spiel sind sie zudem wieder im unteren Bereich der Tabelle. Gegen Schalke reichten zwei Schüsse auf das Tor des Gegners zu zwei Toren.

Will man diese Qualität personifizieren, so findet man gleich mehrere gefährliche Angreifer. Vedad Ibisevic (14) und Salomon Kalou (10) erzielten zusammen 24 Tore in der Saison 2015/16. Auch Julian Schieber scheint jetzt aber wieder eine Option zu werden. Gegen Freiburg besorgte er den Last-Minute-Sieg.
Doch wie erzielt die Mannschaft von Pal Dardai ihre Tore? Tatsächlich sehr ausgewogen. In der letzten Spielzeit waren es acht Standardtore, drei Elfmeter, ein Eigentor des Gegners und 30 Treffer aus dem Spiel heraus. Mit sieben Kontertoren zählten sie außerdem zum gehobenen Durchschnitt in dieser Kategorie. Speziell die defensive Außenbahn ist bei Hertha BSC außerordentlich gut besetzt.
Im letzten Jahr haben diese Positionen vor allem Weiser und Plattenhardt bekleidet, aber auch Peter Pekarik ist ein gerade defensiv starker Außenverteidiger. Alle drei zeichnet die Balance zwischen Offensive und Defensive aus. Weiser glänzte vergangene Spielzeit mit fünf Torvorlagen, zwei eigenen Treffern und als guter Aufbauspieler. Es ist ziemlich schwer gewesen den Ex-Münchner zu isolieren, weil er ein sehr gutes Spielverständnis besitzt. Am Sonntag war er mit einem Treffer und einer Vorlage der beste Spieler auf dem Platz.

Auch Marvin Plattenhardt (letzte Saison ebenfalls 2 Tore und 5 Vorlagen) ist da sehr clever, geht in seinen Aktionen aber etwas weniger Risiko. Pekarik ist eine defensivere Lösung, kann aber gerade deshalb gegen die Bayern eine Variante sein. Weiser würde dann eins vor rücken und im Mittelfeld agieren. Auf der offensiven Außenbahn ist der nächste Bayern-Gegner ebenfalls gut besetzt. Haraguchi ist in sehr guter Verfassung. In 3 Spielen war er an 2 Toren direkt beteiligt.
Übers Zentrum geht für gewöhnlich nicht viel, aber wenn, dann zuletzt über Darida der in spielmachender Rolle ein wichtiges Bindeglied für die Außen war. Außerdem war der 26-Jährige auch immer wieder aus dem Rückraum gefährlich. Gegen Schalke zog er sich jedoch einen Außenbandriss zu, womit er nicht nur gegen die Bayern ausfallen wird. Valentin Stocker gilt als wahrscheinlichste Alternative.

Die Schwächen von Hertha BSC


Die größte Schwachstelle ist die Struktur im Spiel mit dem Ball. Zwar können sie das Spiel gegen sehr viele Bundesligisten kontrollieren, aber es fehlt die Vertikalität. Kein Team in der Bundesliga praktiziert die berühmte “U-Form” in Ballbesitz so stark wie die Berliner. Es fehlt oft der Zugriff auf den Achter- und Zehnerraum. Hier stockt die Ballzirkulation und tendenziell verliert Hertha da auch die meisten Bälle. Von den Innenverteidigern geht es in der Regel zu den Außen und dann nach vorne. Die Mannschaft von Dardai ist sehr abhängig von ihrem Flügelspiel.




Brooks, der vermutlich ausfallen wird, und Langkamp sind normalerweise die Spielmacher im Zentrum. Sie haben ihre stärksten Verbindungen zu den Außenverteidigern. Das führt zu einer gewissen Vorhersehbarkeit der Angriffe sowie einer Abhängigkeit von Dribblings und Flanken. Auch deshalb hat die alte Dame für gewöhnlich wenige Abschlüsse pro Spiel. Schaffen sie es aber in Führung zu gehen, wird es für den Gegner sehr unangenehm. Die Struktur der Berliner erzeugt zwar keine Durchschlagskraft, macht es der anderen Mannschaft aber extrem schwer an den Ball zu kommen.

Worauf kommt es für die Bayern an?

Zu aller erst ist das eigene Spiel wichtig. Die Münchner müssen Automatismen finden und werden in Hertha einen Gegner haben, der sehr gut und hartnäckig verteidigen kann. Lösungen im Zentrum zu kreieren oder auf den Flügeln für mehr Variabilität zu sorgen dürfte hier weiter oberste Priorität haben. Das Spiel gegen Ingolstadt, aber auch die anderen Spiele offenbarten große Probleme mit und gegen den Ball. Die Halbräume sind nicht ausreichend besetzt und so fehlt es den Flügelspielern an Unterstützung. Darüber hinaus ist es auch nicht förderlich, dass alle drei zentralen Mittelfeldakteure so tief positioniert sind. Dadurch sind nicht genügend Positionen zwischen den Linien des Gegners besetzt.



Die Grafik zeigt die Verbindungen der Münchner aus dem Ingolstadt-Spiel. Die Problematik ist klar erkennbar. Ribéry war sehr zentral unterwegs, weil die drei Akteure im Mittelfeld tief standen. Dadurch gab es in der Offensive kaum Verbindungen, was wiederum zu einer großen Abhängigkeit von Einzelaktionen und wenigen Torabschlüssen führte. Im letzten Drittel gibt es derzeit weder Struktur noch eine klare Idee. Daran muss Carlo Ancelotti in den nächsten Wochen und Monaten arbeiten. Man kann sich schließlich nicht immer auf die individuelle Klasse verlassen.
Der FC Bayern tut gut daran, die Hertha nicht zu unterschätzen. Die Berliner stehen nicht umsonst auf Platz zwei. Spätestens der Heimsieg gegen Schalke am Sonntag zeigte, dass diese Mannschaft eine hohe Qualität hat und von Ballbesitz bis zum schnellen Umschaltspiel viele Facetten des Fußballs beherrscht. Kommt das Team von Dardai vor das Tor von Manuel Neuer, ist es mit ziemlicher Sicherheit ein Tor. Auch aufgrund der eigenen Schwächen, aber vor allem weil Hertha guten Fußball spielt, hat diese Begegnung den Ausdruck Spitzenspiel verdient.

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele


- Hertha BSC 0:2 FC Bayern München (Bundesliga, 31. Spieltag 2015/16)
- FC Bayern München 2:0 Hertha BSC (Bundesliga, 14. Spieltag 2015/16)
- FC Bayern München 1:0 Hertha BSC (Bundesliga, 30. Spieltag 2014/15)
- Hertha BSC 0:1 FC Bayern München (Bundesliga, 13. Spieltag 2014/15)
- Hertha BSC 1:3 FC Bayern München (Bundesliga, 27. Spieltag 2013/14)

Bilanz

- 68 Pflichtspiele, 40 Bayern-Siege, 11 Hertha-Siege, 17 Unentschieden
- 239 Tore, 160 für den FCB, 79 für den BSC
- Aktuelle Serie: 10 Siege in Folge für Bayern


In Berlin startete die Profikarriere von Jérôme Boateng.
(Foto: Andreas Rentz / Bongarts / Getty Images)


Fun Facts

- Der FC Bayern erspielte sich zum Auftakt gegen Bremen 27 Torabschlüsse. Auf Schalke waren es nur noch 18 und gegen Ingolstadt 10.
- Robert Lewandowski hat in dieser Saison mit Ausnahme des Supercups in jedem Pflichtspiel getroffen.
- Hertha hat seit vier Spielen nicht mehr gegen die Münchner getroffen.
- Am 14.02.2009 hat die alte Dame das letzte Mal gegen den Rekordmeister gewonnen. Damals gab es einen 2:1-Erfolg im Olympiastadion. Die Berliner übernahmen die Tabellenführung, aber Meister wurde der zu diesem Zeitpunkt sieben Punkte zurückliegende VfL Wolfsburg.
- Auch diesmal hat Hertha die Chance die Tabellenführung zu übernehmen. Beide Teams haben bisher alle drei Spiele gewonnen.
- Die Münchner haben die letzten neun Heimspiele gegen ihren nächsten Gegner gewonnen und sind seit 21 Duellen mit dem Hauptstadt-Klub zu Hause ungeschlagen. Den letzten Sieg der Berliner in München gab es am 29.10.1977 (0:2).
- Mit Bayern (29,7% Chancenverwertung) und Hertha (25% Chancenverwertung) treffen zwei der derzeit effektivsten Teams aufeinander.
- Jérôme Boateng ist in Berlin aufgewachsen und schaffte bei Hertha seinen Durchbruch. Gegen Ingolstadt feierte er sein Comeback und ist so wieder eine Option für die Mannschaft.
- Pal Dardai hat als Trainer alle drei Duelle mit den Bayern verloren. Beim letzten Sieg seines Vereins gegen den Rekordmeister stand er jedoch noch selbst auf dem Platz.

Fünf Thesen zum Spiel

1. Hertha schießt mindestens ein Tor.
2. Die Bayern treffen maximal zwei Mal.
3. 9, 4, 4, 8, 4 und 10. So viele Torabschlüsse hatten die Berliner jeweils in den letzten sechs Bundesliga-Partien gegen die Bayern. Am Mittwoch werden sie mindestens zehn Torabschlüsse haben.
4. Lewandowski wird an zwei Toren direkt beteiligt sein.
5. Pal Dardai setzt erstmals auf eine Viererkette in einem Duell mit den Münchnern.


Quelle: miasanrot.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)