Teil 2

Stabile Defensive, gefährliche Individualisten


Kovac steht als Trainer wie kein Zweiter für Tugenden wie Kampf, Leidenschaft und Zweikämpfe. Das mag in der modernen Welt des Fußballs etwas befremdlich und altmodisch klingen, ist aber zumindest für Mannschaften die gegen den Abstieg spielen essenziell. Frankfurts Trainer hat durch diese Aggressivität die Defensive enorm stabilisiert. Wenngleich die Mannschaft keine besondere Organisation vorzuweisen hat, ist sie aber sehr aufmerksam. Niko Kovac fordert aktives Verteidigen und setzt dabei sogar auf ein vergleichsweise hohes Pressing. Bis zum fünften Spieltag hat seine Mannschaft im Schnitt sehr hohe Ballgewinne verbuchen können. Sogar die zweithöchsten in der Liga, aber das hat sich mit dem Spiel gegen Freiburg wieder normalisiert.


Abb. 1: Das Diagramm zeigt die durchschnittliche Position bei Ballgewinnen sowie beim Passspiel. (Grafik: Lukas)

Dennoch finden sich die Frankfurter in der oberen Hälfte dieser Statistik wieder und auch der subjektive Eindruck ist der, dass sie im Vergleich zur letzten Saison deutlich mutiger und aggressiver verteidigen. Nach den Bayern (6,7) und RB Leipzig (8,7) lässt die Kovac-Elf aktuell die wenigsten Torschüsse zu (9,3). Mit sechs Gegentoren stehen sie auf Platz 5 in der Bundesliga. Eine gute Basis im Abstiegskampf. 22,2 Mal pro Spiel gelingt es der Mannschaft einen Pass abzufangen, was dem viertbesten Wert der Liga entspricht.

Auch in der Offensive sind sie vor allem dank Alexander Meier gefährlich. Der 33-Jährige ist seit Ewigkeiten die Lebensversicherung des Vereins und hat auch in dieser Saison bereits drei Treffer auf seinem Konto. Er (13) und Fabían (16 und 2 Tore) haben bisher die meisten Abschlüsse des Teams gehabt. Beide sind aber auch Vorbereiter. Sowohl Meier (5 Torschussvorlagen) als auch Fabían (fünf Torschussvorlagen und 2 Assists) sind in den Top Fünf der SGE zu finden. Bester Vorlagengeber ist Huszti, der bisher 8 Abschlüsse vorbereitet hat. Mit 12,7 Torschüssen pro Spiel haben die Frankfurter jedoch noch Verbesserungsbedarf, obwohl sie damit immerhin auf Platz 7 in der Liga stehen.


Abb. 2: Frankfurt hat sich in vielen Bereichen von einem Abstiegskandidaten zum Durchschnitt entwickelt. (Grafik: Lukas)

Fehlende Struktur und wenig kollektive Durchschlagskraft


Die größte Schwachstelle einer Kovac-Mannschaft ist die taktische Disziplin. Aufgrund des hohen Aufwands und der intensiven sowie aggressiven Spielweise, reißen immer wieder Lücken auf. Die Eintracht tut sich ohne Ball sehr schwer damit geduldig und auch mal zurückhaltender zu agieren. Zwar lassen sie wenige Abschlüsse zu, dafür aber sehr viele hochprozentige. 64% aller Torschüsse der Gegner fanden innerhalb des Sechzehners statt. Das ist der Höchstwert in der Liga.

Zudem ist die SGE nicht sonderlich kreativ in der Offensive. Aufgrund des fehlenden taktischen Grundgerüsts ist der Flügelfokus sehr hoch. Es kommt deshalb häufig zu verfrühten Abschlüssen aus der Distanz (5 pro Spiel), vielen Flanken (15,5 pro Spiel) oder Ballverlusten bevor sie in das letzte Drittel gelangen. Die recht einfache und meist nicht mit letztem Risiko belegte 4-2-3-1-Struktur ermöglicht nicht allzu viele Verbindungen nach vorne, hat aber den Vorteil dass die Eintracht den Ball gegen viele Bundesligisten in den eigenen Reihen halten kann und oft stabil bei Ballverlusten ist. Das fehlende Risiko wird auch durch die Statistik der Vorwärtspässe (siehe Abbildung 2) belegt. Zwar spielen sie total gesehen mehr Pässe nach vorne als der Großteil der Liga, aber in Relation zu der Gesamtzahl ihrer Abspiele sind es weniger als 40% und damit der drittschwächste Wert.



Die Passmap aus dem Darmstadt-Spiel zeigt diese Problematik ganz gut. Zwei tiefe Sechser, die es nicht schaffen Verbindungen nach vorn zu kreieren. Daraus resultieren ein in der Luft hängender Alexander Meier sowie das forcierte Spiel über die Außenbahn.


Abb. 3: Frankfurt spielt zu wenig erfolgreiche Pässe in die gefährlichen Zonen. (Grafik: Lukas)

Auch Abbildung 3 unterstützt die These, dass Frankfurt die Tiefe in Struktur und Passspiel fehlt. Die Abhängigkeit von der individuellen Qualität und somit von Huszti, Meier und Fabían ist zu groß. Bei aller Kritik darf man aber natürlich nicht vergessen, dass Frankfurt eben gegen den Abstieg spielt. Mit ihrer neuen und mutigeren Ausrichtung sind sie durchaus in der Lage, wenn alles passt, jedem Gegner gefährlich zu werden. Auch den Bayern, wenn die es zulassen.

Darauf sollten die Bayern achten

Der Rekordmeister muss sein Spiel auf den Rasen bekommen und in der Lage sein, sich aus Pressingfallen des Gegners zu befreien. Wir diskutierten in der Länderspielpause mehrfach den Zehner- und Achter-Raum. Hier braucht es Unterstützung für die Flügelspieler. Die Bayern schlagen im Moment 19,2 Flanken pro Spiel (nur 6,2 erfolgreich). Ein Resultat aus der schwachen Besetzung der Halb- und Zwischenräume.



Tobias Hahn hat das auf Twitter sehr gut visualisiert. Es fehlt an ballnaher Unterstützung und Dreiecken. Will man Frankfurt am Samstag schlagen, braucht es neben individueller Qualität auch viel Bewegung und eine fluide Ballzirkulation. Die SGE will den FCB auf ihr Niveau ziehen und schnell in die Zweikämpfe kommen. Ohne Struktur und Dreiecke wird es einfacher für sie die Ancelotti-Elf auf den Flügeln zu isolieren.

Bayern hat sich in den letzten Jahren häufig schwer getan in Frankfurt. Auch in dieser Saison wird das nicht zwingend einfacher. Niko Kovacs Mannschaft wird tief stehen und auf Pressinggelegenheiten warten. Kreieren die Münchner viele Anspielstationen, wird es einfacher den Zweikämpfen aus dem Weg zu gehen und es reißen Lücken auf. Letztendlich wird der amtierende Meister auch über seine enorme individuelle Qualität und mit der starken Bank mehr Chancen kreieren als Frankfurt. Nutzen die Bayern diese Möglichkeiten, steht einem Sieg auch mit einer nicht vollends überzeugenden Leistung wenig im Weg.

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele gegen

FC Bayern München 1:0 Eintracht Frankfurt (Bundesliga, 28. Spieltag 2015/16)
Eintracht Frankfurt 0-0 FC Bayern München (Bundesliga, 11. Spieltag 2015/16)
FC Bayern München 3-0 Eintracht Frankfurt (Bundesliga, 28. Spieltag 2014/15)
Eintracht Frankfurt 0-4 FC Bayern München (Bundesliga, 11. Spieltag 2014/15)
FC Bayern München 5-0 Eintracht Frankfurt (Bundesliga, 19. Spieltag 2013/14)

Bilanz

133 Duelle, 65 Bayern-Siege, 29 Unentschieden, 39 Niederlagen
244 FCB-Tore, 186 SGE-Tore
Aktuelle Serie: Bayern ist seit zehn Spielen gegen Frankfurt ungeschlagen.

Fun Facts

- Seit acht Spielen hat die SGE nicht mehr gegen den Rekordmeister getroffen. Bundesliga-Rekord.
- Die SGE hat sowohl in der Oberliga Süd (14 Siege, 8 Unentschieden, 12 Niederlagen) als auch im UEFA-Pokal (3 Siege, 1 Niederlage) eine positive Bilanz gegen den FCB.
- In der Saison 1995/96 haben die Frankfurter zuletzt in beiden Bundesliga-Spielen gegen die Bayern gepunktet.
- Die Münchner erzielten vergangene Saison nur einen Treffer gegen Frankfurt. So wenig wie gegen kein anderes Team in der Bundesliga.
- Nach sechs Spieltagen hatte Müller und Lewandowski letzte Saison schon 14 Treffer auf ihrem Konto. In dieser Spielzeit sind es erst fünf, alle durch den Polen.
- Alexander Meier hat in allen drei bisherigen Bundesliga-Heimspielen zur Führung für die Eintracht getroffen. Gegen Bayern traf er zu Hause noch nie.
- Niko Kovac feiert gegen seinen Ex-Klub den 45. Geburtstag.
- Unser erster Spieler des Monats, Joshua Kimmich, ist seit Anfang September Toptorschütze des Rekordmeisters. In 6 Spielen traf er 5 Mal.

Fünf Thesen zum Spiel


1. Die Münchner erzielen mindestens zwei Tore.
2. Lewandowski beendet seine Torflaute.
3. Es wird mindestens 5 gelbe Karten geben.
4. Bayern wird zu Null spielen.
5. Das erste Tor der Münchner fällt nach einem Standard.

Nur eine meiner Thesen für das Köln-Spiel war richtig und somit hatte ich sogar eine richtige These weniger als mein Interview-Partner Eike, der das 1:1 sowie den Kimmich-Treffer vorhersagte. Das kann nur besser werden. Insgesamt stehe ich nun bei 22/45.


Quelle: https://miasanrot.de/


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)