Ist der FC Bayern auf den fälligen Umbruch vorbereitet?


Nachdenklich: Vor Uli Hoeneß und dem FC Bayern steht ein großer Umbruch.
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München - Dem Kader des FC Bayern steht in der nahen Zukunft eine Verjüngungskur bevor. Um diesen Umbruch erfolgreich zu meistern, müssen die Roten viel Geschick beweisen. Doch ist der Rekordmeister darauf überhaupt vorbereitet?

Seit einigen Jahren wurde darüber diskutiert, ab Sommer steht er nun also an - der Umbruch beim FC Bayern. Mit Philipp Lahm dankt der erste der roten Routiniers nach dieser Saison ab. Der Abschied des 33-Jährigen hat aber nicht nur eine Verjüngung des im Durchschnitt betagtesten Kaders der Bundesliga zur Folge, sondern auch die Frage: Ist der FC Bayern auf den Umbruch vorbereitet? Nach vier Meisterschaften am Stück mit 25, 19 und zuletzt zweimal zehn Punkten Vorsprung ließ einzig das in München bislang verpönte U-Wort bei der Konkurrenz auf ein Ende der beängstigenden bajuwarischen Dominanz hoffen. Denn nicht nur der Kapitän ist in die Jahre gekommen: Mit Xabi Alonso (35), Arjen Robben und Franck Ribéry (beide 33) befinden sich drei weitere Leistungsträger bereits im Spätherbst ihrer Karrieren. Auch wenn man speziell den beiden Flügelflitzern auf dem Platz ihr Alter nicht anmerkt - die Zeit zurückdrehen können auch Robbery nicht.


In dieser Saison läuft Philipp Lahm seinen Gegenspielern noch davon.
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Robben und Ribéry bleiben bis 2018


Zwar haben der Niederländer und der Franzose jeweils um ein Jahr bis 2018 verlängert - für beide könnte es aber gut und gerne die letzte Unterschrift unter einen Bayern-Vertrag gewesen sein. Ribéry dachte bereits laut über einen Wechsel ins Ausland nach. Robben zögerte lange mit seinem Autogramm unter den neuen Kontrakt. Bei Alonso hält sich seit einigen Wochen sogar das Gerücht, er hätte die Bayern-Bosse schon über sein Karriereende informiert und werde in wenigen Monaten wie Lahm Schluss machen. Ironischerweise könnte Lahm die Zukunftsplanungen des FC Bayern gleich in doppelter Hinsicht erschweren: Der gebürtige Münchner löst nicht nur seinen Vertrag vorzeitig auf, sondern hat obendrein das Angebot ausgeschlagen, sofort als Sportdirektor einzusteigen. Offenbar waren dem Klub-Eigengewächs nicht die erhofften Befugnisse zugestanden worden, wie eine Aussage von Uli Hoeneß vermuten lässt. "Bei uns im Aufsichtsrat sitzen Dax-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt", betonte der neue starke Mann.


Arjen Robben (l.) und Franck Ribéry sind seit Jahren Fixpunkte in der Bayern-Offensive.
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Eberl oder Schmadtke gelten als Kandidaten für Sammer-Nachfolge


Bedeutet: Die Suche nach einem Nachfolger des vor dieser Saison zurückgetretenen Matthias Sammer geht weiter. Als Favorit gilt nun Max Eberl, der eine Bayern-Vergangenheit kann und das einstige Kellerkind Borussia Mönchengladbach in den vergangenen Jahren in einen Europapokal-Anwärter verwandelt hat. Lothar Matthäus bringt zudem im Express Jörg Schmadtke vom 1. FC Köln ins Gespräch. Der Ex-Keeper hat den mit emotionsgeladenem Innen- wie Außenleben versehenen Klub scheinbar einer Valium-Kur unterzogen - und sportlich läuft es auch noch rund. Laut der französischen Sportzeitung L‘Equipe könnte auch Oliver Kahn eine Option sein - der „Titan“ hat sich immerhin schon einen Namen als Geschäftsmann gemacht. Den Posten des Sportdirektors wieder zu bemannen, sollte bei den Roten absolute Priorität haben - auch wenn mit Hoeneß der absolute Macher auf die Kommandobrücke zurückgekehrt ist und sich der Präsident und Aufsichtsratschef bei Verhandlungen nichts vormachen lässt. Bestes Beispiel: Auch ohne Sammer-Nachfolger haben die Roten die Transfers der beiden umworbenen Hoffenheimer Nationalspieler Niklas Süle und Sebastian Rudy unter Dach und Fach gebracht.


Max Eberl wird immer wieder mit dem FC Bayern gebracht - trotz eines noch bis 2020 laufenden Vertrags in Mönchengladbach.© imago/Wiechmann

Rudy und Kimmich können Lahm-Position ausfüllen

Letzterer galt schon seit seiner Unterschrift als potenzieller Backup für Lahm auf der rechten Abwehrseite. Ebenso wie Joshua Kimmich, der sich im Nationalteam auf dieser Position bereits festgespielt hat. Zudem steht Rafinha parat, der seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert hat. Rudy und Kimmich zählen ebenso als Kandidaten für die Alonso-Nachfolge. Eine Position, die auch auf den wuchtigen Renato Sanches zugeschnitten sein sollte. Wobei sich der Portugiese bislang noch nicht wirklich erfolgreich für die Startelf bewerben konnte. "Es liegt an der neuen Sprache, am neuen Land, am neuen Klub, der neuen Mannschaft. Und er ist sehr jung. Wir müssen etwas Geduld mit ihm haben", sagt Trainer Carlo Ancelotti über den 19-jährigen Europameister. Heißt demnach aber auch: Für den schnellen Erfolg müssten die Roten wohl auf Spieler mit Bundesligaerfahrung setzen oder für einen fertigen internationalen Star richtig tief in die Tasche greifen.


Bald gemeinsam in Rot unterwegs: Niklas Süle (l.) und Sebastian Rudy kommen von 1899 Hoffenheim.
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Douglas Costa und Coman noch weit von Robbery entfernt

Wesentlich problematischer gestaltet sich ohnehin die Situation auf den Flügeln, wo sich Robben und Ribéry noch nach jeder Verletzungspause zurück in die Stammelf gedribbelt haben. Der Qualitätsunterschied zu den Backups Douglas Costa und Kinsgley Coman ist beträchtlich. Der Brasilianer, der in seinem ersten halben Jahr in München noch ganz Fußball-Deutschland verzückte, machte zuletzt mehr mit unglücklichen Interview-Aussagen auf sich aufmerksam und zog sich den Unmut der Bayern-Bosse zu. Comans größte Stärke ist seine Schnelligkeit. Die mangelnde Kontinuität sowie seine Verletzungsanfälligkeit lassen jedoch zumindest für Außenstehende Zweifel aufkommen, ob der 20-Jährige einmal in die gigantischen Fußstapfen Robberys treten kann. Die Kaufoption über 21 Millionen Euro für die Leihgabe von Juventus Turin haben die Roten jedenfalls - trotz diverser anderslautender Berichte - noch immer nicht offiziell gezogen.


Kämpft um einen neuen Vertrag: Kingsley Coman spielt in seiner zweiten Saison bei den Roten.
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Brandt und Gnabry gelten als mögliche Verstärkungen

Als mögliche Verstärkungen werden Julian Brandt von Bayer Leverkusen und Werder Bremens Serge Gnabry gehandelt. Beide haben sich schon in jungen Jahren in der Bundesliga bewährt und wecken auch das Interesse internationaler Top-Klubs. Die Defensivarbeit der jungen Nationalspieler lässt jedoch noch zu wünschen übrig. Ohnehin wäre es ein sehr gewagtes Unterfangen zwei Superstars im fortgeschrittenen Fußballer-Alter durch zwei Youngster zu ersetzen, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Als Option bietet sich außerdem Thomas Müller an, der unter Ancelotti zuletzt fast ausschließlich als hängende Spitze zum Einsatz kam. Aktuell hat der Fan-Liebling aber ganz andere Probleme: Seine erste richtige Krise in der Karriere begleitet ihn hartnäckig durch die Saison.


Serge Gnabry spielt eine furiose Saison für Werder Bremen.
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Müllers Krise ohne Auswirkungen auf den Verein

Solange sich Müllers persönliche Pechsträhne nicht auf die ganze Mannschaft auswirkt, ist alles halb so wild. Doch eine solche Durststrecke des ganzen Klubs, die in titellose Spielzeiten münden würde, können und wollen sich die Roten nicht leisten. Deshalb sollte der anstehende Umbruch mit Bedacht vollzogen werden. Mit dem Bau des neuen hochmodernen Nachwuchsleistungszentrums hat der FC Bayern einen immens wichtigen Schritt schon vollzogen. Nach Meinung der Münchner Fußball-Schule wird der Rekordmeister künftig "viel mehr Talente als im Moment aus allen Ländern dieser Welt zu sich holen können". Den Weg von den Junioren zu den Profis vollzogen vor einigen Jahren auch Lahm und Müller - nicht die schlechtesten Vorbilder für kommende Bayern-Stars. Und eine Hoffnung, dass die Roten in ein paar Jahren ausschließlich positive Erinnerungen mit ihrem Umbruch verbinden werden.

Quelle: tz.de


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt (1769 - 1859)