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Denkt man an die ersten großen Triumphe des FC Bayern Ende der 1960er Jahre, kommen einem womöglich erst einmal Namen wie Franz Beckenbauer, Sepp Maier oder Gerd Müller in den Sinn. Doch geführt wurden diese „jungen Wilden“ damals von Werner Olk. Geboren in Osterode in Ostpreußen und nach der elterlichen Flucht in der Nähe von Hannover aufgewachsen, war Olk der erste Double-Kapitän des FC Bayern und gewann als Spielführer mit den Roten den Europapokal der Pokalsieger (1967), wurde dreimal Pokalsieger (1966, 1967, 1969) und 1969 Deutscher Meister.

Am Donnerstag feierte der „Adler von Giesing“, wie der Rechtsverteidiger vom einstigen Manager Robert Schwan wegen seiner akrobatischen Luftkämpfe getauft wurde, seinen 80. Geburtstag. fcbayern.com sprach mit dem Jubilar über die „wunderbare Zeit, die ich erleben durfte.“

Herr Olk, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Wie feiern Sie ihren Ehrentag?
Werner Olk: „Da meine Tochter am 20. Januar Geburtstag hat, feiern wir gemeinsam am Samstag. Das passt ja auch ganz gut, weil das Heimspiel gegen Bremen erst am Sonntag ist. Und am Montag gibt es dann eine Geburtstagsfeier mit den Montagskickern bei unserem Stammwirt Roiderer in Strasslach.“

80 Jahre. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Olk: „Man merkt ja, dass man jedes Jahr älter wird. Aber ich kann alles essen, trinken, sehen, hören – im Grunde geht es mir also glänzend. Das einzige, das mich ein wenig stört, ist eine Arthrose am Fußgelenk, wegen der ich nicht mehr in der Halle Fußball spielen kann. Bis vor einem Dreivierteljahr ging das noch, aber jetzt habe ich zwei Tage lang Theater, wenn ich spiele. Also lasse ich es sein und schaue den anderen zu, das aber regelmäßig jeden Montag. Ich muss immer noch Schweiß riechen (lacht)!“

Nehmen Sie Ihren Geburtstag auch zum Anlass, um zurückzublicken?
Olk: „Es gab in meinem Leben so viele Geburtstage, an denen ich unterwegs war und arbeiten musste, deswegen sehe ich dieses Thema recht entspannt und ohne Sentimentalitäten. Natürlich denke ich in manchen Situationen sehr gerne zurück und bin dankbar für eine wunderbare Zeit, die ich erleben durfte – aber das hat nichts mit Geburtstagen zu tun.“

Lassen Sie es uns dennoch zum Anlass nehmen und über Ihr Leben mit dem FC Bayern sprechen. 1960 wechselten Sie aus Hannover nach München - ausschlaggebend war jedoch nicht das bessere Gehalt, richtig?
Olk: „Ja, das stimmt. In München hatte ich die Zusage für einen Studienplatz. Ich war mir damals eigentlich schon mit Eintracht Frankfurt einig, als Bayern-Präsident Roland Endler auf mich zukam. Endler war mit seiner Firma für Schweißtechnik ein Mäzen der Technischen Universität München und konnte mich dort unterbringen. Also habe ich Frankfurt abgesagt und ging zum FC Bayern, obwohl die Eintracht damals eine Spitzenmannschaft war und gerade erst im Landesmeisterfinale gegen Real Madrid gestanden hatte.“

Was haben Sie studiert?
Olk: „Das war ein Ingenieur-Studium und nannte sich „Wirtschaft und Betriebstechnik“, kombiniert aus Maschinenbau, Stahlbau und Wirtschaft, das es aber längst nicht mehr gibt. Ich hatte auch immer vor, nach meinem Studium wieder zurück nach Hannover zu gehen, allerdings wollte meine Frau das nicht. Sie war gebürtige Hannoveranerin und kam 1962 nach unserer Hochzeit nach München. Und nachdem ich ihr alles in und um München gezeigt hatte, die Seen, die Berge und Sehenswürdigkeiten, wollte sie nach sechs Wochen nichts mehr von Hannover hören (lacht).“

1965 gelang dann der Aufstieg in die Bundesliga. Trotz Double, Pokalsiegen und Europacup sagen Sie, das sei der wichtigste Erfolg Ihrer Karriere gewesen. Warum?
Olk: „Ganz einfach: Wären wir damals nicht aufgestiegen, hätte es die späteren Erfolge alle nicht gegeben, weil die Mannschaft auseinandergefallen wäre. Diese Gefahr hatte auch schon ein Jahr zuvor bestanden. Wir waren damals nach dem verpassten Aufstieg im Trainingslager am Ammersee, da kam Robert Schwan zu mir und meinte: „Werner, wie schaffen wir es, dass alle Spieler für das nächste Jahr unterschreiben?“ Da sagte ich zu Schwan: „Ganz einfach, Sie müssen nur den Franz binden. Dann bleiben alle anderen auch.“ Und so kam es. Franz Beckenbauer unterschrieb seinen neuen Vertrag und noch bevor wir aus dem Trainingslager zurückfuhren, folgten alle anderen. So konnten wir dann in der Saison 1964/65 durchmarschieren.“

Aber Hand aufs Herz, als Kapitän den Europapokal der Pokalsieger in Empfang zu nehmen, muss doch etwas ganz Besonderes für Sie gewesen sein?
Olk: „Natürlich, absolut fantastisch! Das war in dem Moment das Größte für mich und die gesamte Mannschaft. Im Nachhinein betrachtet habe ich so ziemlich alles erreicht, was ich erreichen wollte, und das nicht nur im Fußball. Ich war auch in der Leichtathletik im Fünfkampf und Mannschaftskampf mehrmals Deutscher Meister. Und Ingenieur bin ich wegen meines Vaters geworden: Er war Oberlokführer bei der Bahn und zeichnete viel an Plänen, dachte immer über Verbesserungen nach. Als er mir dann erklärte, dass das eigentlich die Aufgabe von Ingenieuren sei, fand ich das extrem spannend. So blieb das in meinem Kopf - und ich bin Ingenieur geworden. Wie gesagt, ich habe fast alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte. Bis auf ein Turnier mit der Nationalmannschaft zu spielen.“

Wieso klappte es damit nicht?
Olk: „Ich hatte zweimal die Möglichkeit. 1960 war ich Verteidiger der Amateur-Nationalmannschaft, die sich für Olympia in Rom qualifizieren wollte. Wir waren auf einem guten Weg, setzten uns in der Qualifikation sogar gegen die A-Nationalmannschaft der DDR durch. Aber dann scheiterten wir kurz vor dem Ziel an Polen, weil zum Auswärtsspiel dort fünf unserer Spieler nicht einreisen durften, die damals bei der Bundeswehr waren. Die zweite Chance hatte ich 1962 für die Weltmeisterschaft in Chile. Ich nahm in der Vorbereitung an allen Lehrgängen teil, setzte dafür sogar ein Studienjahr in den Sand, und dann stand das letzte Testspiel vor der Nominierung in Saarbrücken an. Helmut Schön, damals Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger, hatte alle Spieler angerufen und angekündigt, dass keiner zur Weltmeisterschaft fahren würde, der bei diesem Testspiel fehlt. Nun hatten wir allerdings mit dem FC Bayern ebenfalls ein Freundschaftsspiel gegen die österreichische Nationalmannschaft, und unser Trainer Helmut Schneider bestand auf meinen Einsatz. Ihm war das Hemd eben näher als die Hose – und so durfte ich nicht mit nach Chile. Immerhin schrieb mir Herberger anschließend einen netten Brief, dass es ihm leidtue. Den Brief habe ich heute noch.“

1970 verließen Sie den FC Bayern nach insgesamt zehn Jahren und wechselten als Spielertrainer nach Aarau. Spürten Sie, dass mit 32 Jahren Schluss war auf dem höchsten Level?
Olk: „Ich hatte damals einen Bandscheibenvorfall und sah beim Gehen aus wie der schiefe Turm von Pisa. Das waren ungeheure Schmerzen. Ich wurde zur Entlastung der Bandscheibe mit dem Kopf nach unten aufgehängt, wurde gespritzt, lag zuhause stundenlang über der Heizung auf der Fensterbank. Nichts hat geholfen. Also ging ich als Spielertrainer in die Schweiz, wo der Trainingsumfang deutlich geringer war und ich dazu noch in einer großen Firma arbeiten konnte, die viel für die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA gemacht hat. Außerdem riet man mir dort, Schwefelbäder zu machen gegen meine Beschwerden, und was soll ich sagen? Nach einem Vierteljahr bin ich wieder gelaufen wie ein Hase und habe bis heute keinerlei Probleme.“

Wieso entschieden Sie sich dann eigentlich gegen Ihren sicheren Ingenieurs-Job und wollten Fußballtrainer werden?
Olk: „Wie gesagt, wir arbeiteten sehr viel mit der NASA zusammen und hatten auch in den USA zu tun. Ich sollte dann komplett nach Amerika gehen, wollte das aber aufgrund meiner Familie nicht, meine Tochter ging ja zur Schule. Also habe ich den Entschluss gefasst, dass ich kündige und mein Hobby zum Beruf mache. Und ich habe es nicht bereut.“

Ihre Trainerkarriere liest sich im Rückblick deutlich wechselhafter als Ihre Spielerlaufbahn: Zehn Vereine coachten Sie zwischen 1974 und 1988.
Olk: „Als Trainer ist das Leben nun einmal ein wenig sprunghafter, darauf muss man sich bei der Berufswahl einstellen. Man bekommt ja oft auch nicht sofort den Verein, den man sich erhofft.“

Welche Station blieb am meisten in Erinnerung?
Olk: „Sehr speziell war die Zeit in Darmstadt. 1980 übernahm ich dort in der zweiten Liga und wir schafften den Aufstieg in die Bundesliga, was eine ziemliche Sensation war. Der Verein hatte kein Geld, es wurden von den Zuschauern sogar Pfennigbeiträge für die Errichtung einer Flutlichtanlage gesammelt. Und die halbe Mannschaft war berufstätig, die hatten überhaupt nicht die Zeit dazu, so professionell zu trainieren, wie ich es mir für die Bundesliga vorgenommen hatte. Da steuert man dann trotz – oder auch wegen – des erfolgreichen Aufstiegs zwangsläufig dem Ende entgegen. Genau das Gleiche erlebte ich dann ein paar Jahre später in Karlsruhe sogar noch einmal: Souverän aufgestiegen in die Bundesliga, kein Geld für eine stabile Mannschaft da und im März musste ich gehen.“

Sie arbeiteten auch zweimal als Co-Trainer beim FC Bayern - und das sogar unter dem heutigen Coach Jupp Heynckes.
Olk: „Ich freue mich wirklich sehr, wie es für Jupp derzeit läuft und wünsche ihm nur das Allerbeste. Manchmal schaue ich an der Säbener Straße vorbei, erst vergangene Woche haben wir zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge zu Mittag gegessen und ein bisschen über die alten Zeiten gequatscht. Karl-Heinz war ja noch ein ganz junger Spieler, als ich 1975 und 1976 mit Dettmar Cramer zusammenarbeitete, damals holten wir zweimal den Europapokal der Landesmeister. 1986 kam ich dann zu Bayern zurück, arbeitete das erste Jahr mit Udo Lattek zusammen und in der zweiten Saison dann eben mit Jupp.“

Sie waren anschließend viele Jahre im Verwaltungsbeirat des FC Bayern tätig.
Olk: „Ja, an die zehn Jahre, bis ich mit 75 Jahren aufgehört habe. Aber ich bin nach wie vor bei den Auswärtsspielen der Champions League dabei, was mir eine große Freude bereitet.“

Was wünschen Sie sich zu Ihrem Jubiläum?
Olk: „Die Gesundheit steht über allem, da spreche ich leider aus Erfahrung. Meine Frau ist 2010 verstorben, wir waren fast 50 Jahre verheiratet. Das war eine schwierige Zeit, plötzlich allein zu sein und für sich selbst zu sorgen, zu waschen und zu kochen. Heute wohne ich zwar immer noch allein, habe aber eine neue Lebensgefährtin gefunden. Das ist in meinem Alter das größte Glück. Wir kommen glänzend miteinander aus, gehen Tanzen, spielen Golf, fahren zusammen nach Italien – es passt alles wunderbar.“


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