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Dienstag, 02. Februar 2016
Redelings freut sich über Gegner
Lasst den Fußball nicht zu mächtig werden!

Von Ben Redelings

Es war ein Fest. Und ein Statement gegen die aufgeblasene Eventhülle Fußball. Die Handballer zeigen deutlich: Es gibt eine Welt abseits des 'hochsterilisierten' Fußballbusiness. Lasst sie uns entdecken. Jetzt!


Eigentlich lagen die Kinder am Sonntagabend bereits in ihren Betten. Sie warteten nur noch auf ihre Gute-Nacht-Geschichten. Doch dann packten wir die beiden Jungs und schauten uns gemeinsam die letzten 20 Minuten der unglaublichen "Die mit dem Wolff tanzen"-Show im Fernsehen an. Ganz bewusst. Die beiden sollen wissen, dass es abseits des Fußballs auch noch andere wunderbare Sportarten gibt.

Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der Tennis, Leichtathletik, Handball oder Eishockey dem Fußball fast gleichberechtigt gegenüberstanden. Ich bedauere, dass uns das in den letzten Jahren abhandengekommen ist. Selbst mir als totalem Fußball-Nerd ist das alles zu viel geworden. Zu einseitig, zu gehypt. Der Fußball hat nicht diese Dimension, die ihm medial eingeräumt wird. Aber so lange wir jeden Tag künstlich mit Nachrichten über den Fußball angefüttert werden, jede noch so kleine Nichtigkeit zu einer "Breaking News" aufgebauscht wird, werden wir nicht merken (können), dass wir alle in einer Blase leben.

Alles wird maximal hochstilisiert

Die grotesk anmutende Inszenierung des Fußballs als Spektakel müsste uns eigentlich als fieser Schlag in die Magengrube erscheinen. Doch das Gegenteil ist der Fall. 24-Stunden-Sky-Sport-News-HD sorgen dafür, dass die prall gefüllte Melkkuh weiter tüchtig Gewinne abwirft. Nachrichten, die keine sind, werden zu rufschädigenden Meldungen hochstilisiert (siehe Schalke; Breitenreiter). Aus kleinen Mäusen werden riesige Elefanten gemacht. Nur um Auflage und Aufmerksamkeit zu generieren. Das klingt nicht nur abtörnend – das ist es auch. Eigentlich. Aber am Ende sprechen doch wieder alle darüber – und das Ziel ist erreicht!

Dadurch verdrängt der Fußball Fläche und Zeit für andere Dinge. Das ist wie mit der Flüchtlingsthematik. Seit dem Sommer des letzten Jahres scheint die Welt in allen anderen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Bereichen still zu stehen. Es gibt nur noch ein einziges Thema. Im Sport ist das genauso. Allerdings schon seit Jahren: Fußball, Fußball, Fußball!

Selbst der Jüngste ist schon "verdorben"

Unser Dreijähriger hat noch nie ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft oder des bayrischen Branchenprimus gesehen. Dennoch will er beim Fußballspielen immer Thomas Müller oder Manuel Neuer sein. Durch Klebebildchen, Werbung und den Kindergartenfunk der älteren Jungs und Mädchen ist er bereits vorgeprägt. Man könnte auch sagen: verdorben! Von den 36 Bundesligisten kennen die Jungs nämlich vor allem und an erster Stelle nur einen einzigen Verein: den FC Bayern München.

Es ist in der Tat ein täglicher Kampf, um gegen diese eingeimpften Muster vorzugehen. Den Heranwachsenden die Vielfalt zu zeigen und vorzuleben. Auch wenn natürlich der Papa hier und da naturgemäß die Blickrichtung ein wenig auf den fußballspielenden Heimatverein und seine Akteure verengt. Der Erfolg vom Wochenende könnte dem Handballsport auch im Alltag zu einem Schub verhelfen. Raus aus der medialen Nische, rein ins Rampenlicht. Dafür bedarf es Helden, Typen, die herausstechen. Namen, die alle kennen. Lieblinge und Charaktere, die anecken. So funktioniert das Geschäft nun einmal. Jetzt, in diesem Moment, hast du sie. Es wäre zu schön, wenn sich genügend Pressevertreter finden würden, die das kleine Flämmchen genau in diesem so seltenen Augenblick am Leben erhalten würden. Bunte Helden-Geschichten, die Auflage garantieren. Die die Aufmerksamkeit hochhalten und die Neugierde auf mehr wecken.

Reiten wir auf der Handball-Euphorie!

Ohne eine mediale Dauerberieselung wird der Europameister-Titel schnell wieder verpuffen. Jetzt muss das ganz große Fass aufgemacht werden. Das darf am Ende ruhig nerven. Hauptsache, es wird darüber gesprochen und der Handball bleibt in den Medien präsent. Es wäre schon viel gewonnen, wenn beim nächsten Schulsport die Kinder in der Halle ihren Lehrer belagern würden, damit der mit ihnen den Europameister-Triumph nachspielt. Und alle Jungs und Mädchen ins Tor wollen, weil sie einmal nicht Manuel Neuer, sondern Andreas Wolff sein wollen!

Es ist eigentlich ein aussichtsloser Kampf. Und es ist unfair, immer wieder die Funktionäre und Sportler anzugehen, dass sie selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind. Denn das stimmt nur zum Teil. Wenn man einmal die aufgeblasene Eventhülle um den Fußball zum Platzen bringen würde, bliebe am Ende auch nur eine zum größten Teil kümmerliche Veranstaltung zurück. Solch einen attraktiven Haufen von sympathischen Kerlen wie bei der Handball-Nationalmannschaft wird man im Fußball lange suchen müssen.

Und genau das könnte die Chance anderer Sportarten in Zukunft sein. Über ehrliche Typen und menschliche Nähe der abgeschotteten Eventwelt des Fußballs eine spannende und interessante Alternative entgegenzusetzen. Und um selbst nicht nur mit Worten zu glänzen, verspreche ich hiermit, in diesem Jahr mindestens ein Handball/Basketball/Eishockey-Spiel in der Umgebung zu besuchen. Meine beiden Jungs packe ich gleich mit ein. Ich werde berichten, wie es uns gefallen hat.

Quelle: Randsportarten fördern