Neuer Werbepartner

Gewagter Einsatz von Bundesligist Hoffenheim

Der Europäische Gerichtshof hat das Sportwettenmonopol gekippt.
Als erster Bundesligaverein wirbt Hoffenheim neuerdings für einen Wettanbieter.

Von Lars Wallrodt




Spannendes im Hintergrund: Während Hoffenheims Beck (r.) und Gladbachs Idrissou
um den Ball kämpfen, flimmert Werbung für einen Sportwettanbieter über die Bande


Die Revolution steckt im Detail, und die Stadionbesucher der TSG 1899 Hoffenheim hatten am vergangenen Sonntag wohl kaum das Gefühl, ein epochales Ereignis zu erleben. Der Sieg über Borussia Mönchengladbach (3:2) nach flottem Spiel wird im Gedächtnis der Fans eine kurze Halbwertszeit haben – trotz des Eigentores und der zwei Roten Karten für die Gäste. Das wahrhaft Umstürzlerische aber flimmerte am Spielfeldrand über die Werbebande: „Tipico Sportwetten“ leuchtete dort in regelmäßigen Abständen auf. Der Verein hat jüngst eine Premiumpartnerschaft mit dem Wettanbieter abgeschlossen – als erster Fußball-Bundesligaklub nach einem wegweisenden Urteil.

Sportwetten, Wettanbieter – da war doch was? In der Tat: Anfang September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem deutschen Staat eine schallende Ohrfeige verpasst und dessen Sportwettenmonopol für rechtswidrig erklärt. Per Staatsvertrag hatte sich das Land zugesichert, allein über das Glücksspiel zu bestimmen. „Suchtprävention“ lautete das Zauberwort. Da Vater Staat aber zeitgleich mächtig viel warb für Lotto und Oddset, den staatlichen Anbieter für Sportwetten, schritt der EuGH ein und forderte umgehend eine Neuregelung. Ausländische Wettanbieter, die 94 Prozent des deutschen Marktes abdecken und in der Grauzone des Internets 7,3 Milliarden Euro am deutschen Fiskus vorbei schleusten, jubelten.

Doch ganz so schnell wie erhofft schritt die Marktöffnung dann doch nicht voran. Während in Schleswig-Holstein die Politiker schon länger für eine Liberalisierung kämpfen, ignorieren andere Bundesländer das EuGH-Urteil bislang. „Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise einen Erlass beschlossen, erst einmal einfach weiterzumachen wie bisher“, sagt Prof. Peter Duvinage, Rechtsanwalt und Experte im Sport- und Medienrecht.

Und so weiß im deutschen Sport derzeit niemand so recht, ob nun für private Wettanbieter geworben werden darf oder nicht. Selbst Insider wie Duvinage nicht, der mehrere Bundesligavereine berät: „Ich würde meinen Klienten derzeit nicht raten, bereits jetzt feste und sofort wirksam werdende Verträge mit Wettanbietern abzuschließen, sondern würde zu aufschiebend bedingten Verträgen raten, die dann greifen, wenn Rechtssicherheit besteht.“ Duvinage denkt, dass „vermutlich erst Anfang nächsten Jahres mit einem Entwurf für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag zu rechnen ist“.

Solange wollte die TSG 1899 Hoffenheim allerdings nicht warten. Durch den Vertrag mit Wettanbieter Tipico haben sich die Kraichgauer das erste Stück eines großen Kuchens gesichert. Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus sagt: „Wir haben uns mit dem Thema ‚Wettanbieter’ sehr intensiv beschäftigt und vor dem Vertragsabschluss mit Tipico die rechtliche Lage genau geprüft. Es gibt zwar derzeit keine 100-prozentige Rechtssicherheit, aber nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes halten wir das Risiko für vertretbar.“ Es gäbe, schränkt Rotthaus allerdings ein, sicherlich noch finalen Klärungsbedarf.

Auch Holger Kaiser hat sich getraut – und das sogar noch vor den Hoffenheimern. Der Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt, derzeit Tabellenachter der Handball-Bundesliga, war der Erste, der einen Vertrag mit einem Wettanbieter (Betathome) abschloss. „Ich freue mich, dass nun auch andere Klubs wie die TSG Hoffenheim aus der Deckung kommen. Bei mir haben sich zuletzt einige Vereinsvertreter gemeldet, um Tipps zu Verträgen mit Wettanbietern zu bekommen.“

Wolfgang Holzhäuser gehörte nicht dazu. Der Sprecher der Geschäftsführung von Bayer 04 Leverkusen steht dem Ganzen noch skeptisch gegenüber. Zwar seien einige Wettanbieter „mit teilweise sehr attraktiven Geboten“ auf den Werksklub zugekommen: „Aber die allgemeine Rechtslage hat sich ja auch nach dem EuGH-Urteil nicht verändert, es gilt immer noch der Staatsvertrag. Deshalb haben wir uns entschieden, derzeit keine derartigen Verträge abzuschließen.“ Allerdings beobachten auch die Leverkusener sehr genau die Entwicklung. „Ich schätze, dass allein der Fußball-Bundesliga durch die derzeitige Restriktion Werbeeinnahmen in Höhe von 30 bis 50 Millionen Euro pro Jahr verloren gehen“, sagt Holzhäuser.

Auch Anwalt Duvinage glaubt, dass Hoffenheims und Flensburg-Handewitts neue Partnerschaften erst der Anfang einer gewaltigen Welle sind: „Ich denke, dass die großen Wettanbieter derzeit noch gar nicht alle in den deutschen Markt drängen, sondern die erforderliche Rechtsklarheit erst einmal abwarten.“ Sein Fazit: „Das Thema bleibt also richtig spannend.“

Quelle: Welt-online