Dschungelcamp Tag 2 "Ich werd hier wirklich gebiffen!"

Das eskalierte erfreulich schnell: Schon an Tag 2 ziehen die Camper alle Register ihrer Gefühlsorgel: Wut, Scham, Trauer und Dämlichkeit - da ist wirklich für jeden etwas dabei.

Von Anja Rützel

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Es ist vielleicht ein bisschen taktlos, diese je nach Blickwinkel mal schöne, mal schreckliche Wahrheit schon an Tag 2 in die Welt zu tröten, aber: Es gibt ja auch ein Leben nach dem Dschungelcamp. Darum ist es schön zu hören, dass bereits jetzt für wenigstens drei der Camper schon eine Anschlussbeschäftigung gesichert ist:
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Natascha, die Frau mit den flamingofarbenen Lippen, wird mit ihrem Coaching-Erfolgsprogramm für alle Sensibelchen, die sich noch eine harte Schale wachsen lassen müssen, in mittelgroßen Mehrzweckhallen und evangelischen Gemeindesälen gastieren - Titel ihrer Selbstverhärtungsshow: Der rosarote Panzer.

Matthias stampft direkt ins Tonstudio und nimmt den neuen Wiesn-Hit "Zehn Sterne, die meinen Namen getragen hätten, hätte Jenny die Prüfung am Ende nicht noch verbockt" auf. Enttäuschte Kleinsparer weltweit feiern ihn für diese stinksaure Midtempo-Nummer und unterstützten ihn durch reingegrölte "Zehn-Zehn-Zehn-Zehn!"-Chöre.

Und David Friedrich, der Kasper, schreibt das längst überfällige "Gender für Dummies"-Buch, in dem er noch mal erklärt, warum Männer treudoofe Dackel und Frauen top-fiese Hyänen sind. Ein Referenzwerk für fragile Bubenseelen, das ihm völlig zu Recht eine Gastprofessur an der Mario-Barth-Büffeluniversität für stumpfe Geschlechterklischees einbringt.
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Prächtige Aussichten, doch vorerst sitzen auch diese drei noch ein Weilchen zusammen mit ihren neuen Kumpanen im Camp fest. Und müssen Ungemach wie etwa die Höhlen-Dschungelprüfung "Termiten, kaufen, wohnen" über sich ergehen lassen.

"Warum muff ich daff Opfer fein?"

Jenny und Matthias müssen ran, und Letzterer hat auch eine Erklärung dafür, warum das Zuschauervoting ausgerechnet ihn traf: "Klar, die lieben das, wenn 'ne Schwuppe da drinne ist und heult." Weil er diese Gaffhoffnung nicht füttern will, kriecht er ohne viel Geschrei in die riesige Pappmaché-Termitenburg (die aussieht wie ein VHS-Dildomodellierkurs gone wrong). In unterirdischen Kleinstkammern - so ungefähr stellt man sich als anatomischer Laie das Nasennebenhöhlensystem vor - muss sich Jenny rücklings liegend auf dem Boden festschnallen, Matthias muss in den Gängen und Nischen nach Sternen mit Schlüsseln daran suchen.

Er tut das anfangs zwar reichlich orientierungslos, aber überraschend gefasst und vor allem kreischarm. "Da sind kleine Teppichpythons drin", informiert ihn Sonja Zietlow, als er blindlings in einem Kämmerchen wühlt, "Okay, sehr schön", antwortet Matthias, als hätte sie ihn gerade gefragt, ob statt 100 Gramm getrüffelter Kalbsleberwurst auch 115 Gramm in Ordnung wären.

Jenny legt sich derweil zurück, schließt die Augen und denkt an England beziehungsweise Kanada, während stetig Kakerlaken und anderes Käferzeug auf sie rieselt. Mit zusammengepressten Lippen klagt sie, mumienhaft murmelnd, ihr Leid: "Warum muff ich daff Opfer fein? Ich werd hier wirklich gebiffen!"

Matthias sammelt tatsächlich alle für ihn erreichbaren Sterne ein, doch weil die befreite Jenny noch an ihrem zusammen zu klaubenden Stern-Kontingent herumpfriemelt, statt rechtzeitig aus der Höhle zu kriechen, verlieren die beiden am Ende alles - null Sterne. Matthias, klar, ist sauer.

"Die blöde Jenny"

Es folgen ausgiebige, ein bisschen sehr offensichtlich auf Effekt behauene Szenen, nicht mit dem Skalpell, sondern mit der Spalt-Axt geschnitten: Wir sehen Matthias, der sich bei der Rückkehr ins Camp in Rage schwadroniert und von der Prüfungspleite berichtet, als spräche er vor einem gefesselt lauschenden Auditorium voller Teletubbies, die jedes Mal, wenn er bei seiner eigenen Heldengeschichte am Ende angekommen ist, "Noch mal! Noch mal!" plärren. "Zehn Sterne hatte ich geholt, ZEHN STERNE", ereifert er sich in Endlosschleife. Kaum hat er sich beruhigt, fragt Giuliana, angetan mit einer Art Vestalinnenkostüm, direkt noch mal nach und kriegt, schaudernd ob des 10-Sterne-Verlusts direkt Gänsehaut.

Jennys zeitgleiche Selbsthass-Einlassungen im Dschungeltelefon werden indes wird mit der traurigsten Klimpermusik unterlegt, die man im Schmierentheaterarchiv in den untersten Regalen und allerletzten Schubladen finden konnte. "Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich so ne Niete bin, die Leute, die mich da draußen hassen, lachen sich jetzt kaputt, haha, die blöde Jenny, ich bin selbst so enttäuscht von mir", trägt sie ihre Leidenslitanei vor, umrahmt von grauem Trauerweidenhaar. In Zukunft bitte ein bisschen mehr Mühe bei der Manipulation, liebes Cutter-Team. Und warum bekamen wir eigentlich Ansgar heute gar nicht zu sehen, lag der nach seiner Essen-Echauffage gestern noch im Schwanzschmollstarre?

Die sonstigen Vorkommnisse im Camp demonstrieren der Arte-Stammzuschauerschaft, die sich traditionell nur fürs Dschungelcamp in die Trash-Sümpfe verirrt, noch mal den wichtigsten Unterschied zwischen diesem Format und "Germany's next Topmodel": Bei GNTM wird erst umgestylt, dann rumgeheult, beim Dschungelcamp erst rumgeheult, dann umgestylt - was 14 Tage Reis-und-Bohnen-Diät plus beschleunigte Verwitterung so mit Körpern und Gesichtern anstellen können!

"Dir muss noch ein Panzer wachsen"

Die Camper der aktuellen Staffel scheinen sich entschlossen zu haben, ihre Grein-Monologe möglichst zügig hinter sich zu bringen. Sydney weint, weil er sich beim überhasteten Aufbruch nicht von seiner Frau verabschieden konnte. Seine Tränen kann zu Hause jeder nachfühlen, der schon mal im Pfeffirausch einen polnischen Abgang hingelegt hat und am nächsten Morgen mit Pelzzunge versucht hat, die letzten zwei Stunden des Abends zu rekonstruieren.

Dann weint Tatjana, als sie die Umstände erzählt, die sie nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes in die Untersuchungshaft führten, und Natascha kündigt resolut an: "Dir muss noch ein Panzer wachsen, ich trainier dich jetzt jeden Tag." Als Dritter kommen Kattia die Tränen, als sie Sydney bei der Feuerwache berichtet, wie schwer sie es anfangs bei ihrer Übersiedelung von Kolumbien nach Deutschland hatte.

Nur David behält die Fassung, als er Tina ein paar Stunden später am selben Feuer vom Ende seiner Bachelorettenliebe erzählt. "Natürlich wurde mir mein Herz gebrochen, quasi", sagt er und ergeht sich dann - bisschen simpel gestrickt, quasi - in dümmlichen Alle-Frauen-alle-Männer-Lebensbetrachtungen. "Mir muss keiner mehr erzählen, dass Frauen lieb sind. Wenn Männer Fehler machen, sind sie dumm, aber Frauen sind einfach viel, viel schlimmer. Weil sie sehr gerissen sind."

In die nächste Dschungelprüfung muss übrigens Matthias. Vermutlich haben dieses Mal sehr viele Männer angerufen.


Quelle: spiegel.de