Dschungelcamp - Tag 4 Und täglich grüßt das Madentier

Beim langen, laaangen Schwungholen für die nun zu erwartenden spektakulären Ereignisse besinnen sich die Camper auf bewährte Dramaturgien. Immerhin sind alle noch da - dafür ein Rokoko-Appläuschen!

Von Anja Rützel

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Das Dschungelcamp ist billiger Schnüffelpattex fürs Volk, schändet die Würde seiner Insassen und beschneidet empfindlich die arbeitsfreie Erholungszeit, die seine Zuschauer sonst so gern für das Absingen mehrstimmiger Bach-Kantaten nutzen - so muhen es die frostharten "Ich bin ein Star, holt mich hier raus"-Kritiker seit Anbeginn der Zeit.

In dieser Staffel ist ein neuer Großvorwurf dazu gekommen: In seinem zwölften Jahr zeige das Camp nichts, was man nicht schon längst gesehen hätte, das Format sei nur noch eine müde Coverversion, von zunehmend schepperndem Orchester und günstigen Quäksängern vorgetragen. Es ist bitter, aber vielleicht ist da was dran: Die zentralen Geschehnisse von Tag vier kommen einem tatsächlich verdammt bekannt vor.

Das ist passiert: Kattia und Daniele unterhalten sich über das musikalische Oeuvre des inzwischen rechtschaffen grauhäutigen Jüngelchens, da springt Kattia plötzlich auf und reißt sich die Hose vom Leib, als hätte überraschend der Bachelor geklingelt: "Ich wurde gebissen von so vielen Dingen, au-au, oh, mein Arsch! Siehst du was, siehst du was?", hält sie dem von so viel Fleischlichkeit überforderten Daniele ihren Pöter hin.

Kennt man von: Wenn man sehr alt ist, aus "Klimbim", wenn man mittelalt ist, aus Jodeldirndl-Bumsefilmchen. Vielleicht wäre eine Softporno-Reihe eine schöne Erweiterung der Produktlinie, wenn das Dschungelcamp in 20 Staffeln wirklich niemanden mehr juckt. Mögliche Titel: "Dr. Bob bittet zur Schluckimpfung", "Wer fummelt da im Schabentrog?" und "Der Lustteich der Tati Mabusen".

Das ist passiert: Matthias muss zur Dschungelprüfung in eine mit Ekelfleisch ausgekleidete Version des Weißen Hauses, muss in Gekröse wühlen, Tieraugen lutschen und, die völlige Hölle: an Tauben vorbeigehen. "Ich hab mir das ein bisschen anderster vorgestellt", kreischt Matthias, annersch, quasi, bejubelt am Ende dann aber seine fünf Sterne mit einer hübschen Selbstbeklatschung, die wir sofort alle in unseren Alltag integrieren sollten: "Rokoko-Appläuschen!"

Kennt man von: "Die Vögel". Bitte unbedingt zügig ein Remake davon drehen, wie der flatterphobe Matthias auf der Flucht vor pinken Hakengimpeln, Rosalöffeln und einer blutdurstigen Flamingo-Gang quiekend durch sein heimisches Hammelburg hetzt. Das Fatale dabei: Es gibt keine schützenden Telefonzellen mehr.

Das ist passiert: Ego-Restauratöse Natascha muss wieder Aufbauarbeit bei Jenny leisten. Als die Camper sich selbst in den Kategorien Erfolg, Intelligenz und Schönheit bewerten sollten, war Jenny zwei Mal ganz hinten gelandet. "Ich hab 'nen eigenen Onlineshop, ich bin so fleißig!", schluchzt die sich fehlerhaft etikettiert fühlende Jenny, "mit Schmuck und Handyhüllen und so". Und mit kaum gruseligen Pappmasken von ihrem Gesicht. Natascha gibt ihr und Giuliana eine weitere kostenlose Stunde ihres beliebten Präsentationstrainings: Es reicht nicht, Schrott zu fabrizieren, man muss auch darüber reden.

Kennt man von: Das Ochsenknecht'sche Mädchenbildungswerk erinnert schwer an die höheren Töchterschulen aus dem 19. Jahrhundert - nur, dass es sich in der Dschungelversion um eine Schule für hohlere Töchter handelt.

Das ist passiert: Sydney entschließt sich in einer Lachpause mal wieder, dass er das Camp verlassen will: Er sei zwar ein Mann, keine Memme, habe aber so starke Gefühle für seine Frau, dass er nicht mehr ohne sie könne, schluchzt er im Dschungeltelefon. Auf dem Weg zurück wird er von Tina abgepasst, die ihm gut zuredet: "Du bist einer der Liebsten, du kannst nicht gehen!" Und Sydney, der Quartalsflenner, beschließt mit Kippstimme: "Ich bleibe!"

Kennt man vom: Saufen. Wenn beim schönsten Zechexzess der erste Besuffski im Morgengrauen überstürzt zum Aufbruch rüstet und er von seinen Trinkkumpanen mühsam wieder eingefangen werden muss, wird dies in ähnlich weinerlichem Singsang verhandelt wie bei Sydney. Innovativ ist allerdings sein Dialog mit Matthias, für den man sich wohl schon nahe an die Bewusstlosigkeit trinken müsste.

Sydney: Ich bleibe.

Matthias: Ach nein, bleib doch da!

Sydney: Ich bleibe.

Matthias: Nein, bleib da!

Das ist passiert: Die ausgezehrte Tina hat vier Weintrauben gegessen und muss danach im Stechschritt zum Klo hasten. Von der Schüssel kommentiert sie das Geschehen für die draußen wartende Sandra: "Au weia! Jetzt geht's los, oh Gott, jetzt geht's richtig los!"

Kennt man von: Schwermütigen, ihres Animationsjobs überdrüssigen Ansagern auf der Kirmes, die die Besucher für die nächste Runde "Wilde Maus" aufpeitschen sollen.

Einen Innovationspreis gibt es in dieser Folge allerdings auch zu vergeben: An das musikalische Schnittgenie, das das Lied "I wanna destroy something beautiful" von Josh Woodward auf Tatjanas ruhendes Fiesface in Großaufnahme legte.


Quelle: spiegel.de