Pal Dardai Herthas Lehrer wird zum Schüler

Schick sieht sie aus, die aufgestickte Hertha-Fahne mit goldener Umrandung zum 125. Vereinsgeburtstag. Sie leuchtet auf der Trainingsjacke von Hertha-Coach Pal Dardai, der bislang eine glänzende Amtszeit hinlegte. Doch jetzt kommt seine Euro-Reifeprüfung.

Der Ungar ist ein Mensch, für den das Glas immer halb voll ist, nie halb leer. Der Optimist ist deswegen aber kein Träumer. Er weiß, dass diese Saison, die im stolzen Jubiläumsjahr seines Klubs startet, eine Mammutaufgabe wird. „Ich bin ein junger Trainer, der noch lernen muss“, sagt er ehrlich. Dieses Selbsteingeständnis ohne Eitelkeit brachten ihn und Hertha seit seinem Amtsantritt im Februar 2015 zurück in die Erfolgsspur. 2015 Klassenerhalt, 2016 Rang 7 – und jetzt Platz 6, Teilnahme an der Europa League.

Dardai wiederholt den Satz auch jetzt, nach zweieinhalb Jahren als Bundesliga-Chefcoach. Die Europa League wird neue Erfahrungen bringen, mehr aber auch nicht. Die Basisaufgabe bleibt die Bundesliga. Die Blau-Weißen teilen das Schicksal mit rund zwölf anderen Klubs, die erst mal um den Klassenerhalt kämpfen. Dieses Jahr wird es noch härter. Größere Vereine wie Schalke, Leverkusen oder Gladbach haben keine internationale Doppelbelastung, Hertha schon.

„Die Vorbereitung bleibt im Sommer, wie sie ist“, sagt Dardai. Doch dann erklärt er: „Das Wichtigste ist: Wie machst du es mit den Reisen, wie mit der Regeneration? Wie machst du es mit der Rotation, damit keiner beleidigt ist?“

Pokalspiel in Rostock, Bundesliga-Auftakt gegen Stuttgart, dann in Dortmund, dann gegen Bremen und dann ist der 16. September. Nach acht Jahren wird Hertha wieder international spielen. Gegen wen es in der Gruppenphase der Europa League geht, wird am 25. August ausgelost. Danach geht es in der Bundesliga nach Hoffenheim.

„Es wird sehr viele Reisen geben. Das ist das Schwierigste. Das habe ich damals auch als Spieler gespürt. Wie erholt man sich am schnellsten? Fährst du sofort nach Hause, bleibst du noch eine Nacht im Hotel?“ – diese Fragen stellt sich Dardai jetzt.

Antworten will er mit seinem Trainerteam im Camp in Bad Saarow finden. „Das alles müssen wir absprechen. Ich bin ein junger Trainer, das wird eine Herausforderung für mich, alles pädagogisch, spielerisch, taktisch zu lösen. Ich werde wieder eine Menge lernen.“ Dazu hat der Ungar noch jede Menge junge Spieler im Team, denen noch viel beigebracht werden muss. Dardai ist der lernende Chefausbilder des Klubs. Doch auch das wird er packen. Und vielleicht glänzt dann irgendwann in der Zukunft nicht nur die Fahne auf der Trainingsjacke, sondern eine Trophäe in Dardais Händen.


– Quelle: http://www.berliner-kurier.de/27913874 ©2017