Seit Wochen schon ist es das gleiche Bild. Nach den Spielen des VfB kommt Matthieu Delpierre aus der Kabine, presst die Lippen zusammen, senkt den Blick und schüttelt den Kopf. Interviewwünsche lehnt der Kapitän kategorisch ab. Dabei gäbe es einiges zu besprechen. Seine aktuelle Situation etwa - und seine Zukunft. Delpierre ist zur sportlichen Randnotiz verkommen - und es ist zumindest fraglich, ob der Franzose überhaupt noch einmal eine tragende Rolle beim VfB übernehmen wird.
Nach Beendigung seiner Rotsperre vor zweieinhalb Monaten sitzt Delpierre nur noch auf der Bank. Der Kapitän musste das Ruder abgeben. Serdar Tasci und Georg Niedermeier haben ihm in der Innenverteidigung den Rang abgelaufen. Sie haben das Steuer übernommen und sind mitverantwortlich dafür, dass der VfB zwei Spieltage vor Saisonende in ruhigere Fahrwasser geraten ist und vor dem Klassenverbleib steht.
Die Situation frustriert Delpierre, das ist klar. Jetzt lautet die Frage, ob der VfB seinen Kapitän überhaupt noch braucht. Denn wenn für ihn in einer so prekären Lage im Kampf gegen den Abstieg keine Verwendung mehr ist - wann soll sie dann noch da sein? Geht Delpierre, dessen Vertrag 2012 ausläuft, schon im Sommer von Bord?
Die Verantwortlichen führen in der Öffentlichkeit keine Personaldiskussionen. Sie wollen keine Unruhe innerhalb des Teams aufkommen lassen, solange der Klassenverbleib nicht gesichert ist.
Sportdirektor Fredi Bobic betont nur, dass Delpierre weiter wichtig für das Team sei: "Er ist sich seiner Rolle als Kapitän bewusst, bringt sich voll ein und hat Gewicht in der Mannschaft." Mittelfeldspieler Christian Träsch, der in der Freizeit häufig etwas mit Delpierre unternimmt, beschreibt das so: "Vor dem Spiel und in der Halbzeit macht er uns heiß, er versprüht immer großen Optimismus in der Kabine, er hilft uns enorm. Natürlich würde er gerne spielen, aber er lässt sich nicht gehen, das zeichnet ihn als Typ aus."
Bei aller Lobhudelei über Charakter und die Qualität - in dieser Saison ist Delpierre selten positiv aufgefallen. Das Verletzungspech machte ihm zu schaffen, klar. Die ersten drei Spieltage verpasste er wegen Patellasehnenproblemen, zu Beginn dieses Jahres litt er unter Adduktorenproblemen.
Wenn Delpierre fit war, überzeugte er aber zumeist nicht. Er spielte unsicher und fahrig. Zudem erwies er seinem Team zweimal einen Bärendienst. Sowohl in der Vorrunde als auch in Rückrunde flog er gegen Eintracht Frankfurt vom Platz - in der Vorrunde wegen eines üblen Fouls gegen Patrick Ochs. Im Rückrundenspiel ließ er sich dann zu einer Tätlichkeit gegen den als Provokateur bekannten Maik Franz hinreißen. Der VfB gewann ohne Delpierre 2:0. Das Spiel bei der Eintracht am 24. Spieltag sollte das bisher letzte von Delpierre von Beginn an gewesen sein. Der DFB sperrte ihn für drei Spiele - drei Spiele, die Niedermeier und Tasci genügten, um den Franzosen aus der Startelf zu verdrängen.
Deshalb stellt sich die Frage, ob der VfB Delpierre diesen Sommer abgeben will, bevor er ein Jahr später ablösefrei wechseln könnte. Das Problem ist, dass es derzeit wohl kaum einen Abnehmer für den Franzosen gibt, der dessen üppiges Gehalt (geschätzte 2,5 Millionen Euro pro Jahr) zahlen will. Französische Medien berichten jetzt vom Interesse des OSC Lille, derzeit Tabellenführer in der Ligue 1 und von 1996 bis 2004 schon Delpierres Club. Lilles Innenverteidiger Adil Rami wechselt zur kommenden Saison zum FC Valencia. Delpierre soll ihn den Berichten zufolge ersetzen. Seine Zukunft beim VfB, sie ist offener denn je.
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