Aargauer Zeitung vom 06.02.2009
«Wegen des EM-Titels nimmt dich keiner»
FC Basel Christian Schlauri war mit 17 Europameister › beim FCB waren Rakitic und Kuzmanovic besser
Mit 17 Jahren war Christian Schlauri einer der Helden, die Frankreich im U17-EM-Final besiegten. Heute, bald sieben Jahre später, spielt er in der Challenge League bei Schaffhausen und träumt von der Super League.
Etienne Wuillemin
Man schreibt den 10. Mai im Jahre 2002. Elf tapfere Schweizer Junioren gewinnen den bis anhin einzigen Titel einer helvetischen Fussballnationalmannschaft. Die U17-Auswahl besiegt im Finale der Europameisterschaft Frankreich im Penaltyschiessen. Zuvor wird im Halbfinal England mit Superstar Wayne Rooney 3:0 gedemütigt.
Elf tapfere Schweizer sorgen für ein veritables Sommermärchen › schon vier Jahre, bevor das Wort nach der WM 2006 in Deutschland so richtig in Mode kommt. Mitten drin statt nur dabei ist neben heutigen Stars wie Senderos, Barnetta oder Ziegler auch Christian Schlauri. Der Thurgauer zieht im defensiven Mittelfeld der Schweizer die Fäden. Spricht Schlauri rückblickend über seinen ehemaligen Captain Philippe Senderos, gerät er ins Schwärmen: «Schon damals war Philippe ein extremer Leader. Zielgerichtet, voller Entschlossenheit und mit unbändigem Willen. Er war mit 17 ein erwachsener Mann. Wenn er etwas gesagt hat, haben alle hingehört.» Die Attribute, die er Senderos zuspricht, besitzt Schlauri zu dieser Zeit nicht. «Für mich war Fussball auch Spass, manchmal auch lustig. Ich habe mir zwar Ziele gesteckt, aber nicht konkret jeden Tag darauf hingearbeitet. Ich habe damals gedacht, es gehe von selbst.»
Ging es nicht. Aus dem Junior Christian Schlauri wird ein aktiver Fussballer beim FC Winterthur in der Challenge League. Ein grosser Schritt. «Auf einmal ist man kein Kind mehr, die Anforderungen an einen werden anspruchsvoller und es geht um Geld.» Nach eineinhalb Jahren in Winterthur wechselt Schlauri zur U21 von Basel in die 1. Liga. Dank Trainer Heinz Herrmann ist der Schritt zurück in die 1. Liga gleichwohl einer vorwärts. «Vieles wurde in Basel besser. Besser, aber noch nicht gut genug», sagt er. Er trainiert einige Male mit der ersten Mannschaft des FCB, merkt aber schnell, dass es für ihn nicht reicht. «Meine Konkurrenten waren Rakitic und Kuzmanovic. Christian Gross setzte auf diese beiden › zu Recht, wie man sieht!» In den Worten von Christian Schlauri schwingt weder Neid noch Reue mit. Es ist einzig die Erkenntnis, dass «jedem das gebührt, was er auch zu leisten bereit ist».
Ende März wird Christian Schlauri 24 Jahre alt. Nach seinem Abstecher bei Basel ist er wieder in der Challenge League angekommen. Zuerst bei Concordia Basel, seit eineinhalb Jahren nun bei Schaffhausen. Ruhig und besonnen erklärt Schlauri, dass er im Nachhinein in seiner Karriere einiges anders machen würde, wohlwissend, dass die Vergangenheit nicht zu ändern ist und nur die Zukunft zählt. Für diese hat er einen Traum: die Super League. Bei welchem Klub, sei nebensächlich.
Für diesen Traum ist er bereit, aus seinen Fehlern zu lernen. Mittlerweile spielt Schlauri auf der Position des linken Aussenverteidigers. «Die Mitte hat mehr Spass gemacht, aber hinten links sehe ich das grössere Potenzial für meine Karriere.» Dies ist ein Beispiel dafür, dass Schlauri den nötigen Biss gefunden hat, sein Ziel tagtäglich vor Augen sieht. Die Vergangenheit hilft ihm jetzt nicht mehr weiter. «Nur wegen des EM-Titels nimmt dich keiner», sagt er. Dafür helfen Schlauri seit einem halben Jahr ein Mentaltrainer, den er bis zu zweimal im Monat sieht, und vermehrte Besuche im Fitnessstudio. Sein Agent Dino Lamberti hat festgestellt: «Christian ist wie verwandelt.» Lamberti stellt gegenwärtig eine DVD von Schlauri zusammen und berichtet von mehreren Interessenten aus der Super League › in einem Fall gar fortgeschrittener Natur. Der Weg für das persönliche Sommermärchen des Christian Schlauri ist gezeichnet.
Sechs Profis › sechs schicksale. Nicht jedes hoffnungsvolle Talent schafft den Sprung zum Fussballmillionär. Im Hinblick auf die Rückrunde, die am Samstag mit dem Verfolgerduell Young Boys - Basel und der Partie zwischen Vaduz und Aarau beginnt, porträtiert die Mittelland Zeitung in einer Serie sechs Schweizer Fussballer, denen eine grosse Zukunft prophezeit wurde. Wir zeigen, welchen Weg die einstigen Jungstars eingeschlagen haben. Und was zum Karriereknick geführt hat. Morgen: der Crashpilot aus Zürich