Eine „ganz normale“ Standpauke
Trainer Schaaf liest seinen Profis vierzig Minuten lang die Leviten, Aigner versucht, Zuversicht zu verbreiten, und Kadlec irritiert Sportdirektor Hübner. Zu hören war Thomas Schaaf nicht. Aber es reichte, den Trainer der Frankfurter Eintracht auf dem Trainingsplatz neben der Weltmeisterschaftsarena aus der Ferne zu beobachten, um zu wissen, was los war. Seine Mannschaft um sich herum versammelt, redete sich Schaaf am Dienstag sichtbar in Rage. Immer wieder machte er angriffslustig zwei, drei Schritte nach vorne. Dabei zeigte er energisch mit ausgestrecktem Arm in verschiedene Richtungen in die Runde. So, als würde der Dreiundfünfzigjährige einzelne Spieler auch direkt ansprechen. Es war größtenteils ein hitziger Monolog mit wohl reichlich Vorwürfen und Verbesserungsvorschlägen des Trainers bei dessen verbaler Aufarbeitung des 0:3 in München. Und seine Spieler, von denen ein paar schon verhalten Lockerungsübungen machten, brauchten beim Rapport viel Geduld. 40 Minuten dauerte die impulsive und gestenreiche Ansprache ihres Chefs. Vielen Beobachtern schien das ein neuer Höchstwert zu sein. Aber Schaaf sagte nach der Einheit: „Das war nicht die längste Ansprache.“ Und „außergewöhnlich“, meinte er, sei sie auch nicht gewesen. Na, denn.
„Der Trainer ist immer emotional dabei“, sagte Stefan Aigner. Wie Schaaf wollte der Flügelspieler aber kein Aufhebens machen um den aufrüttelnden Einstieg des Trainers in die neue Trainingswoche. Von einer „ganz normalen Besprechung“ sprach Aigner. „Der Trainer hat das Bayern-Spiel analysiert und angesprochen, was wir besser machen müssen.“ Kein Wunder, dass das gedauert hat. Schließlich war der Frankfurter Leistung gegen den designierten deutschen Meister kaum etwas abzugewinnen. Der mutlose Auftritt passte in das Bild von einer oft auch viel zu zaghaften Mannschaft, die sich mit ihren Unzulänglichkeiten selbst im Weg steht. Trotzdem versuchte Aigner drei Tage vor dem Heimspiel an diesem Freitag (20.30 Uhr) gegen Borussia Mönchengladbach Aufbruchstimmung zu erzeugen. Er sagte: „Wir haben die Chance, einen Sprung nach vorne zu machen. Diese Chance müssen wir nutzen. Denn in der Tabelle hat sich nicht groß etwas verändert.“
Womit Zambrano liebäugeltFür das Vorrücken auf den sicheren Europa-League-Platz sechs müsste der Tabellenachte aber ein paar Spiele nacheinander gewinnen. Dessen ist sich auch Aigner bewusst. Nur zu dieser Konstanz und Zielstrebigkeit waren die Hessen in den vergangenen Wochen nicht in der Lage. Insofern ist das reines Wunschdenken. Doch Aigner will nicht noch mehr Punkte „herschenken“, weil es schon zu viele gewesen seien. Allerdings musste der Siebenundzwanzigjährige das Trainingsspiel am Dienstag abbrechen – aufgrund einer Muskelverhärtung im Oberschenkel. „Ich hoffe nicht, dass es etwas Schlimmes ist“, sagte Aigner. Schaaf wertete den Rückzug des Spielers als reine Vorsichtsmaßnahme.
An der Seite von Carlos Zambrano drehte Aigner dann noch ein paar Runden um den Trainingsplatz. Der Abwehrchef würde nach seinem in der zurückliegenden Woche erlittenen Muskelfaserriss gerne wieder voll ins Training einsteigen. Davor ist jedoch eine Kontrolluntersuchung beim Arzt erforderlich. „Ich fühle mich gut“, sagte der Peruaner. Er liebäugelt sogar mit einem Einsatz gegen Gladbach. Diese Hoffnung aber sollte sich Zambrano nicht machen, denn Schaaf hielt am Dienstag dessen Einsatz für ausgeschlossen. „Wir sind froh, dass Carlos wieder im Lauftraining ist“, sagte er. „Aber wer sein Tempo bei den Runden gesehen hat, weiß, dass bei ihm noch keine große Belastung möglich war.“
Trainingsstart für Alexander Meier wird wohl frühestens zu Beginn der kommenden Saison sein. Der Torjäger ist am Dienstag in der Baseler Rennbahnklinik am rechten Knie operiert worden. Den Eingriff, der nach Eintracht-Angaben erfolgreich verlaufen ist, nahm sein Arzt des Vertrauens, Bernhard Segesser, vor. Mindestens drei Monate wird Meier nun den Frankfurtern fehlen. „Das ist ein herber Verlust“, sagte Aigner. „Alex hätte sicher noch zwei bis drei Tore gemacht.“ Mit 19 Treffern führt Meier die Bundesliga-Torschützenliste an. „Wir werden ihn nicht nur wegen seiner Tore, sondern insgesamt aufgrund seiner Präsenz auf dem Platz vermissen“, sagte Schaaf. Anstelle von Meier könnte auch im Duell mit den Gladbachern Nelson Valdez spielen.
Vaclav Kadlec ist schon länger keine Option mehr für Schaaf. Und den Mitte Februar an den tschechischen Tabellenzweiten Sparta Prag ausgeliehenen Angreifer zieht es offenbar nicht mehr zurück nach Frankfurt – trotz seines Vertrags bis Juni 2017. „Ich würde mich gerne woanders hin entwickeln als nach Frankfurt. Aus irgendeinem Grund habe ich bei der Eintracht keine großen Sympathien.“ Und weiter: „Ich persönlich glaube nicht recht daran, dass sich in Frankfurt etwas ändern wird und ich mehr Chancen bekommen würde zu spielen.“ So wird Kadlec in dem tschechischen Magazin „gol“ zitiert. Er hakt die Eintracht offenbar ab. Bruno Hübner nahm dessen Aussagen derweil mit Verwunderung auf. Der Eintracht-Sportdirektor sagte: „Es gibt eine klare Vereinbarung, dass Vaclav im Sommer wieder zurückkommt. Daran hat sich nichts geändert.“ In sieben Begegnungen für Prag erzielte Kadlec vier Tore. In Frankfurt hingegen gelang ihm noch nicht der Durchbruch – und das, obwohl er bei seiner Verpflichtung im Jahr 2013 als Königstransfer galt.
Quelle: faz