Nach der Pleite von Nürnberg

Alarmstimmung bei der Eintracht

Abstiegsängste statt Europa-Träume nach der Niederlage in Nürnberg: In Frankfurt geht es drunter und drüber. Wie lange steht der Klub noch zu Trainer Skibbe?

Natürlich wurde auch die Frage nach Michael Skibbe gestellt. „Gibt es irgendwann den Punkt, wo man auch über den Trainer nachdenken muss?“ Heribert Bruchhagen schaute den Reporter verständnislos an, schwieg - und beendete die Konversation. Die Lage der Frankfurter Eintracht ist prekär, sehr prekär sogar, und sie hat sich mit der neuerlichen Niederlage weiter verschärft. Wie schon in der Vorwoche gegen Bayer Leverkusen hieß es auch diesmal 0:3. Nun war der glänzend in die Rückrunde gestartete 1. FC Nürnberg an der Reihe, der Eintracht drei empfindliche Stiche zu versetzen, deren Schmerzen über den bitteren Freitagabend hinaus wirken dürften. Und es war Bruchhagen, der in Personalunion tätige Vorstandschef und Manager, der sich in seiner Rolle als Mahner und Warner bestätigt sah. „Ich mache mir große Sorgen. Ich habe die Dinge bei der Eintracht nicht rosig gesehen. Schon vom ersten Spieltag an habe ich vor zu viel Optimismus gewarnt.“

Dass während der Woche die Posse um den zeitlich suspendierten Ioannis Amanatidis die Schlagzeilen bestimmt hatte, spielte rund um die Aufbereitung der zweiten Rückrundenniederlage keine Rolle mehr. Nicht der formal beigelegte Streit der beiden Alphatiere Skibbe und Amanatidis stand im Fokus. Es war vielmehr die Erkenntnis, die sich erstmals öffentlich und in aller Schärfe Bahn brach: Abstiegskampf. Eintracht-Coach Skibbe, „tief enttäuscht“ über den sechsten torlosen Auftritt in Folge, wollte sich der bedrohlichen Krise nicht verschließen. „Wir wissen nicht erst seit heute, dass wir im Abstiegskampf angekommen sind.“ Abstiegsängste statt Europa-Träume.

Fünfzig-Punkte-Marke in weiter Ferne

Erstaunlich, wie schnell sich am Fußball-Standort Frankfurt die Lage gedreht hat. Vor exakt zwei Monaten noch sorgte Theofanis Gekas mit seinem Siegtreffer gegen den mutmaßlichen neuen Meister Borussia Dortmund für vorweihnachtliche Hochgefühle. Schnell wurde der Rechenschieber herausgeholt und verkündet, dass man mit dieser Mannschaft die avisierte Fünfzig-Punkte-Marke knacken könne. „Wir trauen uns das zu“, sagte Skibbe. Acht Wochen später: Die Eintracht hat ihrem Konto einen einzigen kümmerlichen Zähler (0:0 in Freiburg) hinzugefügt. Ansonsten gab es stets Niederlagen - die eine schmerzhafter als die andere.

Die jüngste in Nürnberg tut besonders weh, da keinerlei Tendenzen der Besserung zu erkennen waren. In neunzig Minuten wurde lediglich dreimal auf das „Club“-Tor geschossen. „Insgesamt war das natürlich viel zu wenig“, bemängelte der erschrockene Vorstandschef Bruchhagen. „Es war eine deprimierende Niederlage, bei der wir zumindest in der ersten Halbzeit den Laden noch einigermaßen zusammengehalten haben.“ Seine einzige Hoffnung auf schnelle Besserung: „Die Mannschaft muss durch intensives Training zu einer Formation finden.“ Eine Aufgabe, die dem dafür verantwortlichen Übungsleiter obliegt.

Ein Mini-Trainingslager?


Gemeinsam mit seiner verunsicherten und wie paralysiert wirkenden Mannschaft steht Skibbe vor einer „langen Trainingswoche“. Erst am kommenden Sonntag wird wieder gespielt. Im Kampf um den Verbleib in der Bundesliga stellt sich Angstgegner VfB Stuttgart in Frankfurt vor. „Ein absolutes Schlüsselspiel“, weiß Skibbe. „Wie auch das nachfolgende Spiel gegen Kaiserslautern. Von diesen beiden Begegnungen geht eine unheimliche Signalwirkung aus. Da müssen wir unbedingt punkten.“ Und falls nicht? Steht dann der Trainer zur Disposition? Skibbe will es nicht so weit kommen lassen. Der 45 Jahre alte Coach weiß, dass er handeln muss. „Deshalb werden wir wohl auch mit der Mannschaft zwei, drei Tage zusammen etwas machen“, kündigte er an.

Hört sich nach einem Trainingslager an, um die verborgen geglaubten schlummernden Kräfte „mit psychologischen und taktischen Maßnahmen“ zu wecken. Von seinem Chef erhält er dabei Rückendeckung. Dennoch bezweifelt Bundesliga-Kenner Bruchhagen, dass per Knopfdruck damit die Krise gelöst werden kann. „Brandreden, Trainingslager - das sind doch keine Patentrezepte“, sagte er. Seiner Ansicht nach „gibt es nur ein Patentrezept: sich in höchstem Maße zu konzentrieren und alles, aber auch alles in das Training zu investieren“. Bruchhagens Hoffnung: „Jeder muss sich die Ernsthaftigkeit der Lage selbst klarmachen. Es geht nur über Leistungssteigerung von Spielern.“

Der stürmische Grieche

Spieler, von denen beim 0:3 in Nürnberg längst nicht alle an ihre individuellen Grenzen gekommen sind. Eine der löblichen Ausnahmen: Jungprofi Sebastian Rode. Nach seinem formidablen Auftritt vor einem Monat in Hamburg gewährte ihm Skibbe eine zweite Chance. Und der Mann von der Bergstraße nutzte sie. Mit Dynamik, Power und Leidenschaft rannte Terrier Rode und erzielte sogar ein technisch anspruchsvolles Tor, das aber wegen einer Abseitsstellung nicht anerkannt wurde. „Sebastian hat das wirklich sehr gut gemacht“, lobte Skibbe. Doch sonst? Torwart Oka Nikolov sah beim wegweisenden 0:1 aus 28 Metern alles andere als gut aus, übte aber immerhin Selbstkritik: „Den sollte man schon halten.“ Mittelfeldstürmer Halil Altintop ist nur ein Schatten alter Tage. Theofanis Gekas lauert allein auf weiter Flur auf Chancen, die es seit Jahresbeginn nicht mehr gibt. Und auch Kapitän Patrick Ochs sucht verzweifelt nach der Form. Kommentieren wollte er den neuerlichen Tiefschlag nicht. „Ich habe nichts zu sagen. Es hat doch jeder selbst gesehen, was auf dem Platz passiert ist.“

Der Absturz zehrt an den Nerven. „All das kann ich gar nicht in Worte fassen“, sagte ein deprimierter Ioannis Amanatidis. Gemeinsam mit Martin Fenin war der stürmische Grieche in der 72. Minute in die Partie gekommen, konnte aber nichts Substantielles beisteuern. „Wir müssen jetzt irgendwie da unten rauskommen“, sagte er fast flehentlich. Sein Rat: „Die Typen in der Mannschaft müssen sich jetzt zusammenraufen.“ Viele freilich gibt es nicht davon. Amanatidis, der ehemalige Kapitän, ist einer von ihnen. Die Krise macht es möglich: Vor einer Woche noch auf die Tribüne verbannt, ist der einstige Anführer im offiziell ausgerufenen Abstiegskampf wieder zu einer gefragten Adresse geworden.


Quelle: FAZ