Drei EM-Helden sind nicht dabei
Der überraschende EM-Kader und Stephans Kritik am Bundestrainer

Handball-Bundestrainer Christian Prokop sorgt mit seinem EM-Kader für Verwunderung. Der frühere Welthandballer Daniel Stephan schätzt die Nominierung zumindest als riskant ein. Vor allem der Verzicht auf Abwehrboss Finn Lemke überrascht. Eine Hintertür bleibt ihm und den anderen dennoch.

Nicht nur bei Finn Lemke saß [Linked Image] der Schock tief. Der Abwehrchef war einer der überragenden Akteure beim sensationellen EM-Erfolg der deutschen Handballer 2016 - bei der Mission Titelverteidigung in Kroatien muss er aber genau wie Fabian Wiede und Rune Dahmke zunächst zuschauen. Alle drei Europameister strich Bundestrainer Christian Prokop überraschend aus seinem 16-köpfigen EM-Aufgebot. "Der Hauptgrund für die Entscheidungen ist ein taktischer. Weil an Einsatz, Hingabe und Auffassungsgabe hat es nicht gemangelt", sagte Prokop. Ihr endgültiges Aus für das am 12. Januar beginnende Turnier ist das aber noch nicht.

SCHOCK: Lemke galt als Abwehrboss der DHB-Auswahl und war nicht nur beim Sieg im EM-Finale gegen Spanien 2016 einer der zentralen Spieler. Jetzt muss der mit 2,10 Metern größte Spieler des DHB-Teams erstmal zu Hause bleiben. Auch die Nichtberücksichtigung von Wiede kam unerwartet. "Das war die schwierigste Entscheidung meiner bisherigen Amtszeit", sagte Prokop. Wenig überraschend war dagegen, dass der Bundestrainer auch Youngster Marian Michalczik und Linksaußen Dahmke zunächst daheim lässt. Jedem von ihnen bleibt aber eine Hintertür.

Der frühere Welthandballer Daniel Stephan schätzt Prokops Nominierung als riskant ein. Vor allem die Nicht-Berücksichtigung von Lemke und Wiede sieht er problematisch. "Wenn diese Entscheidungen nicht zum erhofften Erfolg führen, kann das natürlich für ihn zum Bumerang werden", sagte Stephan dem sid: "Viele verstehen diese Kaderplanung nicht so ganz." Lemke sei schließlich "wesentlicher Bestandteil und der Motor der alles überragenden Abwehr des deutschen Teams", Rückraumspieler Wiede könne "auch mal von neuneinhalb Metern Tore erzielen", so Stephan. Vor allem das Fehlen von Abwehrchef Lemke würde einige Spieler im EM-Kader "wahrscheinlich schocken, andere verunsichern".

Bis zu sechs Mal kann Prokop tauschen

NACHNOMINIERUNG: Prokop könnte sie bei Bedarf während des Turniers nach Kroatien beordern. Bereits Anfang Dezember hatte er sein erweitertes EM-Aufgebot von 28 Spielern bekanntgegeben. Bis zu sechs Mal könnte er während der EM aus diesem Aufgebot schöpfen und Spieler entsprechend tauschen. So kann er theoretisch zweimal während der Vorrunde, zweimal während der Hauptrunde und weitere zweimal während des Finalwochenendes tauschen. Entsprechend könnte er auch beliebige Akteure aus seinem 16-köpfigen Aufgebot nach Hause schicken - beispielsweise wenn sich jemand verletzt.

WAHRSCHEINLICHKEIT: Ob Prokop aber tatsächlich jemanden wie Lemke zurückholt, bleibt abzuwarten. Der 39-Jährige favorisiert offenbar flexible Spieler, Lemke überragte im DHB-Team aber bisher als reiner Abwehrspieler. Sollte die Defensive während der EM wackeln, bleibt er eine Option. Wiede würde wohl nur zurückkommen, falls sich Kai Häfner oder Steffen Weinhold verletzen sollten. Theoretisch könnte der Bundestrainer auch Weltmeister Johannes Bitter nachnominieren. Der Torhüter befindet sich ebenfalls im 28er-Aufgebot und stünde bei einer Verletzung von Silvio Heinevetter oder Andreas Wolff bereit.

PAUSE: Für die anderen 16 EM-Spieler beginnt nun ein Kurzurlaub. Bis zum Abflug der DHB-Auswahl am Donnerstag von Berlin nach Zagreb dürfen sie in der Heimat entspannen. "Die sollen Kraft und Energie tanken im Kreis der Familie", sagte der Bundestrainer. "Und ich hoffe, dass es dann eine längere Zeit in Kroatien wird."

Quelle: kicker.de