Remis der Handballer gegen Slowenien Die Defensive probt den Aufstand

Mit Glück hat die DHB-Auswahl im zweiten EM-Spiel ein Unentschieden gerettet. Die Defensive funktionierte lange nicht - dann aber setzten sich die Spieler über ihren Bundestrainer hinweg.

Von Michael Wilkening

Das Eingeständnis von Hendrik Pekeler wäre in einem verrückten und am Ende sogar hochdramatischen Spiel zwischen Deutschland und Slowenien beinahe untergegangen. Dabei war der kurze Einblick in das Miteinander des Kreisläufers der Rhein-Neckar Löwen und Patrick Wiencek vom THW Kiel vielsagend. Im Innenblock der Abwehr, die in jeder Handballmannschaft das Herzstück bildet, hatte in den ersten 30 Minuten des zweiten Gruppenspiels der Handball-EM in Kroatien wenig funktioniert. Dann jedoch trafen Pekeler und Wiencek eine Abmachung.
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"Ich habe mit Bam-Bam (Wienceks Spitzname - d. Red) abgesprochen, dass wir kompakt bleiben. Das wollte Christian anders haben in der ersten Halbzeit", verriet Pekeler. Mit dem Bundestrainer Christian Prokop stimmten sich die erfahrenen Nationalspieler nicht ab.

"Ich glaube, das hat uns den Erfolg gebracht", ordnete Pekeler die Entscheidung der Spieler in der Defensivzentrale beim 25:25-Remis gegen die Slowenen hoch ein. Nach dem Seitenwechsel hatte die Auswahl des Deutschen Handballbundes einen Fünf-Tore-Rückstand aufgeholt. Mit der Leistung konnten sie nicht zufrieden sein.

Zweifel an der Spielidee des Bundestrainers?

Möglicherweise schon in den nächsten Tagen, spätestens aber in den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die Eigenmächtigkeit von Pekeler und Wiencek für den Europameister von 2016 eine Weiterentwicklung bedeutet - oder der Beginn der Entfremdung von der Spielidee des Bundestrainers war. Hätten die Akteure unter Prokop-Vorgänger Dagur Sigurdsson eine solche Entscheidung gewagt? Das ist wohl eine rhetorische Frage.
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Nicht nur die Eigenmächtigkeit der Spieler hatte einen Punkt gerettet, sondern auch die Unbeherrschtheit der Slowenen. "Wir sind sehr glücklich davongekommen, dass wir den Siebenmeter am Ende noch kriegen", sagte Pekeler. Sieben Sekunden vor dem Ende hatte Blaz Janc die 25:24-Führung für den WM-Dritten erzielt und damit den Sieg vermeintlich gesichert. Paul Drux bekam danach den Ball zum Anspiel, hätte in der Kürze der verbleibenden Zeit aber keinen Treffer mehr erzielen können - und wurde durch Blaz Blagotinseks unsinnige Aktion beschenkt, der den Torwurf von der Mittellinie verhinderte. Die regelkonforme Entscheidung der litauischen Schiedsrichter bescherte der DHB-Auswahl einen Strafwurf, den Tobias Reichmann nach Ablauf der Spielzeit zum Ausgleich verwandelte.

"Wir sind heute mit zwei blauen Augen davongekommen", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Es überwogen beim zweiten Auftritt der deutschen Handballer in Zagreb nach dem lockeren 32:19-Aufgalopp gegen Montenegro die negativen Eindrücke. Vor allem in der ersten Halbzeit war das Prokop-Team weit von einer Leistung entfernt, die sie zu einem Medaillentipp machen würde. Im Angriff fehlte gegen die sehr aggressiv verteidigenden Slowenen die Bereitschaft, Schmerzen in Kauf zu nehmen.


Quelle: spiegel.de/sport