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Die Angst der Märkte vor dem Grexit
Die Börsen zeigten sich monatelang unbeeindruckt von den aufreibenden, erfolglosen Verhandlungen mit Athen. Doch nun ist die Nervosität zurück. Dabei müsste sich doch niemand um die europäischen Finanzmärkte sorgen, wenn Griechenland den Euro verlässt.

Ein Kommentar.
14.06.2015, von DYRK SCHERFF

Griechenland ist für die Finanzmärkte kein Thema. Das war monatelang die einhellige Meinung an den Börsen. Und tatsächlich stieg der Dax bis April auch stetig an – ungeachtet der nervenden, erfolglosen Verhandlungen mit Athen. Doch nun ist die Nervosität auch in den Handelssälen zurück. In der vergangenen Woche zeigte sich das besonders gut. Erst stiegen die Aktienkurse, weil es Gerüchte über eine Annäherung gab. Dann fielen sie wieder deutlich, als der Internationale Währungsfonds (IWF) ankündigte, seine Verhandlungsdelegation wegen großer Differenzen mit der griechischen Regierung vorerst abzuziehen.

Das zeigt: Die Börse hört nicht nur auf rationale Argumente. Denn eigentlich müsste sich niemand um die europäischen Finanzmärkte sorgen, wenn Griechenland den Euro verlässt (Grexit). Das Land hat wirtschaftlich keine Bedeutung für den Euroraum, der Euro würde nicht zusammenbrechen, und das befürchtete Übergreifen der Krise auf andere Länder mit Schwierigkeiten wie Portugal, Zypern oder Spanien dürfte vermutlich ausbleiben, weil diese Staaten sich reformiert haben und die Märkte das anerkennen.

Doch die Börse versammelt nicht nur nüchtern emotionslos analysierende Anleger. Sie ist auch eine Ansammlung von Menschen mit Ängsten und Hoffnungen. Die Psychologie hat an den Märkten einen großen Einfluss. Das sieht man jetzt gut. Nichts ist für die Märkte schlechter als Unsicherheit, unabhängig von irgendwelchen ökonomischen Fakten. Und Griechenland sorgt zunehmend für Unsicherheit. Denn die bisher abstrakte Gefahr eines Grexit wird immer wahrscheinlicher. Niemand weiß, was bei einem Ausscheiden eines Landes aus dem Euro passiert. Das gab es so noch nicht. Klar, die Tschechoslowakei hat sich in den 1990er Jahren einmal in zwei Länder mit verschiedenen Währungen aufgeteilt, ohne dass es zu Turbulenzen kam. Aber das ist nicht vergleichbar.

Niemand weiß, ob nicht doch spekuliert würde, welche Banken und Versicherungen, welche Hedgefonds unter einer Griechenland-Pleite leiden würden. Ob nicht doch die Renditen von Staatsanleihen in Portugal und Spanien steigen würden. Auch die Folgen einer Lehman-Pleite hielt man für überschaubar und unterschätzte den folgenden Vertrauensverlust der Banken untereinander. Für Anleger heißt das: Schaut nicht nur auf Fakten, sondern bedenkt auch die Psychologie an den Märkten. Das bedeutet derzeit: Vorsichtig bleiben. Bis eine Entscheidung zu Athen gefallen ist.

Quelle: faz.net