Kreiszeitung 10.03.2008

Es ist so weit: Werder benötigt das Fernglas


Sieben Punkte hinter den Bayern: Allofs hakt Titelrennen ab / Naldo schlägt Alarm

Von Carsten Sander

Neue Beiträge für den Briefkopf sind von den Bremern deshalb in dieser Saison nicht mehr zu erwarten. Im DFB-Pokal kam das Aus gegen Borussia Dortmund, im UEFA-Pokal droht das Scheitern gegen die Glasgow Rangers. Und im Titelrennen passierte nun in Stuttgart der wohl entscheidende Stolperer. "Von der Meisterschaft müssen wir jetzt jedenfalls nicht mehr reden", stöhnte Sportdirektor Klaus Allofs, der sogar noch Schlimmeres befürchtet, "wenn wir so weiterspielen. Dann wird auch die Qualifikation für die Champions League ganz schwierig."

Obwohl die 0:2-Pleite bei den Glasgow Rangers erst 40 Stunden zurücklag, drehte Werder in Stuttgart zunächst voll auf. Doch sowohl nach der frühen Führung durch Hugo Almeida (9.) sowie dem zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich durch Sebastian Boenisch (60.), gingen die Bremer keineswegs auf Nummer sicher. Sondern rannten geradewegs ins Verderben. Mario Gomez (20./43./65.) sowie Cacau (66./87.) und ein Eigentor von Per Mertesacker stellten eine Partie auf den Kopf, in der die Gäste zwar 27:9 Torschüsse, 54 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 62 Prozent Ballbesitz verbuchten. In der sie aber keinen Gedanken an wirkungsvolle Abwehrarbeit verschwendeten. Fünf von sechs Gegentoren resultierten aus Kontern. Wie kann das bloß passieren?

Klaus Allofs verstand es auch nicht. "Naiv, fahrlässig, undiszipliniert" - das waren die Vokabeln, die er am häufigsten bemühte, um das Verhalten der Mannschaft zu erklären: "Die Bereitschaft für den Rückwärtsgang muss vorhanden sein. Man muss auch mal dazwischenfetzen, kompromisslos in den Zweikämpfen sein."

Nichts davon zeigte Werder beim VfB. Folge: Naldo sah sich mit seinem Nebenmann Mertesacker immer wieder einer Übermacht an gegnerischen Spielern ausgesetzt. "Darüber müssen wir reden", forderte der Brasilianer.

Gemeinsam mit Mertesacker will er das Thema heute bei der Nachbesprechung aufs Trapez bringen. Naldo: "Diese Woche war eine Scheiß-Woche. Ich werde ansprechen, was bei uns falsch läuft."

Bei einer Diskussion über das System werden die beiden Abwehr-Türme aber auf taube Ohren stoßen. Zumindest bei Trainer Thomas Schaaf und Klaus Allofs. Letzterer stellte fest: "Es ist keine Frage des Systems, sondern der Bereitschaft, den Gegner auch zu bekämpfen. Wir haben nur mit Herz, aber nicht mit Verstand gespielt." Schaaf, der im Gegensatz zu seinem Sportdirektor die Meisterschaft trotz der Rückrunden-Zwischenbilanz von drei Niederlagen in sechs Spielen nicht abschreiben will ("Wir ändern jetzt nicht unsere Ziele, wir haben in dieser Saison noch einiges vor"), wollte von einer grundsätzlich falschen Taktik ebenfalls nichts wissen: "Wir haben Fehler gemacht. Aber niemand hat die Maßgabe ausgegeben, ohne Ende auf Risiko zu spielen."

Genau das hatte Werder jedoch gemacht. Sehr zur Freude von Mario Gomez, der übrigens nichts anderes erwartet hatte. "Gegen Werder weiß ich schon vor dem Spiel, dass ich meine Chancen bekommen werde, weil Bremen immer sehr schön und immer sehr offensiv spielt", feixte der Dreifach-Torschütze, der bereits im DFB-Pokal gegen die Bremer Amateure einen Dreierpack geschnürt hatte. Sein Fazit nach dem 6:3: "Also mir hat's Spaß gemacht." Und das gibt Naldo ernsthaft zu denken.