Hannover 96 braucht gegen Nürnberg einen Sieg vor allem als Stimmungsaufheller
Von Heiko Rehberg
Hannover. Also auf zum fünften Versuch. Und diesmal soll es klappen mit dem ersten Sieg im Jahr 2008. 1:1 beim Hamburger SV, 2:2 gegen den Karlsruher SC, 0:3 gegen Bayern München und ein 1:2 beim VfL Bochum. Es ist noch nicht das Jahr und noch nicht die Rückrunde von Hannover 96, heute gegen den 1. FC Nürnberg ist aber die Trendwende fest eingeplant.
„Ein Sieg wäre sehr wichtig“, sagt Trainer Dieter Hecking, dem nicht entgangen ist, dass sich im Umfeld eine gewisse Unruhe breit gemacht hat, resultierend aus einer Hinrunde, die wie ein Versprechen war: Die „Roten“ auf dem Weg nach Europa – das schien das Motto für die zweite Saisonhälfte. Noch ist die internationale Möglichkeit nicht verspielt und die Autobahnausfahrt Richtung Europa nicht verpasst. Aber die Partie heute gegen Nürnberg ist so etwas wie ein Abbiegespiel – viele Ausfahrten werden nicht mehr folgen.
Die Rückrundentabelle führt 96 als Drittletzter auf einem Abstiegsplatz, punktgleich mit dem heutigen Gegner. In der richtigen Tabelle haben sich Eintracht Frankfurt, der VfB Stuttgart, der VfL Wolfsburg und gestern Hertha BSC an der Mannschaft vorbeigemogelt, Borussia Dortmund und der VfL Bochum herangeschlichen. Aber noch ist der 6. Platz, der einen UI-Cup-Startplatz bedeuten würde, nur vier Punkte entfernt. Und da alles andere unrealistisch sein dürfte, ist Dieter Hecking gut beraten, „nichts zu dramatisieren. Es gab für uns schon schwierigere Phasen.“
Es herrscht eine merkwürdige Stimmung derzeit in Hannover, dass man glauben mag, die Lage von 96 sei ähnlich bedrohlich wie die der Nürnberger. Tatsächlich hat die Mannschaft eine indiskutable Leistung gezeigt (gegen Bochum), eine zu erwartende Niederlage kassiert (gegen die Bayern) und zwei Unentschieden erzielt gegen Teams, die vor ihr in der Tabelle stehen. Für große Aufregung reicht das eigentlich nicht, und trotzdem ist der Eindruck entstanden, dass es am Sonnabend ziemlich ungemütlich werden würde, wenn es gegen den „Club“ wieder nicht hinhaut mit einem Sieg.
Die Situation ist weit entfernt davon, dass das Wort Krise in die Überschrift gehört, es ist eher ein lauter werdendes Gemurre; viel davon hat mit emotionalen Dingen zu tun, manchmal auch mit Sachen, die immer dann kommen, wenn man sie nicht gebrauchen kann wie das Interesse des Hamburger SV an Trainer Hecking, das eigentlich ein alter Hut und trotzdem für neue Unruhe gut war.
Das System mit einem Stürmer (Mike Hanke) ist ebenfalls emotional besetzt. In dieser Woche haben zwei Dauerkartenbesitzer in der Sportredaktion angerufen und gefordert, dass „ihr doch endlich mal schreiben müsst, dass der Hecking mit zwei Stürmern spielen soll“. „Der Hecking“ mag diese Diskussion nicht, weil er einerseits keinen zweiten Klassestürmer besitzt, solange Thomas Brdaric verletzt ist (was er natürlich nie sagen würde), andererseits ein attraktives Spiel nicht zwangsläufig davon abhängt, ob eine Elf mit einem, gar keinem oder drei Stürmern spielt. 96 hat mit einem Angreifer gegen die Bayern kaum einen Schuss aufs Tor gebracht. Und 96 hat mit dem Solosturm Hanke viermal gegen Werder Bremen getroffen.
Dazu kommt, dass die gescheiterte Rückholaktion von Jan Simak viele Anhänger fast persönlich betroffen zu haben scheint, weil sie den Namen Simak mit Zauberfußball gleichsetzen. Hecking ärgert vor allem der Vorwurf, 96 habe den Tschechen nicht ernsthaft gewollt, gestern hat er noch einmal betont: „Wir haben uns mit ihm unterhalten, Jan hat mich im Gespräch absolut überzeugt, und wir hatten die Ampel auf Grün gestellt.“
Ein Sieg gegen Nürnberg, am besten überzeugend herausgespielt, würde das alles wieder in den Hintergrund drängen. Und 2008 würde anfangen, den „Roten“ endlich Spaß zu machen.
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