Im portugiesischen Trainingslager sprach Jan Schlaudraff im Pressegespräch übers Akku aufladen, die taktische Marschroute in der Rückrunde sowie die Integration von Neuzugängen.

Erzähl doch mal - wie läuft´s denn im Trainingslager?

Schlaudraff: "Wir haben hier super Bedingungen vorgefunden. Die Plätze sind in einem guten Zustand, die Unterkunft ist schön. Wir haben gutes Essen und trotz der 20-25 minütigen Anreise mit dem Bus zum Training können wir uns hier optimal vorbereiten. Da kann man wirklich nicht meckern."

Gestern habt Ihr alle ein bisschen gestöhnt. Ist es straffer als vor einem Jahr? Wie würdest Du das beurteilen?

Schlaudraff: "Also ich würde sagen, dass wir im Moment schon ein sehr straffes Programm absolvieren. Alle merken, dass wir hier richtig Gas geben. Dazu muss man aber sagen, dass wir in allen läuferischen Bereichen in der Hinrunde ganz klar hinten waren und da gilt es natürlich einiges aufzuholen. Das ist nun mal das Ziel in der Vorbereitung."

Das eine Thema ist das Läuferische, das andere waren taktische Dinge, zum Beispiel das Verteidigen und die schnelleren Offensiv-Aktionen. Was glaubst Du: Werden wir in der Rückrunde eine taktisch veränderte Mannschaft sehen?

Schlaudraff: "Jein. Natürlich gibt es Dinge, die wir verbessern wollen. Dazu gehört, wie der Trainer das auch schon gesagt hat, dass wir etwas weiter nach vorne verteidigen wollen, das heißt nicht unbedingt, dass wir offensiver ausgerichtet sind. Wir wollen früher stören und näher dran sein. In der Hinrunde haben zu viele Gegentore bekommen und deswegen wollen wir versuchen, im gesamten Mannschaftsbereich das Defensivverhalten zu verbessern. Im Klartext: Wir wollen vorne versuchen, einen Tick früher zu stören und den Gegner nicht in den Spielaufbau kommen zu lassen. Im Zentrum und in der Defensive haben wir uns zum Ziel gesetzt, schnellere, bessere und mehr Balleroberungen zu bekommen. Dadurch können wir unser Konterspiel, welches wir die letzten zwei Jahre sehr erfolgreich praktiziert haben, noch besser fortführen."

Wie sieht Deine Rolle aus?

Schlaudraff: "Im Moment ist es so, dass wir mit dem Ausfall von Lars ein kleines Loch haben, weil er auf der Position die letzten zwei Jahre konstant gute Leistungen gebracht hat. Zudem war Adrian auch lange verletzt und ist jetzt langsam wieder auf dem Weg, sich über das Training heranzuarbeiten. Im Moment ist es so, dass der Trainer mich auf die rechte Seite gestellt hat und ich versuche das so gut wie möglich umzusetzen. Ich weiß, dass das nicht immer meine Idealposition ist, weil man auch gerade in der Defensive vieles beachten muss. Da schalte ich manchmal vielleicht zu langsam, weil ich es nicht gewohnt bin, aber ich versuche, mein Bestes zu geben. Ich bin der Meinung, wenn wir insgesamt als Mannschaft etwas höher verteidigen und ich nicht so oft gezwungen bin, in der eigenen Hälfte defensive Zweikämpfe zu bestreiten, kann ich auch auf der rechten Seite ordentliche Spiele machen."

Wie integriert Ihr als Mannschaft neue Spieler?

Schlaudraff: "Als Neuzugang ist es nicht schwierig, bei uns in die Mannschaft oder in den Verein zu kommen. Neue Spieler merken sehr schnell, ob es innerhalb der Mannschaft gut passt oder nicht. Bei uns ist das so. Wir sind immer in der Gruppe unterwegs, abends öfters zusammen oder spielen Poker. Wir haben immer Gruppen, die auch untereinander wechseln und von daher sind die Neuzugänge schnell integriert. Und das ist auch eigentlich das, was uns die letzten zwei Jahre ausgemacht und stark gemacht hat. "

Jetzt trägst Du ja ab und an mal die Kapitänsbinde. Wie viel Kapitän steckt denn schon in Dir?

Schlaudraff (lacht): "Eigentlich bin zweiter Kapitän und im Moment ist der Stevie verletzt, das heißt ich habe sie auch ab und zu mal am Arm. Wenn ich mich selbst beschreiben würde, würde ich sagen, dass ich ein wichtiger Teil der Mannschaft bin und auch zu Recht im Spielerrat. Aber ich bin nicht der geborene Kapitän, so wie es vielleicht von der Mentalität her Altin war oder auch Stevie jetzt ist."


Frage: Wie fühlst Du Dich nach den Ferien und was denkst Du, wie sich die Mannschaft erholt hat?

Schlaudraff: "Es war ein langes Jahr mit vielen Spielen. Es schlauchen ja nicht nur die Begegnungen, sondern auch die Reisen und alles Drumherum. Wir haben einfach gemerkt, dass wir am Ende des Jahres platt waren. Auch vom Kopf her waren wir nicht mehr so da und nicht mehr so frisch. Deswegen kann ich für mich persönlich sprechen, dass diese 14 Tage Urlaub sehr wichtig waren. Mal runterfahren mal abschalten und etwas machen, was nichts mit Fussball zu tun hat. Jetzt können wir wieder gestärkt in die neue Saison gehen. Ich hoffe natürlich, dass sich das jetzt in der Rückrunde bemerkbar macht und alle sehen, dass die Akkus wieder aufgeladen sind und wir wieder marschieren können."

Gewöhnt man sich nach den beiden sehr guten letzten Jahren an den Erfolg?

Schlaudraff: "Ich glaube, dass man das richtig einordnen muss. Die Erwartungshaltung im Umfeld ist ja eine ganz andere, als sie vorher war. Wenn wir vor zwei Jahren in der Hinrunde 23 Punkte geholt und im Sechzehntelfinale der Europa League gestanden wären, dann hätte ganz Hannover Kopf gestanden. Die Leute wären ausgeflippt. Und nach den zwei super Jahren die wir hatten, sagt jetzt jeder: "23 Punkte in der Liga, nur Platz elf! Europa League – Sechzehntelfinale, das war ja eh klar, dass die durch die Gruppe marschieren." Von daher müssen wir uns natürlich diesem Druck, der natürlich da ist und der auch eindeutig gestiegen ist, stellen. Wir dürfen uns aber nicht an den Erfolg gewöhnen, sondern wollen versuchen, ihn trotzdem zu bewältigen. Und das ist eben die Schwierigkeit, die wir haben. Wir müssen versuchen, dass wir mit unseren eher bescheidenen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, uns in der Spitzengruppe unter den ersten sechs bis acht Mannschaften zu etablieren. Und auch, wenn gerade ein paar Punkte fehlen, glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir sind nicht allzu weit von dem entfernt, was der Anspruch ist."

Du hast grade dieses Anspruchsdenken angesprochen. In der Hinrunde gab es auch Spiele, in denen es auch zuhause nicht so lief und aus dem Publikum vereinzelt Pfiffe kamen. Wie stehst Du dazu?

Schlaudraff: "Das ist schon nicht so einfach. Man kommt auf den Platz und es läuft 15 bis 20 Minuten nicht, dazu kommen noch zwei, drei unglückliche Aktionen und dann geht ein Raunen durchs Stadion und dazu auch noch Pfiffe. Das tat mir besonders für Hiroki Sakai leid, weil er neu im Team war und zu einer Zeit kam, als es gerade nicht besonders gut lief. Klar pfeifen die Zuschauer aus Enttäuschung nach dem Spiel, wenn wir eine schlechte Leistung gezeigt haben, und da ist das auch absolut in Ordnung. Aber ich finde, dass wir uns den letzten zwei Jahren die Unterstützung der Fans verdient haben, auch wenn es mal eine Phase gibt, wo es nicht so läuft. Und deswegen find ich es sehr schade, dass es immer wieder vereinzelte Pfiffe gibt. Nichts desto trotz sind wir Profis, die damit umgehen müssen, und ich bin der Meinung, dass haben wir bis jetzt auch sehr gut getan."

In einer Woche geht’s zum Rückrundenauftakt nach Schalke. Beschäftigt Ihr euch schon mit dem Gegner und wie schätzt Du die Chancen auf einen guten Start ein, der ja bei Euch schon fast traditionell ist?

Schlaudraff: "Ich habe keinen besonderen Blick auf Schalke oder deren Vorbereitung. Klar habe ich mitbekommen, dass sie gegen Bayern verloren haben, aber ich denke nicht, dass Vorbereitungsspiele so eine große Aussagekraft haben, weil es darauf ankommt, wie es zum Rückrundenstart läuft. Bei uns war es in den letzten Jahren auch so, dass wir mit Hannover eigentlich immer eine schlechte Vorbereitung gespielt haben, in der Liga aber dann erfolgreich waren. Und ich hoffe, dass es uns diese Saison gelingt sowohl eine gute Vorbereitung, als auch einen guten Start in die Rückrunde zu erwischen. Wir haben in der Hinrunde gegen Schalke ein sehr gutes Spiel gemacht. Es war ein gerechtes Unentschieden und ein klasse Bundesligaspiel. Wir müssen einfach versuchen, auch auf Schalke dagegen zu halten. Gerade auswärts müssen wir gut verteidigen und unsere Chance auch in der Offensive suchen, weil wir da sehr große Qualität haben."

Hast Du mal versucht, an dem Auswärtsrätsel zu puzzlen?

Schlaudraff: "Nein, das ist schwierig. Wenn wir eine Lösung hätten, würden wir die Tatsache natürlich ändern, aber insgesamt ist es einfach so, dass wir mehr Selbstvertrauen in die eigene Stärke entwickeln müssen. Zuhause haben wir dieses "Selbstverständnis", dass wir in den letzten Jahren sehr viele Punkte im eigenen Stadion geholt haben und aus diesem Grund mehr an uns glauben. Auch wenn wir - wie gegen Leverkusen - mal zurückliegen, sehen wir immer noch die Möglichkeit, das Spiel zu drehen und lauern immer auf unsere Chancen. Auswärts habe ich immer so ein bisschen das Gefühl, dass wir, sobald wir in Rückstand geraten, das Gefühl haben, sowieso nicht mehr zurückkommen zu können, weil wir das in den letzten Monaten selten geschafft haben - außer gegen Stuttgart. Daran müssen wir einfach vom Kopf her arbeiten, um auch auswärts an unsere Stärke zu glauben."

Geht man dann schon von vornherein mit einer gewissen Skepsis in Auswärtsspiele?

Schlaudraff: "Jein. Natürlich haben wir das im Kopf, aber generell gehen wir auch jedes Spiel so an, dass wir es gewinnen wollen. Gerade nach dem Auswärtssieg in Wolfsburg hat jeder gedacht: Diese Saison wird alles anders. Aber danach sind wir dann doch wieder in diesen Trott gekommen, dass wir auswärts wenig Punkte geholt haben. Wenn der Gegner in Hannover in Führung geht, dann weiß er: 96 kann immer zurückkommen. Wenn er aber zuhause in Führung geht, dann weiß er auch, dass eigentlich nicht mehr viel passieren kann, weil wir es in der Vergangenheit einfach zu selten geschafft haben, ein Spiel auswärts zu drehen. Wir müssen einfach zeigen, dass wir auch auswärts ebenso gefährlich und jederzeit in der Lage sind, ein Spiel zu drehen und auch zu gewinnen."

Der Trainer hat ja auch Videoanalysen durchgeführt und war nach dem Blitzturnier sehr erfreut darüber, dass die angesprochenen Punkte auch umgesetzt wurden. Was für Punkte wurden denn da genau angesprochen?

Schlaudraff: "Wir müssen offensiv mehr Laufwege anbieten und mehr Laufstrecke zurücklegen, das heißt einfach mehr Gas geben, mehr routieren, auch öfter zeigen, dass wir auch weite Wege gehen."