Clinton führt Trump vor

Erst Angriff, dann Absturz: Für Donald Trump verläuft die erste TV-Debatte gegen Hillary Clinton überraschend verheerend. Der Milliardär ist fahrig und unsicher, gegen Ende nimmt ihn seine Rivalin regelrecht auseinander. Aber wird's ihr helfen?

Zum Schluss gibt sie ihm noch mal so richtig einen mit. Donald Trump habe Frauen immer wieder als hässliche "Schweine" bezeichnet, erinnert Hillary Clinton die Zuschauer im Saal und daheim. Als "Schlampen", als "Hündinnen", als "Miss Piggy", als minderwertige Arbeitskräfte.

"Stimmt nicht", protestiert Trump kraftlos. "Stimmt nicht." Sein Widerspruch verhallt, Clintons Schlag - voller verbriefter, belegter, allseits bekannter Zitate - trifft ihn frontal.

Zu diesem Zeitpunkt verbleiben nur noch Minuten in der historischen TV-Debatte, dem spektakulären Duell zwischen der Ex-Außenministerin und dem Milliardär, der früheren First Lady und dem Realitystar. Eineinhalb Stunden haben sie sich hier an der Hofstra University bei New York beharkt, vor einem Rekordaufgebot an Journalisten und einem TV-Publikum von bis zu 100 Millionen Menschen. Mal ist sie obenauf, mal er - doch am Ende siegt dann doch die Abgeklärtheit über das Gebell.

Wer ist der Sieger?

Hillary Clinton geht als Siegerin aus dieser Debatte hervor. Sie punktet mit detaillierter Sachkenntnis, bleibt ruhig und konstant, zeigt sich zugleich humorvoll und - ja, das ist bei ihr bemerkenswert - "menschlich": Wärme wie Härte, ein gut inszenierter Spagat. Im selben Atemzug lockt sie Trump in eine Falle nach der anderen, kitzelt sein verletztes Ego. Keines seiner Mankos lässt sie unerwähnt: seine Firmenpleiten, sein impulsiv-aufbrausendes Temperament, seinen weltpolitischen Dilettantismus, seine unbezahlbaren Wahlversprechen, seine endlosen Lügen, seinen Umgang mit Minderheiten, Frauen, generell Andersdenkenden. Clintons eigene Schwächen - ihre E-Mail-Affäre, ihr Vertrauensdefizit - kommen kaum vor. Erstaunlich, arbeitet sich Trump sonst doch immer gerne daran ab. Doch auch Clinton war nicht fehlerlos. Ihr Eingangsstatement war viel zu lang, ihre Antworten wirkten oft hölzern, wie Miniaturvorträge.

Wer hat verloren?

Anfangs gibt sich Trump noch ungewohnt "präsidial". Hat sich unter Kontrolle, antwortet ruhig - eine beachtliche Leistung für einen, der schnell aus der Haut fährt. Doch auf halber Strecke dieser 90 Minuten wird er unruhig. Er unterbricht Clinton immer unwirscher, stöhnt genervt, ruft hilflos "Falsch! Falsch! Falsch!", verhaspelt sich in Eigenwerbung für seine Immobilien und unverständlichen Antworten, die mit den Fragen des Moderators Lester Holt nichts mehr zu tun haben. Dabei kommt sein Unwissen immer klarer ans Licht, vor allem zum nuklearen Arsenal der USA und der Welt. Auch reitet er sich unnötig selbst in die Klemme, scheint etwa einzugestehen, dass er jahrelang keine Steuern gezahlt hat. An einer Stelle - es geht um seine Haltung zum Irakkrieg - kann Clinton nur noch lachen: "Okay... reden wir von Wichtigerem." Besonders scharf hält Clinton ihrem Rivalen sein Verhalten in der Immobilienkrise vor. "Er hat 2006 gesagt: Mensch, ich hoffe auf den Kollaps, weil ich dann reingehen, was kaufen und Geld machen kann", so Clinton. Trump bestreitet den Satz nicht einmal. "Das nennt man übrigens Business", ruft er dazwischen. Man kann davon ausgehen, dass dieser Satz noch in einigen Fernsehspots gespielt werden wird.

Was war Clintons bester Moment?

Clintons bester Moment ist gleichzeitig Trumps schlechtester Moment. Etwa zur Hälfte der Debatte kommt die Sprache auf die Diskussion über den Geburtsort von Barack Obama. Jahrelang streute Trump, der US-Präsident stamme eigentlich aus Kenia statt Hawaii. Darauf angesprochen verteidigt sich Trump mit der These, die Gerüchte hätten 2008 in Wahrheit zwei Mitarbeiter von Clintons Kampagne gestreut, er dagegen habe Obama zur Offenlegung seiner Geburtsurkunde gebracht und das Thema damit "beendet". Trumps eigenwillige Sicht auf diese Dinge eröffnet Clinton die Chance zu einem heftigen Angriff. "Wir können das nicht einfach so zur Seite legen", ruft sie. "Trump hat seine politische Karriere mit dieser rassistischen Lüge gestartet." Es ist ein Glücksmoment für die Demokratin: Klar und ausführlich kann sie sich vor diesem Millionenpublikum mit Obama und seinen Anhängern solidarisieren und Trump als Spalter und rassistischen Feind von Afroamerikanern hinstellen.

Was war Trumps bester Moment?

Der Einbruch des Milliardärs kommt insofern überraschend, weil er doch relativ stark beginnt. Gleich in den ersten Minuten schafft er es, das Thema auf den Freihandel zu lenken, ein besonders unangenehmes Thema für Clinton. Er attackiert sie dafür, das Nafta-Abkommen zunächst als "Goldstandard" bezeichnet, dann aber aus politischen Gründen von dem Vertrag Abstand genommen zu haben. "Nafta war vielleicht der schlimmste Freihandelsvertrag aller Zeiten", ruft er. Clinton versucht sich zu verteidigen, er unterbricht sie fortwährend, sie wirkt verunsichert. Der Punkt geht an Trump. Für ihn ist das wichtig: Gerade in den umkämpften Staaten im Mittleren Westen wird Nafta von vielen Wählern für einen dramatischen Jobabbau verantwortlich gemacht. Trump nutzt den Moment, um sich als Bewahrer von Arbeiterinteressen zu inszenieren.

Wird Trump die Debatten-Niederlage schaden?

Das ist überhaupt nicht ausgemacht. Natürlich: Die Schlappe kommt für ihn zur Unzeit, zuletzt schien er in Umfragen entscheidend aufgeholt zu haben, nun droht er wieder Schwung zu verlieren. Viele unentschlossene Wähler dürfte er mit seiner Performance nicht überzeugt haben und auch all jene, die an seinem Temperament gezweifelt haben, dürfte er kaum beruhigt haben. Trumps Ton ist teils schrill, seine Körpersprache raumgreifend, er gibt häufig den Kläffer, der wie schon in den Vorwahlen mit seinem Reichtum und seinen Investments prahlt. Aber: Etliche Situationen haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sich seine Anhänger davon nicht irritieren lassen. Sie könnten aus der Debatte mitnehmen, dass er Jobs retten und für mehr Polizei auf den Straßen sorgen will. Trump, der starke Mann - von diesem Bild wird sich so leicht keiner seiner Anhänger abbringen lassen.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/hi...-a-1114064.html


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