Hannover: Neuer Angriff nach "Seuchenjahr"
Harnik: "Qualitativ sind wir gut genug"

Die wichtigste Etappe seiner Karriere endete in Stuttgart unschön - mit dem Abstieg. Kurz beschäftigte sich Martin Harnik mit einem Wechsel nach China. Dann fasste er den Entschluss, Hannover 96 auf dem Weg zurück in die Bundesliga zu unterstützen.


Am Ende ging es ganz schnell mit Hannover. "Der Transfer hat sich innerhalb von einer Woche abgewickelt", erzählt Martin Harnik. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. In China hatte sich der 29-Jährige bei Shandong Luneng, dem Klub von Felix Magath, umgeschaut. "Von den Trainingsmöglichkeiten und der Organisation waren es dort Top-Bedingungen." Aber die Grundsatzentscheidung, in eine andere Kultur zu wechseln, mochte der Ex-Stuttgarter dann doch nicht treffen. In Asien passte es einfach nicht. "Das ganze Leben ist dort anders." Harnik sagte ab, telefonierte kurz darauf mit Martin Bader und traf sich gleich tags darauf mit dem 96-Geschäftsführer, um Nägel mit Köpfen zu machen - heraus kam dabei ein Vertrag bis 2019.


Hannover hatte der gebürtige Hamburger zuvor komplett unterschätzt. "Von außen betrachtet habe ich es immer ein bisschen farblos und grau wahrgenommen. Das hat sich komplett widerlegt. Ich genieße es hier mit meiner Frau und den Hunden, in Isernhagen über die Felder und Wälder zu gehen. Oder am Maschsee in Hannover einen Kaffee zu trinken." Natürlich es geht es nicht allein um die Lebensqualität, sondern vor allem auch um Fußball, mit 96. Das Gefühl ist auch hier gleichermaßen positiv. "Man merkt, dass das ein Verein ist, der jahrelang in der 1. Liga gespielt hat und auch wieder dorthin zurück möchte." Kann sein neues Team den Ansprüchen gerecht werden? Harnik: "Die Mannschaft macht unglaublich viel Spaß, sie ist hungrig und jung. Qualitativ und charakterlich sind wir gut genug."

In erster Linie aber geht es um meine eigene Erwartungshaltung und die des Trainers.
Martin Harnik
Dass er selbst bislang noch nicht zum Stammpersonal der ersten Elf zählte, sei nichts Überraschendes. Es sei eine neue Erfahrung gewesen, ohne kontrollierten Trainingsplan in die schon laufende Vorbereitung einzusteigen. "Ich habe nun einmal einen Trainingsrückstand. Der Trainer weiß das, die Mannschaft weiß das." Von Vorteil seien die bisherigen Ergebnisse, denn: Der ganz große Druck, nun rasch funktionieren zu müssen, besteht nicht. "Natürlich hilft es mir, wenn wir die Spiele auch ohne mich gewinnen können."

Fokus auf sich selbst und Neuinterpretation der Rolle


Harnik kann damit umgehen, bei 96 als Königstransfer zu gelten. "Die Erwartungshaltung von außen nehme ich auch als Kompliment war, sie spiegelt ja auch meine gezeigten Leistungen wieder. In erster Linie aber geht es um meine eigene Erwartungshaltung und die des Trainers." In den ersten Wochen bei den Niedersachsen habe er sich viel angeschaut, die neuen Kollegen kennengelernt.

Seine Rolle wird er künftig dominanter interpretieren. "Ich habe schon in jüngeren Jahren Verantwortung übernommen. Kommunikation ist eh wichtig." Mit ihm als Führungsspieler? "Das muss man sich verdienen." Sprachrohr zu sein, das sei das eine. "Aber man muss auch mit Leistung vorangehen, auf dem Platz in schwierigen Situationen versuchen, die Ruhe zu bewahren."

18 Jahre lebte der Sohn eines Österreichers in seiner Geburtsstadt Hamburg, vom ersten Tag an mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Werder Bremen war die erste Profistation, mit der Berufung in Österreichs U 18 begann die Länderspielkarriere. "Eine Bauchentscheidung" sei es gewesen, für die ÖFB-Auswahl zu spielen. Die Chance, zur deutschen Nationalelf zu wechseln, nahm er nicht wahr, "obwohl ich sie hatte".

Die verpatzte EM mit der Alpenrepublik noch hinzugenommen, hat Harnik schwierige Monate hinter sich. "Reparieren lässt sich nichts mehr. Das letzte Jahr war wirklich ein Seuchenjahr. Drei Monate war ich mit einer Knieverletzung raus, habe eigentlich nie wieder richtig Fuß fassen können." Beim VfB hätte sich Harnik einen anderen Abschied als den mit dem Abstieg verbundenen gewünscht. Die letzten Wochen dort verliefen auch rund um ihn selbst unruhig. "Polarisiert habe ich immer, mein Leben lang. So bin ich."

Im Sommer sei sein Vertrag bei den Schwaben eben ausgelaufen. Und nach sechs Jahren dort blickt der Stürmer auch auf schöne Jahre, die aus seiner Sicht wichtigste Etappe seiner Karriere und persönliche Erinnerungen - wie die Geburt seiner Tochter - in Stuttgart zurück. Jetzt ist Zeit für Neues. Seinem Ex-Klub wünscht er nichts Schlechtes, sondern denselben Erfolg, den er selbst mit 96 anstrebt. "Es können ja zwei aufsteigen. Und wenn wir unseren Job machen, müssen wir nicht auf Stuttgart schauen."


Quelle: www.kicker.de