Die nächste Absage für Werder

Bremen. Werders Welt kreist um eine Liste. Sie ist kurz, wird im offiziellen Sprachgebrauch als Short List umschrieben und beinhaltet die Namen derjenigen, mit denen Werders Aufsichtsrat über die Nachfolge von Klaus Allofs als Sportchef spricht.

Seit Donnerstag ist die Short List um einen weiteren Namen kürzer – allerdings ohne Zutun des Aufsichtsrates. Marc Kosicke, höchst offiziell bestätigter Kandidat, hat bei Werders Aufsichtsratschef Willi Lemke abgesagt. Er erreichte den UN-Sonderbotschafter während einer Reise in Nordkorea, die Entscheidung verkündete Werders Presseabteilung gestern Nachmittag.
Es ist der zweite Korb, den sich Werder eingehandelt hat bei der Suche nach dem neuen "Geschäftsführer Profi-Fußball", wie die Position in der Stellenausschreibung bezeichnet wird. Vor knapp vier Wochen war es Wunschkandidat Dietmar Beiersdorfer, der dankend ablehnte. Er stehe "nicht zur Verfügung, da ich meinen Vertrag mit Zenit St. Petersburg erfüllen möchte", teilte der ehemalige Bundesliga-Profi Mitte November mit.

Problem Interessenkonflikt

Und nun also Kosicke. Auch der 41-Jährige steht in der Pflicht, beruflich einerseits mit seiner Beratungsfirma "Projekt B", aber auch privat. Und so klingt die Begründung des Kandidaten Kosicke, warum er das grün-weiße Angebot nicht annehmen wolle und könne, so ganz anders als die Absage des Kandidaten Beiersdorfer: "Aufgrund meiner Situation mit der Agentur, ja, aber in erster Linie aufgrund meiner Situation als Ehemann und Vater." Kosicke ist seit gut zwei Monaten mit der ZDF-Moderatorin Yvonne Ransbach ("hallo deutschland") verheiratet, sie wohnen in Eltville bei Wiesbaden und haben zwei Söhne, einer drei Jahre und der andere neun Monate jung.

Es sei die schwerste Entscheidung seines Lebens, vor der er stehe, hatte Kosicke noch zu Wochenbeginn unserer Zeitung gesagt. Bisher schien es vor allem ein berufliches Problem zu sein, das der Kandidat lösen musste. Als Inhaber einer Firma, die Bundesliga-Trainer berät, hätte er sich von dem Unternehmen trennen müssen – anderenfalls wäre er als Sportchef eines Bundesliga-Klubs unweigerlich auf Interessenkonflikte zugesteuert. So sahen es auch die Verantwortlichen bei Werder.
Lemke will zügige Entscheidung

Der Haken: Der Job in der eigenen Firma ist für Kosicke nicht nur einträglich, sondern macht ihm auch noch jede Menge Spaß. Zu seinen Klienten pflegt er "nicht nur Geschäftsbeziehungen – daraus sind auch Freundschaften entstanden. Das ist eine Top-Mischung aus Klienten, dem Einkommen und der Mischung aus Arbeit und Familie." Was man dann wohl den perfekten Job nennen mag. Und so etwas gibt man ungern auf, so attraktiv das Angebot auf den ersten Blick auch scheinen mag.

Dass es allerdings dann doch keine rein berufliche Entscheidung war, unterstrich Marc Kosicke am Donnerstag gegenüber dem WESER-KURIER. Vor allem die notwendige Intensität, die ihm die Aufgabe bei Werder abverlangt hätte, hätte ein einigermaßen geregelten Familienleben kaum zugelassen – dessen war sich Kosicke am Ende bewusst: "Bremen hat es verdient, dass man 24 Stunden am Tag erreichbar ist, 40 Wochen im Jahr. Das ist mit zwei kleinen Kindern nicht vereinbar." Familie geht vor – in diesem Fall auch vor der Werder-Familie.

Die Oberhäupter der Werder-Familie indes müssen weiter suchen. "Wir werden mit der gebotenen Sorgfalt die vorliegenden Personalalternativen zur Besetzung der Geschäftsführerstelle Sport prüfen und alles daran setzen, so zügig wie möglich eine Entscheidung herbeizuführen", ließ sich Lemke am Donnerstag durch Werders Medienabteilung zitieren. Zu erreichen war der 66-Jährige in Nordkorea nicht. Werders neuer Vorsitzender der Geschäftsführung, Klaus Filbry, wollte keine Medienanfragen beantworten. Er verwies auf den Aufsichtsrat, in dessen Obhut sich die Kandidatenschau und die Entscheidung befänden.

Werders Handlungsfähigkeit, hatte der 45-Jährige am Dienstag in einem Interview mit unserer Zeitung festgestellt, sei für die bevorstehende Transferperiode allerdings auch ohne einen neuen Sportchef gegeben – er selbst, Trainer Thomas Schaaf und Profi-Fußball-Direktor Frank Baumann würden die Aufgaben wahrnehmen.

Die Gespräche mit weiteren Kandidaten indes sollen nach der Absage von Marc Kosicke bereits weitergegangen sein. Über die Zahl der verbliebenen potenziellen Allofs-Nachfolger und ihre Profile herrscht allerdings Stillschweigen. Infrage kommen Fachleute aus der Bundesliga-Branche ebenso wie externe Kräfte im Stile eines Marc Kosicke. Während über letztere gerätselt werden darf, hält sich die Zahl der derzeit frei verfügbaren Bundesliga-Manager in überschaubaren Grenzen.

Hochstätter und Schulte frei

Christian Hochstätter wäre so einer. Der 49-Jährige war Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 – bei seinem Stammverein ging er 2005, Hannover verließ er 2009 vor dem Ende seiner Vertragslaufzeit. Zurzeit arbeitet Hochstätter als Vermögensberater und für eine Kölner Werbeagentur. Ein anderer Name wäre Helmut Schulte. Der frühere Manager des FC St. Pauli ist auf Jobsuche – in einem Interview vor einer Woche stellte er mit Blick auf eine Rückkehr ins Business Bundesliga fest: "So langsam könnte es wieder losgehen." Interessant in seinem Fall: Er gilt als Spezi von Stefan Studer. Der Chefscout des FC St. Pauli hat bei seinem Klub zum Jahreswechsel gekündigt und ist bereits mit Werder in Verbindung gebracht worden, ohne dass es dazu eine Bestätigung oder ein Dementi gab.

Marc Kosicke wird die Entwicklung bei Werder genau verfolgen. Und er ist sicher: "Der, der es letztlich wird, kann sich auf einen Klub mit tollen Menschen freuen.
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weser-kurier.de


Zitat Atatürk: "Friede im Lande, Friede auf der Welt"