Großer NP-Check: Abwehr verbessert, Schlaudraff macht Hoffnung

Hoteldirektor Harald Eberhaut hatte schon viele Vereine zu Gast in seinem „Hotel im Park“: Schalke, Dortmund, Everton oder Rapid Wien. „Bad Radkersburg macht Meister“, behauptet er.



Nach neun Tagen Trainingslager in Österreich ist bei 96 jedoch noch lange nichts meisterlich. Wäre morgen Bundesligastart, bekäme 96 ganz sicher große Probleme. Zwar zog Trainer Mirko Slomka sein Programm straff durch, aber insgesamt fällt die Bilanz durchwachsen aus. Zwischen Trainer Slomka und Sportdirektor Jörg Schmadtke herrscht dicke Luft, im Kader und bei der Taktik gibts ebenfalls noch viel Luft nach oben. Die große NP-Analyse gut zwei Wochen vor dem DFB-Pokal-Auftakt beim saarländischen Viertligisten SV Elversberg.

Die Stimmung
Die Spieler untereinander verstehen sich ausgezeichnet. Die vielen jungen Profis reihen sich bescheiden in die flache Hierarchie ein – ihr Sprachrohr im Mannschaftsrat ist Jan Schlaudraff, der die Kollegen sogar am Sprinthügel anpeitscht. Klarer Chef ist Neu-Kapitän Steven Cherundolo. Dissonanzen herrschen zwischen Sportdirektor Jörg Schmadtke und Trainer Mirko Slomka.

Es gibt keinen offenen Zoff – aber sie verstehen sich einfach nicht. Das österreichische Ligaspiel in Graz besuchten Trainer und Sportdirektor getrennt. Woran liegts? Ein Grund: Nach Schmadtkes Geschmack mischt sich der Trainer aktuell zu viel und zu oft in Transferfragen ein. „Wir tun gut daran, wenn die Spieler ihren Job machen, der Trainer seinen und ich meinen“, sagt Schmadtke.

Die Neuen
Emanuel Pogatetz hinterließ bei Slomka einen starken Eindruck: „Er hat eine gute Ansprache auf dem Platz, kann einfach nicht verlieren.“ Lars Stindl und Moritz Stoppelkamp sieht er noch nicht in seiner Stammelf. Stindl bewies gutes Auge, er spielt vor allem mit Schlaudraff gut zusammen. Stoppelkamp fiel ausgerechnet in Bad Radkersburg in ein kleines Leistungsloch.

Slomka lobt das Potenzial der Neuen, an Tempo und Taktik sollen sie noch zulegen: „Mit ihnen hätte ich gern noch mehr Zeit.“ Das Gleiche gilt für die eigenen Jugendspieler Christopher Avevor und Willi Evseev. „Sie sind auf einem guten Niveau, aber noch nicht ans Spieltempo adaptiert“, sagt Slomka. Torwart Markus Miller macht einen stabilen Eindruck, bleibt aber vorerst Ersatz, Ron Zieler erwies sich als gute Nummer drei.

Die Gewinner
Jan Schlaudraff steigert sich in allen Bereichen. Er kletterte in der Hierarchie und wurde zum Führungsspieler der Jüngeren im Mannschaftsrat. Schlaudraff organisiert auch im Spiel, er dirigiert die Kollegen gestenreich. Auf den neuen Schlaudraff darf sich Hannover freuen – wenn er gesund bleibt. Manuel Schmiedebach etabliert sich als zentraler Mittelfeldspieler.

Er ist bissig und hat für einen 21-Jährigen eine klasse Übersicht. Pogatetz blühte in seiner Heimat Steiermark auf. Die vielen Interviews haben seiner Leistung nicht geschadet. „Mad Dog“ hält die Viererkette auch mit seiner Ansprache dicht.

Die Verlierer
Testspieler Elis Bakaj musste wieder zu Dinamo Tirana zurück. Constant Djakpa will sich in die neue Charakter-Struktur der Mannschaft nicht einpassen. Er führt sich auf wie Käpt’n Chaos, hat taktische Probleme und ist wohl nur noch im Kader, weil 96 auf der linken Seite keine Alternative hat außer Valdet Rama. Auch Rama konnte sich im Trainingslager nicht näher an die erste Elf heranschleichen.

Die Fitness
Wie in der vergangenen Rückrunde wird 96 eine der ausdauerstärksten Mannschaften der Liga auf dem Platz haben. „Ich bin recht zufrieden, was unser Pensum angeht“, sagt Slomka. „Die Jungs arbeiten brutal gut“, meint Kotrainer Norbert Düwel. Immer zwei-, meist dreimal am Tag ließen sie Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer trainieren. Nachteil: „Das Spieltaktische blieb ein bisschen auf der Strecke“, gab Slomka zu. Das war in den ersten beiden Tests gegen Roter Stern Belgrad (2:3) und Kayserispor (0:2) deutlich zu sehen.

Die Taktik
Slomka hat sich auf die „Doppelsechs“ festgelegt. Manuel Schmiedebach und Sergio Pinto sollen zentral vor der Abwehr spielen. Vorzugsweise stellt Slomka ein 4-2-3-1-System mit offensiven Flügelspielern auf. Schwäche dieser Variante: 96 hat in Didier Ya Konan und Moritz Stoppelkamp nur für die rechte Seite offensive Außen, für links wird noch einer gesucht.

Die Spielreife
Wie gut, dass noch mehr als drei Wochen Zeit sind bis zum Bundesligastart. Nach den enttäuschenden Niederlagen war die Mannschaft im dritten Test gegen Genclerbirligi Ankara (1:0) endlich spielerisch überlegen. „Es gibt eine Menge Trainingsweltmeister“, sagte Slomka als „Kritikpunkt an die Mannschaft“. „Sie muss das auch auf dem Platz umsetzen“, fordert er. Allerdings probierte Slomka in den ersten beiden Tests viel aus, wechselte oft hin und her.

Außerdem waren die Spieler in den beiden Begegnungen platt vom harten Training zuvor. Erst gegen Genclerbirligi zeichnete sich ansatzweise eine Stammelf ab, die Struktur im Spiel zeigte. 96 hat personell noch Probleme in der Breite, weil nicht jede Position doppelt besetzt ist. Slomka schraubte das Saisonziel zuletzt von „weit weg von den Abstiegsplätzen“ herunter auf „Das Ziel Klassenerhalt ist realistisch“. Er weiß: „Das ist kein Traumziel für die Fans und die Verantwortlichen.“

Die Transfers
Nach dem geplatzten Elson-Transfer trifft man Schmadtke nur noch mit Mobiltelefon am Ohr. „Keine Sorge, wir holen Verstärkung“, sagt er, „geben Sie mir einfach ein bisschen Zeit.“ Die Anzeichen für Mohamed Abdellaoue (24) von Vålerenga Oslo verdichten sich. In diesem Jahr schoss der Marokkaner in 18 Spielen zwölf Tore. Sein Marktwert ist laut „Transfermarkt.de“ 750 000 Euro, er wäre aber wohl für weniger zu bekommen.

Schmadtke stehen lediglich rund 800 000 Euro zur Verfügung. Vermutlich kommen dafür noch zwei Neue, gesucht wird eigentlich für drei Positionen: Spielmacher, Stürmer, linkes Mittelfeld. Ob 96 noch etwas einnimmt, ist noch nicht klar. „Das werden wir sehen, wenn es Anfragen gibt“, sagt Schmadtke. Interesse gibts durchaus, Didier Ya Konan wird von mehreren Klubs beobachtet, am Montag schaute ein Scout von Schachtjor Donezk zu.

Das Fazit
Die Funkstille zwischen Trainer und Sportdirektor könnte die Abläufe empfindlich stören, wenn man sich nicht auf die neuen Spieler einigen kann. „Trainingsweltmeister“ hat Slomka bereits herangezüchtet. Laufen können die Spieler also, aber die Laufwege müssen besser abgestimmt sein, im Angriff fehlt noch die Durchschlagskraft. Stärker geworden ist die Viererkette mit Pogatetz, vielleicht hat die 96-Schießbude künftig geschlossen.