Ein Lebensversicherer und ein Flaschentreter


Alexander Meier besiegt mit seinen zwei Toren den HSV fast im Alleingang. Beim 2:1-Heimerfolg der Frankfurter Eintracht verliert der ausgewechselte Stefan Aigner die Fassung.



Der schönste Vollspannschuss fand abseits des Feldes statt. Als Stefan Aigner in der 77. Minute auf Geheiß seines Trainers den Dienst quittieren musste, war ihm der Zorn über die Auswechslung anzumerken. Statt sich wie üblich bei Betreuern und Bankspielern abklatschend zurückzumelden, trat Aigner mit voller Wucht gegen eine Wasserflasche.

Als der Ärger über den Wutausbruch verflogen war und vielmehr die Freude über den 2:1-Heimsieg der Eintracht gegen den Hamburger SV überwog, sagte Aigner zu vorgerückter Stunde in den Katakomben der Frankfurter Arena: „Ich habe mich entschuldigt. Ich zahle auch freiwillig eine Strafe. Und ich gebe der Mannschaft einen Leberkäse aus.“

Der Münchner im Team der Hessen suchte erwartungsgemäß nicht nach irgendwelchen Ausreden für seinen Ausrutscher. „Ich bin halt ein emotionaler Typ. Es war eine Dummheit von mir.“ Mit Milde von Trainer Thomas Schaaf konnte Aigner schon vor seinem Eingeständnis rechnen. „Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand Emotionen ablässt. Ich sehe da nichts Negatives.“


Aigner geht stets an seine Grenzen

Vorbei, vergessen, abgehakt. „Wenn man Stefan nach dem Grund seiner Auswechslung gefragt hätte, hätte er gesagt: Ich war platt, ich kann nicht mehr“, so Schaaf. Wie in den vorangegangenen Saisonspielen spulte Aigner auch gegen den HSV ein großes Laufpensum ab. Kämpferisch gehörte der rechte offensive Außenmann abermals zu den vorbildlichsten Frankfurter Fußballprofis. Aigner ist einer, der stets an Grenzen geht und alles für die Eintracht gibt.

Unmittelbar vor seiner Auswechslung hatte der sichtlich entkräftete Offensivspieler Schwierigkeiten, in der Rückwärtsbewegung einen verlorengegangenen Ball zurückzuerobern. Statt zu sprinten, was augenscheinlich nicht mehr so recht ging, trabte Aigner – und Schaaf signalisierte sofort seinem Assistenten Matthias Hönerbach, Sonny Kittel für die nahende Einwechslung zu instruieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte Aigner nach Kräften alles dafür getan, dass seine Mannschaft 2:1 in Führung lag – und diesen Vorsprung, herausgeschossen durch die Saisontore Nummer 15 und 16 von Alexander Meier (12. und 54.), auch nicht mehr aus den Händen gab.


„Wir bringen uns selbst in Gefahr“

Dass der famose Meier es verpasste, auch noch mit seinem zweiten Strafstoß binnen eines Spiels erfolgreich zu sein, konnten Spieler wie Mannschaft verschmerzen. Der HSV, der den abermals stark haltenden Eintracht-Torwart Kevin Trapp lediglich einmal durch Zoltan Stieber überwinden konnte (45.), war zu mehr nicht fähig. „Natürlich hätte ich verbal auf die Mannschaft reinhauen können, weil wir nach dem 1:1 mit einem negativen Erlebnis in die Pause gegangen sind“, sagte der Eintracht-Trainer. Doch Schaaf blieb sich treu, als er kurz und eindringlich an die Tugenden Ruhe und Geduld erinnerte. „Ja, es war ein Fehler. Aber wir lassen jetzt nichts mehr zu. Wir gehen mit einer positiven Einstellung in die zweite Halbzeit.“

Trotzdem kritisierte Schaaf, dass seine Mannschaft zum wiederholten Mal in dieser Saison leichtfertig ein Gegentor hatte hinnehmen müssen. „Wir müssen es einfach minimieren, dass wir uns oft selbst in Gefahr bringen.“ Der Ausgleichstreffer hätte tatsächlich leicht vermieden werden können. Schließlich war Mohamed Gouaida so frei, in der Vorbereitung gleich vier Frankfurter Gegenspieler wie Slalomstangen umkurvt zu haben.




Hübner: „Großer Schritt nach vorn“

Agil, fleißig, wendig: Das waren auf Seiten der Eintracht auch die beiden wiedererstarkten Takashi Inui und Lucas Piazon. Inui glänzte mit den besten Lauf- und Sprintwerten, der nicht minder aktive Piazon machte auch ohne Torerfolg eines seiner besten Spiele im Eintracht-Dress. „Lucas hat großes Potential“, lobte Trainer Schaaf den Brasilianer. „Man darf aber nicht vergessen: Er ist immer noch ein ganz junger Bursche. Er hat noch nicht so viel auf der Uhr.“ Am 20. Januar ist Piazon 21 geworden.

Sportdirektor Bruno Hübner ist 33 Jahre älter als Piazon. Er kennt die Bundesliga besser und intensiver, und Hübner weiß, was dieses 2:1 gegen den HSV wert ist. „Wir haben einen großen Schritt gemacht. Wir können jetzt auch nach vorne schauen.“ Nach vorne, das ist nach oben. Dort, wo am Ende der Saison internationale Fußballspiele locken. Vorausgesetzt, man schafft es, sich auf einem der ersten sechs Plätze festzusetzen, die zum sicheren Sprung nach Europa berechtigen.

Bastian Oczipka sieht die Eintracht nach einem abermaligen Sieg unter Flutlicht auf einem erfolgversprechenden Weg. „Wir haben uns nach unten abgesetzt“, sagte der Linksverteidiger. „Wir wollen jetzt in das obere Drittel reinpieksen.“ Voraussetzung dafür sind nicht nur gute Spiele vor heimischen Kulisse unter Flutlicht, sondern auch in der Fremde. Nach dem Erfolg gegen den HSV wird die Auswärtspartie am kommenden Sonntag in Köln zum Belastungs- und Charaktertest.





Quelle: faz.net