Spektakulärer als Real Madrid


Die Eintracht macht sich Mut für den Liga-Endspurt: Kein Team in Europa bietet mehr Unterhaltungswert. Schaafs Wunsch: Gegen Hannover nicht wieder Aufbaugegner sein.



Seit rund zehn Monaten ist Thomas Schaaf nun Trainer der Eintracht. Eine abwechslungsreiche Zeit, „mit Ausschlägen nach oben und unten“, wie er sagte. Wann immer sich Team und Trainer dabei besonders viel vorgenommen hatten, sich die Chance bot, durch ein weiteres gelungenes Fußballspiel hinaus zu klettern aus den Regionen, die an die ungemütlichen Zonen der Bundesliga-Tabelle angrenzen, blieb sie den Beweis schuldig, höheren Anforderungen gerecht werden zu können. Unzulänglichkeiten, besonders in der Verteidigung des eigenen Tores, machten es den Gegnern in der Rückrunde leicht, gegen die in der Fremde anfälligen Frankfurter zum Erfolg zu kommen. Wenn die Eintracht nicht vor eigenem Publikum beständig gepunktet hätte – 24 ihrer 34 Zähler sicherte sie sich in der WM-Arena –, müsste sie sich ernsthaftere Sorgen im Kampf um den Klassenverbleib machen. Doch auch so blickt Alexander Meier dem viertletzten Heimpartie an diesem Samstag gegen Hannover nicht sonderlich frohgemut entgegen. „Das Spiel ist gefährlich. Weil unser Programm danach nicht ohne ist“, sagte der Goalgetter der „Bild“. Und er verkniff sich einen selbstkritischen Hinweis nicht: „Weil wir uns auswärts zu doof angestellt haben.“

Nach oben ist für die Hessen rechnerisch nur dann noch etwas denkbar, sollten die Konstellation im DFB-Pokal es möglich machen, dass auch der siebte Rang für die Qualifikation fürs internationale Geschäft genügt; nach unten, so haben es Statistiker mit Blick auf die verbliebenen Konstellationen aller 18 Konkurrenten ausgerechnet, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Eintracht noch in die Bredouille gerät, knapp ein Prozent – bei einem Sieg gegen Hannover wäre sie definitiv aller Sorgen ledig.


Zuhause läuft es für die Eintracht rund

Das Aufeinandertreffen ist ein Duell, das seinen Reiz auch aus der Vorgeschichte bezieht. Im Herbst unterlagen die Frankfurter in Hannover 0:1. Kurz vor Schluss unterlief Alexander Madlung ein Eigentor, der das Bemühen der von Schaaf aufgebotenen Elf, ohne größeres aktives Zutun schadlos über die Runden zu kommen, zunichte machte. Im Anschluss an den Misserfolg kam es zu Veränderungen an der Taktik, die Außenverteidiger schalten sich wieder mehr in die Offensive ein und die personellen Wechselspiele auf dem rechten Flügel hatten fortan ein Ende; seitdem ist Stefan Aigner gesetzt. Auf wessen Initiative die Korrekturen vorgenommen wurden, ob auf Anregungen aus dem Kader, wie einige Profis andeuteten, oder ob sie auf der Idee Schaafs beruhten, gehört bis heute zu den ungeklärten Fragen der Frankfurter Saison: Spieler erzählen es so, der Chefcoach so.

Fest steht bei allem Interpretationsspielraum: Schon im ersten Heimspiel nach der Umstellung, gegen den FC Bayern, zeigte die Eintracht ein neues Gesicht, wirkte mutiger und entschlossener, obwohl das Kräftemessen mit dem Rekordmeister 0:4 endete; daheim hat sie seitdem immer wieder diese Courage gezeigt. Aber eben auch nur dort. Aus den seit November zurückliegenden sieben Vorstellungen im Stadion im Stadtwald ging sie nicht einmal als Verlierer vom Platz: Warum es vor allem Zuhause rund lief und sonst nur schleppend? „Weil uns da unsere Fans besonders unterstützen, auch wenn es im Spiel ein bisschen stottert“, lautete Schaafs Erklärungsansatz.


Spekulationen über Sebastian Jung

Er hat die freie Wahl, mit wem er es am 27. Spieltag in der Anfangsformation versuchen möchte. Auch alle sieben Nationalspieler, die bis Mitte der Woche quer über den Globus verstreut unterwegs waren, meldeten sich fit zurück. Schaaf wird wohl an Timothy Chandler festhalten. Der Amerikaner gab defensiv unlängst eine unglückliche Figur ab und seine dadurch wachsende Verunsicherung spiegelte sich in mehr als einem Lapsus. Als Alternative böte sich Aleksandar Ignjovski an, der wegen mehrere Infekte seit der Winterpause außen vor war. Der Serbe selbst sagte vor seinem Wechsel im Juli 2014 aus Bremen an den Main, dass er am liebsten gar nicht mehr als Verteidiger aufgeboten werden würde, sondern sich als „Sechser“ vor der Viererkette sieht. Bei Schaaf fand er damit wenig Gehör. In den kürzlich absolvierten Tests gegen unterklassige Konkurrenz nominierte er Ignovski als linken Abwehrmann, was für einen Rechtsfuß wie ihn eine Herausforderung darstellte.

Gleichzeitig wurde David Kinsombi auf rechts außen getestet. Der 19-Jährige kann aber nicht ernsthaft mit einen Platz in der Startelf an diesem Wochenende spekulieren, dafür waren seine (erst zwei) Pflichtspieldarbietungen zu schwankend; und es mehren sich gerade auch intern die Stimmen, dass Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner es doch versuchen sollte, den zum VfL Wolfsburg abgewanderten – dort als Reservisten aber unzufriedenen – Sebastian Jung im Sommer wieder auszuleihen. Personalfragen spielten auf der Pressekonferenz am Freitag bei Schaaf keine Rolle. Er äußerte vielmehr den Wunsch, dass sein Team die Aufgabe gegen Hannover „dominant gestalten“ solle, denn nur dann habe sie die Aussicht, sich den zehnten „Dreier“ und „Planungssicherheit“ zu verdienen.

Im angestrebten Idealfall stehen in der Eintracht-Bilanz schon an diesem Abend 37 Punkte auf der Habenseite – das wäre einer mehr als in der kompletten Vorsaison. Und damit ein Fortschritt, wie Schaaf sagte: „Dann hätte man die Situation geschaffen, in der man zeigt, dass man sich weiter entwickelt. Unser Weg ist insgesamt korrekt.“ Aber nicht frei von Hindernissen, wie 52 Gegentreffer belegen. Durchschnittlich fielen so unter Mitwirkung der Eintracht in diesem Sportjahr 3,9 Tore, wie ihr neuer Pressechef Markus Jestaedt berichtete – das ist ein europäischer Spitzenwert, der Rang eins vor Real Madrid (3,7) und dem FC Barcelona brachte (3,5) und den Zuschauern für dieses Wochenende mit der Prüfung gegen Hannover zumindest eines in Aussicht stellt: Unterhaltung, die sie aktuell in den besten fünf Ligen des Kontinents sonst nirgends geboten bekommen.




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