„Ich nehme mich nicht so wichtig“

Wenn das Geld stimmt, ist alles denkbar: Sportdirektor Bruno Hübner hält den Abgang von Torhüter Trapp von Eintracht Frankfurt für möglich. Im FAZ.NET-Interview spricht er zudem über die Ansprüche an Trainer Veh, fallende Tabus und Verhandlungstaktiken.



Haben Sie überhaupt Zeit, um mit uns zu reden?

Sicher, ich nehme sie mir. Warum denn nicht?

Nun ja, wir dachten: Der Trainer ist gefunden, der Aufsichtsrat bestellt, jetzt müssen Sie bei der Kaderplanung richtig loslegen, oder?

Stimmt, wir sind mittendrin in der Transferperiode. Mit Armin Veh denken wir nun nach vorne und müssen handeln. Dass der Fokus jetzt auf mich gerichtet ist, bin ich gewohnt. So ist das halt, seit ich bei der Eintracht bin. Ich gehe jetzt ins fünfte Jahr, und irgendwann, so hoffe ich, wird es einmal so sein, dass ich meinen Urlaub so antreten kann, wie ich es geplant hatte. Bislang kam immer etwas dazwischen. Da meine drei Söhne auch Fußball spielen, ist das Zeitfenster, um gemeinsam wegzufahren, begrenzt. Dieses Jahr wollten wir acht Tage nach Fuerteventura, das habe ich absagen müssen.

Viele Fotos von Ihnen haben eine Eigenheit: Ganz oft werden Sie mit Handy am Ohr abgelichtet.

Das ist immer dabei. Ob es richtig ist, weiß ich auch nicht. Es ist schon eine Belastung. Ich stelle den Anspruch an mich, immer erreichbar zu sein. Damit nicht irgendetwas verlorengeht ...

... das heißt, ab morgens um sieben Uhr greifen Sie zum Hörer?

Nein, ich bin nicht so der Morgenmensch, dafür aber bis lange in die Nacht hinein aktiv. Ich lasse gerne am Abend den Tag Revue passieren, lese online, unter anderem auf Transfermarkt.de, was so alles passiert ist, reagiere noch einmal auf Entwicklungen, während andere vielleicht schon abgeschaltet haben. So von 8.30 Uhr bis halb eins, das sind in der Regel die Zeiten, an denen man mit mir sprechen kann.

Verraten Sie uns, mit wem?

Das ist kein Geheimnis: Spielerberater, Manager, Profis, Trainer – alle, die im Fußballgeschäft am Ball sind.

Haben Sie mehr als ein Handy, oder wie sind Sie für Freunde und Familienangehörige zu erreichen?

Nein, nur eins. Die wissen, dass ich zu bestimmten Zeiten nur schwer zu bekommen bin. Sie senden mir eine SMS, dann rufe ich zurück. Mit meiner Familie ist ausgemacht, dass ich, wenn wir mal zusammen frühstücken, das Handy zumindest für einen Augenblick weglege oder ausmache, damit wir kurz Ruhe haben.

Ist die Bundesliga-Sommerpause die stressigste Zeit des Manager-Jahres?

Es ist immer was los, nur in der jetzigen Phase, da nicht gespielt wird, rückt die Arbeit der Manager ein bisschen mehr in den Vordergrund. Früher war es anders: Da wurde es, als die Transfers abgeschlossen waren, wieder ein wenig entspannter. Das gibt es heute nicht mehr. Der Markt hat sich verändert, er ist pausenlos in Bewegung, man muss schneller agieren. Jeder will der Erste sein, um nicht in die Wettbewerbssituation mit anderen Vereinen zu kommen. Es werden viele Verträge schon frühzeitiger abgeschlossen. Wenn Verträge nach der Saison auslaufen, setzt man sich zumeist schon im Januar zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

In diesem Frühjahr hat die Eintracht aber vergleichsweise wenig Transfers abgeschlossen. Warum?

Die Priorität in unseren Planungen war eine andere. Wir haben versucht, und es ist uns ja auch gelungen, den Stamm des Kaders zu halten und darauf aufzubauen. Das sicherte uns Qualität – und wenn sich tatsächlich auf dem Markt die Gelegenheit ergibt, dass bessere Qualität zu bekommen ist, kann man immer noch reagieren. Wir werden punktuell agieren. In der Vergangenheit gab es ganz oft große Umbrüche, die wir zu bewältigen hatten. Die drei schweren Verletzungen von Meier, Anderson und Kittel haben unsere ursprünglichen Ideen ein Stück weit über den Haufen geworfen, für diese Positionen müssen wir nun auch Lösungen berücksichtigen. Das zeigt: Wenn du denkst, es ist an alles gedacht und auf dem richtigen Weg, kommt doch aus heiterem Himmel alles ganz anders.

Wie groß ist der Druck auf Sie?

Daran habe ich mich gewöhnt. Hier ist immer Dampf auf dem Kessel. Meine vier bisherigen Jahre bei Eintracht Frankfurt sind ja eher eine Erfolgsgeschichte: Zu Beginn, als ich hier angefangen habe 2011, hatte ich kein funktionierendes Team und keinen Trainer, und wir sind souverän aufgestiegen. In der Saison darauf sind wir Sechster in der ersten Liga geworden, die beste Plazierung seit 20 Jahren. Danach haben wir in der Europa League für Furore gesorgt, und es gab wirtschaftlich das beste Jahr in der Geschichte der Eintracht. Zuletzt sind wir mit dem neunten Platz wieder in der oberen Tabellenhälfte gelandet. Das sind Fakten, die sich sehen lassen können. Und die Sicherheit und Selbstvertrauen geben. Nur darauf ausruhen darf man sich natürlich nicht.

Armin Veh sagte bei seiner Präsentation: Wir dürfen uns bei der Team-Zusammenstellung keine großen Fehler erlauben. Wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung um?

Das war in den letzten Jahren auch so. Großartige Fehlgriffe können wir uns nicht erlauben. Wolfgang Steubing, der neue Aufsichtsratschef, war der erste, der es mal öffentlich gesagt hat: „Ich möchte nicht in der Haut von Bruno Hübner stecken.“ Bei Eintracht Frankfurt ist bislang nicht so viel Geld für Investitionen vorhanden, wie alle immer denken. Jetzt sind es vorerst zwischen zweieinhalb und drei Millionen Euro, die wir für neue Leute ausgeben können. Wenn man davon abzieht, was alleine an Beraterhonorar gezahlt werden muss, wird man schnell feststellen, dass große Sprünge nicht drin sind. Aber wir haben unsere Ideen und sind zielstrebig. Wir wollen auch Transfererlöse erzielen, um mehr Spielraum zu erhalten. Insgesamt müssen wir die Trefferquote bei Transfers beibehalten und ausbauen. Drei bis vier sollen es noch sein. Dafür lassen wir uns die Zeit, die wir brauchen ...

... im Zweifelsfall dauert es bis zum Ende der Wechselperiode Ende August, bis der Kader komplett ist?


Ja.

Im vergangenen Jahr wurden Sie vom ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Wilhelm Bender für Ihre Transferpolitik gerüffelt. Sein Vorwurf: Sie kündigen mehr Geschäfte an, als Sie tatsächlich abschließen. Wie würden Sie Ihren Arbeitsstil beschreiben?

Ich lasse mich von Hektik nicht anstecken. Gelassenheit ist meine Stärke, und ich bin hartnäckig. Der Trainer will irgendwann den Kader zur Verfügung haben, der ihm vorschwebt. Da tickt dann die Uhr. Aber es hilft nichts, in Panik zu verfallen, sondern ich arbeite beharrlich an der Lösung weiter, von der ich überzeugt bin, dass sie die beste für Eintracht Frankfurt ist. Ich kann in den Verhandlungen nicht das Finanzielle in den Mittelpunkt rücken, denn da gibt es Mitbewerber, die können ungleich mehr zahlen. Ich versuche das Projekt Eintracht schmackhaft zu machen, Perspektiven aufzuzeigen, persönliche Entwicklungschancen zu skizzieren.

Das bedeutet konkret?

Ich muss die Spieler emotional mit auf die Reise nehmen, so dass sie bereit sind, ein Stück weit ins Risiko zu gehen. Und das gelingt nur, wenn der Kontakt zum Spieler und seinem Berater intensiv ist – und nicht oberflächlich stattfindet. Und ich kann mich in die jungen Leute gut reinversetzen, weil viele in dem Alter meiner Söhne sind. Wenn es mir gelingt, mich mit den Spielern an einen Tisch zu setzen und meine Vorstellungen darzulegen, habe ich sie in aller Regel schnell infiziert mit dem Eintracht-Virus.

„Wer nicht vorwärtskommt, geht zurück“, heißt ein Sprichwort. Die Entscheidung, Veh wieder zu verpflichten, wird durchaus skeptisch beurteilt. Warum macht sie für Sie dennoch Sinn?

Ich kann verstehen, dass viele Fans gespalten sind. Ich war auch enttäuscht, dass Armin, mit dem ich eine freundschaftliche Beziehung habe, uns 2014 verlassen hat. Und dann so schnell wieder eine neue Aufgabe angenommen hat. Aber er hat bei der Entscheidung nicht lange rational überlegt, sondern Stuttgart war für ihn eine Herzensangelegenheit. Und nach seinem Schritt zum VfB hat er erst gemerkt, dass ihm offensichtlich die nötige Frische fehlt, wie sehr sich der Klub doch verändert hat und was ihm die Eintracht bedeutet und wie gut sie im Vergleich aufgestellt ist. Seine Aussage, die ihm jetzt vorgehalten wird, er vermisse in Frankfurt Perspektiven, ist auch aus der Enttäuschung heraus gefallen, weil sein Abgang ein bisschen unglücklich kommuniziert worden war. Ich kann nur so viel sagen: Armin Veh ist super ehrgeizig, nach seiner Auszeit ausgeruht und voller Motivation. Er will mit der Eintracht etwas bewegen.

Veh sagt, er will sich einen Überblick verschaffen, wenn er mit dem Training am 1. Juli startet. Sie und er werden sich aber schon verständigt haben, wie das Eintracht-Team künftig ausschauen soll. Was wird sich ändern? Was macht die Hängepartie um Zambrano?

Wir haben mit ihm eine Vereinbarung getroffen, die für beide Seiten eine Win-win-Situation ist. Mehr möchten wir dazu nicht sagen.

Inui?

Hat einen Vertrag mit uns.

Und falls sich ein Interessent für ihn findet?

Dann geben wir ihn ab.

Was wird aus Rosenthal, der an Darmstadt 98 ausgeliehen war?

Er hat vielleicht gehofft, dass ein anderer Trainer zur Eintracht kommt. Die Hoffnung ist ihm mit der Rückkehr von Armin Veh genommen. Wir streben mit Rosenthal eine Lösung an.

Mit den „Lilien“?

Wo auch immer.

Geht Kadlec zum FC Midtjylland?

Wir haben ein konkretes Angebot der Dänen vorliegen, mit dem wir uns hundertprozentig identifizieren. Doch der Klub ist sich mit dem Spieler noch nicht einig. Václav hat noch drei, vier andere Anfragen. Dänemark wäre nicht uninteressant für ihn. Er würde Champions League spielen. Er wäre wieder im Fokus.

Bleibt die Personalie Madlung.

Mit ihm sind wir in Kontakt. Es hängt ein Stück weit auch damit zusammen, wie wir am Markt agieren. Wenn wir den ein oder anderen Spieler bekommen, wird es schwieriger. Ansonsten wissen wir, was wir an ihm haben.

Veh sagte bei seiner Präsentation, er sei auch ein Träumer und wieder bei der Eintracht, weil er erreichen wolle, was niemand erwarte. Wovon träumen Sie?

Weil ich von Grund auf optimistisch bin, glaube ich immer an das Gute. Armin ist wie ich: Für mich und ihn ist das Glas immer halbvoll. Er glaubt: Wenn wir uns verstärken, ist schon etwas möglich. Ist doch klar: Wenn man gesehen hat, wie wir europäisch unterwegs gewesen sind, dann hat das allen Spaß gemacht. Und dass wir in der vergangenen Saison Neunter geworden sind, ist eine super Leistung. Daran wollen wir anknüpfen – und versuchen, uns noch zu verbessern.

Das Finanzierungsmodell am Kapitalmarkt soll in absehbarer Zeit zehn Millionen Euro bringen. Kommt kurzfristig ein zweistelliger Millionenbetrag in die Kasse, der aus Paris für Torwart Kevin Trapp überwiesen wird?

Das Konzept der Genussscheine wird in dieser Transferperiode noch nicht greifen. Ich hoffe sehr, dass es umgesetzt wird. Zu den Gerüchten um Kevin Trapp: Es ist so, dass wir schriftlich nichts vorliegen haben. Solange dies nicht der Fall ist, beschäftigen wir uns nicht damit. Wir haben mit ihm ja auch verlängert, weil er ein Gesicht der Eintracht werden soll. Wenn ein Angebot kommt, das unseren Erwartungen entspricht, müssen wir darüber nachdenken. Egal, ob es nun um Kevin oder um jemand anderes geht. Es gibt kein Tabu.

Nun ist Heinz Lindner von der Wiener Austria als neuer Keeper verpflichtet worden. Würde er dann die neue Nummer eins? Und was passiert mit Emil Balayev und Yannick Zummack?

Wir wollen eine verstärkte Wettbewerbssituation im Tor haben – unabhängig davon, ob wir Kevin abgeben oder nicht. Mit Heinz Lindner, der erst 24 Jahre alt ist, haben wir einen jungen Mann bekommen, den wir aufbauen können. Wenn Trapp gehen sollte und wir keinen Besseren finden, könnte er unser erster Mann werden. Zummack hat mit dazu beigetragen, dass die U-19 nicht abgestiegen ist. Und er hat es auch bei uns gut gemacht und sich empfohlen. Mit Balayev haben wir einen weiteren jungen Torhüter. Da können wir schauen, wer von ihnen die bessere Entwicklung nimmt.

Joselu, der 2013/2014 an Frankfurt ausgeliehen war, verlässt jetzt Hannover und heuert gegen Zahlung von acht Millionen Euro bei Stoke City an. Wie sehen Sie die Chancen, dass die Eintracht alsbald ähnliche Einkünfte erzielt?

Ich höre oft das Lob, dass ich ein gutes Gefühl für Spieler habe. Doch die Bereitschaft, Transfererlöse zu erzielen, war in den vergangenen Jahren nicht vorhanden. Wir brauchten vielmehr ein Mannschaftskorsett, mit dem wir auf jeden Fall die Klasse halten konnten. Erst dann kann man irgendwann einmal abgeben. Diese Gelegenheit bietet sich uns jetzt zum ersten Mal. Wenn wir andere finanzielle Möglichkeiten gehabt hätten, bin ich sicher, dass der eine oder andere große Spieler schon bei der Eintracht wäre. An dem Lauterer Willi Orban waren wir dran. Doch die Leipziger haben andere Möglichkeiten. Wenn wir gewollt hätten, hätten wir auch Haris Seferović für einen zweistelligen Millionenbetrag verkaufen können.

Mit Armin Veh ist Ihr Wunschtrainer wieder an Bord. Wer ist Ihr bevorzugter Kandidat für den Mitte 2016 freiwerdenden Posten des Vorstandsvorsitzenden?

Da mache ich mir keine Gedanken. Alle Beteiligten sind aufgefordert, die bestmögliche Person zu finden.

Veh sagt: Der Trainer ist die Lokomotive des Vereins. Was ist dann der Sportdirektor?

Ich nehme mich nicht so wichtig. Jeder weiß, was ich leiste. Ich bin keiner, der ein Visitenkärtchen hinlegt, auf dem steht: Sportdirektor Eintracht Frankfurt. Mir ist es lieber, wenn meine Gesprächspartner hinterher sagen: Boah, wer war denn das?





Quelle: faz