Dunkle Schatten liegen über der Eintracht

Kein Grund zum Feiern: Bei Schaafs Rückkehr nach Bremen verlieren die Frankfurter ihr sechstes Auswärtsspiel in Folge, die Saison dümpelt ihrem Ende entgegen. Schlimmer noch wiegt etwas anderes...



Er versuchte noch einmal weiterzuspielen. Kurz darauf aber lag Sonny Kittel wieder auf dem Rasen des Bremer Weserstadions, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ob er da schon ahnte, dass das Verletzungspech ausgerechnet ihn schon wieder so hart getroffen hatte? Am späten Samstagabend bestätigten sich die Befürchtungen: Dem leidgeprüften jungen Mittelfeldspieler der Frankfurter Eintracht ist diesmal das vordere Kreuzband im linken Knie gerissen, zudem wurde das linke Innenband verletzt.

„Wir sind zutiefst erschrocken über die Diagnose“, sagte Thomas Schaaf zu einer Nachricht, die alle weiteren Ereignisse des Samstags überschattete – die Rückkehr der Werder-Legende Schaaf nach Bremen etwa, auch die nächste Auswärtspleite der Eintracht, die am langjährigen Arbeitsplatz ihres Fußballlehrers mit 0:1 (0:0) verlor. Der 53-Jährige durfte sich über einen herzlichen Empfang der Werder-Fans freuen, für den er sich auch bedankte. Sein größerer Wunsch aber blieb unerfüllt: „Ich war mit der Eintracht hier, um erfolgreich zu sein. Das habe ich leider nicht geschafft“, räumte Schaaf ein.

So dümpeln die Hessen weiter dem noch drei Spiele entfernten Saisonende der Bundesliga entgegen. Die allerletzte Chance, irgendwie doch noch auf den Zug nach Europa aufspringen zu können, ist nebenbei auch vergeben. Während die von Schaafs einstigem Schüler Viktor Skripnik seit dessen Amtsübernahme im Herbst vom letzten auf den siebten Tabellenplatz geführten Bremer von internationalen Aufgaben träumen dürfen, können die Frankfurter noch froh sein, vor der Winterpause ein ordentliches Polster gesammelt und insgesamt in der Heimat wenigstens ordentlich gepunktet zu haben. Sonst stünde man knietief im Klassenkampf.

Auch so freilich ist die Gefahr nicht ganz gebannt. Theoretisch ist sogar der direkte Abstieg noch möglich – wenn auch höchst unwahrscheinlich. „Natürlich haben wir die Tabelle gesehen. Solange nichts ganz sicher ist, haben wir Respekt“, bekundete Kapitän Kevin Trapp. Die Zahlen sind erschreckend: Dieses nächste unschöne Reisererlebnis war die sechste Auswärtspleite in Folge, in acht Rückrundenspielen in der Fremde verbuchte man nur einen Punkt. Und seit seine Patellasehnen-Operation Torjäger Alexander Meier für rund ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt hat, hat die vorher so treffsichere Eintracht kein Tor mehr geschossen, in inzwischen vier Partien.

Auch gegen den unsicheren Werder-Torwart Koen Casteels und die löchrige Bremer Abwehr, die bis zum Samstag mit den Frankfurter Kollegen die schlechteste der Liga war und der drei Stammkräfte fehlten, gelang das nicht. Dabei hatte der unglückliche Kittel (3. und 7.) früh zwei gute Gelegenheiten, später unter anderem auch der nach 20 Minuten für ihn eingewechselte Takashi Inui. Bezeichnend für die fehlende Frankfurter Durchschlagskraft war die Großchance des schmächtigen Japaners in der 62. Minute: Da ließ er den Bremer Fritz fein aussteigen, um dann Torwart Casteels mit einem Kullerball gar keine Mühe zu bereiten – schlappe 49 Stundenkilometer Schussgeschwindigkeit zeigte der sogenannte „Karacho-Tacho“ auf der Anzeigetafel.

„Wir wollen nicht jammern. Aber natürlich fehlen uns mit Meier und Aigner die beiden Spieler mit den meisten Toren, das merkt man schon“, bemerkte Schaaf. „Wir haben es immer wieder probiert, aber den entscheidenden Punkt konnten wir leider nicht setzen.“ Angesichts von einigen Möglichkeiten hüben wie drüben konnte er von einem „unterhaltsamen Spiel“ sprechen. Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass es „insgesamt kein gutes Spiel“ war, wie Linksverteidiger Bastian Oczipka urteilte: „Es gab sehr viele Fehlpässe, viele Ungenauigkeiten.“

Die Kampfbereitschaft, fand Oczipka zurecht, habe man der Eintracht nicht absprechen können. Das war es aber im Grunde auch schon. Während die Bremer ihr Glück nach der Pause erzwingen wollten und auch fanden – mit einem Zufallstreffer von Davie Selke in der 65. Minute, der nach einem Junuzovic-Freistoß Lukimyas Kopfball an die Brust bekam. Die Kugel prallte von dort vorbei am vorher und nachher mehrmals glänzend rettenden, da aber chancenlosen Schlussmann Trapp ins Frankfurter Tor.

In dieser Szene war Pech im Spiel. Die grundlegende Frage aber bleibt, wie der Abwärtstrend aufgehalten werden soll. Für Sportdirektor Bruno Hübner hat der Absturz schon jetzt unangenehme Folgen. Nicht nur wegen so manch wieder einmal verspielter TV-Million, auch wegen der Perspektive für etwaige neue Spieler. Obendrein muss er bei den Personalplanungen nun noch die langen Ausfälle von Meier und Kittel bedenken.

Kurzfristig ist keine Besserung in Sicht. Sein entzündeter Nerv könnte den schmerzlich vermissten Stefan Aigner auch nächsten Samstag gegen Hoffenheim zum Zuschauen zwingen. Derweil für Sonny Kittel, der bei einem harmlosen Zweikampf im Rasen hängenblieb und sich das Knie verdrehte, wieder einmal ein langer, harter Weg beginnt. Vermutlich noch diese Woche steht seine bereits vierte schwere Knie-Operation an. Kreuz-bandriss rechts, Knorpelschäden auf beiden Seiten, nun der Kreuzbandriss links. „Es tut uns unendlich leid, dass Sonny nach all den Rückschlägen in seiner noch jungen Karriere schon wieder eine schwere Knieverletzung erlitten hat“, erklärte Schaaf betroffen. „Wir wünschen ihm, dass er so schnell wie möglich wieder gesund wird, denn wir brauchen ihn.“


Verletzungspech: Die Liste des Grauens

Thomas Schaaf und seine Mannschaft sind in der laufenden Saison nicht vom Glück verfolgt. Immer wieder musste der Trainer seine Startelf umbauen. Das Verletzungspech wütete gnadenlos in der Mainmetropole. Mehrere Spieler waren und sind monatelang außer Gefecht gesetzt.

Grund für uns, die Frankfurter Ausfälle aufzulisten.

Kevin Trapp: Der Eintracht-Kapitän erlitt am sechsten Spieltag einen Syndesmosebandriss. Der Keeper kehrte erst am 19. Spieltag zwischen die Pfosten zurück.

Felix Wiedwald: Der Trapp-Vertreter erkrankte am 15. Spieltag am Pfeifferschen Drüsenfieber und musste einige Wochen pausieren.

Carlos Zambrano: Mandelentzündung, Außenbandriss im Knie und ein Muskelfaserriss. Der Frankfurter Abwehrchef wurde in der laufenden Spielzeit häufig ausgebremst. .

Stefan Aigner: Musste sich zu Saisonbeginn einer Arthroskopie unterziehen. Fiel zwischen dem ersten und dritten Spieltag aus. Brauchte lange, um seine Topform zu erreichen. War erst Mitte der Hinrunde wieder richtig fit. Zählte in der Rückrunde zu den Stützen des Teams. Plagt sich seit dem 30. Spieltag mit Oberschenkelproblemen herum, fehlte gegen Dortmund und Bremen.

Aleksandar Ignjovski: Eine hartnäckige Magen-Darm-Grippe bremste den Neuzugang Mitte der Hinrunde aus. Hinzu gesellte sich eine Oberschenkelzerrung, die den Serben vollkommen aus der Bahn warf. Musste sich schon vor der Saison wegen einer Sprunggelenksverletzung unters Messer legen. Jetzt endlich wieder dabei.

Constant Djakpa: Hat sich am vierten Spieltag beim Auswärtsspiel auf Schalke das Kreuzband gerissen. Fiel monatelang aus. Ist jetzt wieder zurück.

Marco Russ: Fiel am 17. Spieltag mit einem Muskelfaserriss aus. Beim Auswärtsspiel in Köln zog er sich eine Meniskusverletzung zu. Das vorzeitige Saison-Aus drohte. Am 31. Spieltag kehrte er überraschend ins Team zurück.

Nelson Valdez: Der Neuzugang erlitt einen Kreuzbandriss. Zog sich die schwere Verletzung beim 2:2 gegen den VfL Wolfsburg zu. Feierte in der Rückrunde gegen Paderborn sein Comeback.

Marc Stendera: Der junge Mittelfeldspieler kämpfte sich nach einem im Juli 2013 erlittenen Kreuzbandriss zurück ins Team. Wurde behutsam zu Saisonbeginn aufgebaut und zählt seit Mitte der Hinrunde zu den Stammkräften. Kam aber auch nicht beschwerdefrei durch die Saison. Musste wegen einer Mandelentzündung und Wadenproblemen drei Spiele pausieren.

Johannes Flum: Ein Muskelfaserriss setzte ihn am vierten Spieltag außer Gefecht. Hinzu gesellten sich noch muskuläre Probleme, die den Ex-Freiburger vollkommen außer Tritt brachten. Bis zum zehnten Spieltag stand er auf der Verletztenliste.

Sonny Kittel: Benötigte verständlicherweise lange, um sich von den schweren Verletzungen in seiner jungen Karriere zu erholen. Der Pechvogel, der bereits zwei Knorpelschäden und einen Kreuzbandriss überwinden musste, wurde wie Stendera zum Anfang der Hinrunde wieder aufgebaut. Durfte am zehnten Spieltag endlich wieder Bundesliga-Luft atmen. Spielte sich in der Rückrunde in die Startelf. In Bremen dann der Schock: Kittel riss sich das Kreuzband im linken Knie und zog sich noch eine Verletzung am Innenband zu. Fällt nun wieder sechs Monate aus.

Alexander Meier: Erzielte sensationelle 19 Tore, ehe er vom Verletzungspech ausgebremst wurde. Musste wegen Patellasehnenproblemen operiert werden und fällt damit monatelang aus. Fehlt der Mannschaft an allen Ecken und Enden.

Luca Waldschmidt: Der blutjunge Stürmer, der vor der Saison mit einem Profivertrag ausgestattet wurde, ist dramatisch ausgebremst worden. Die komplette Hinrunde war er mit einer Schambeinentzündung zum Zuschauen verdammt. Jetzt endlich verletzungsfrei. Feierte gegen Dortmund sein Bundesliga-Debüt.

Joel Gerezgiher: Syndesmosebandanriss in der Hinrunde, Muskelfaserriss in der Rückrunde. Der junge Mittelfeldspieler muss in dieser Saison viele Rückschläge verdauen.

Slobodan Medojevic: Der Neuzugang fiel am zwölften Spieltag mit einer Erkältung aus.





Quelle: fnp