Auf der Suche nach sich selbst


Die anhaltende Diskussion um seine Spielart hat Carlos Zambrano in eine kleine Identitätskrise gestürzt. Er muss die richtige Balance zwischen gesunder Härte und überflüssigen Eskapaden finden.



Es hat in diesen Tagen eine Menge Leute gegeben, die sich ernsthaft gefragt haben, ob der Schiedsrichter die Partie am Sonntag in Köln auch dann hätte weiterlaufen lassen, wenn nicht Carlos Zambrano der betroffene Spieler gewesen wäre, sondern, sagen wir, Alexander Madlung. Diese Luftkampf im Spiel von Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Köln führte dann zur 1:0-Führung der Gastgeber, Zambrano lag derweil am Boden, hart und wahrscheinlich regelwidrig attackiert von Anthony Ujah.

Natürlich ist diese Frage hypothetischer Natur, keiner kann sie seriös beantworten. Aber sie führt zum Kern der Diskussion. Es geht um Zambrano, es geht um seine Art, Fußball zu spielen. Und es geht darum, wie er gesehen wird. Vorab kann man nämlich festhalten: Zambrano hat, außerhalb Frankfurts, ein miserables Image.

Der Peruaner gilt als Raubein, als einer, der mit allen Wassern gewaschen ist, alle Mittel einsetzt. Er ist knallhart, kompromisslos, unerbittlich, ein außergewöhnlich guter Stopper. Deshalb will ja Eintracht Frankfurt weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen, ihn zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen und ihn zu einem der Topverdiener aufsteigen zu lassen.


Zambrano wird provoziert

Ein rechter Spaß ist es nicht, gegen den 25-Jährigen spielen zu müssen. Er neigt zur Theatralik, spielt zuweilen unsauber, geht bei der kleinsten Berührung zu Boden, scheut auch das verbale Scharmützel mit seinem Gegenspieler nicht. Das alles ist nicht neu. Man muss aber auch dazu sagen: Bis auf die Gelb-Rote Karte unlängst im Spiel gegen den FSV Mainz 05 ist der Verteidiger in 106 Bundesligaspielen nie vom Platz gestellt worden.

Hinterher, sagte Zambrano, einmal im FR-Interview, sei das alles vergessen, „da gibt man sich die Hand und fertig“. Doch ganz so einfach ist es nicht mehr.

Zambrano steckt voller Emotionen, Leidenschaften, auch Jähzorn ist darunter. Und mittlerweile ist das in der Bundesliga weitgehend bekannt. Und so legen es zahlreiche Gegenspieler darauf an, Zambrano zu provozieren, zu ärgern, zu piesacken. Weil sie wissen, dass er auf solche Dinge leicht (über)reagiert. In Köln war das geradezu exemplarisch zu sehen. Der Brasilianer Deyverson führte ein fast schon absurdes Theaterspiel auf, ständig markierte er den sterbenden Schwan, ständig lamentierte er, ständig lag er am Boden. Sein Ziel war klar: Zambrano mürbe machen, die Gelbe Karten provozieren, ihm auf die Nerven gehen. Auch das ist nicht neu, schon Ex-Trainer Armin Veh musste seinen besten Abwehrspieler öffentlich schützen. Er sprach von einem regelrechten „Kesseltreiben“, das gegen Zambrano initiiert werde. Und dass, obwohl der Abwehrspieler häufiger gefoult wurde als die Stürmer. Veh riet ihm schon, auf „Mätzchen“ künftig zu verzichten. Auch Trainer Thomas Schaaf sieht seine Nummer 5 fast schon „abgestempelt“, zum Buhmann erklärt. Man könne bei Zambrano ruhig die Lupe anlegen, sagte der Fußball-Lehrer, aber dann bitte schön „auch bei allen anderen“.

Die Krux bei der Sache ist aber: Das Gerede um seine Art zu spielen, hat seine Wirkung auf Zambrano nicht verfehlt. Er steckt in einer Identitätskrise.

In Köln war das augenscheinlich: Zambrano weiß, dass ihn die Schiedsrichter auf dem Kieker haben, er ist ein rotes Tuch, wird ganz genau wahrgenommen. Er weiß, dass er „am Pranger steht“, wie Sportdirektor Bruno Hübner sagt. Jedes Foul von ihm sei eine große Sache, führe oft zur Gelben Karte; wenn er dagegen zu Boden geht, sei es Theatralik. „Carlos steht total im Fokus“, findet der Manager. Die Folge ist: Zambrano hat in Köln nahezu körperlos gespielt, mindestens aber mit angezogener Handbremse, immer auf der Hut, sich nur ja nichts zuschulden kommen zu lassen. Zambrano light, sozusagen. War es deshalb Zufall, dass er sich in der Schlussphase den Ball hat abluchsen lassen wie ein Anfänger?

Wenn Zambrano aber so spielt, ohne Körperkontakt, ohne Aggressivität, beraubt er sich selbst seiner Stärke, dann ist er eben keine Bank mehr im zentralen Abwehrverband. Dann ist er nicht mehr der Stopper, vor dem man Respekt hat. Dann ist Carlos Zambrano nicht mehr Carlos Zambrano.

Trainer Schaaf hat am Mittwoch gesagt, „wir wollen ihn nicht verändern“. Der Südamerikaner ist jetzt aber dessen ungeachtet in einer argen Zwickmühle: Er muss die richtige Balance finden, zwischen gesunder (erlaubter) Härte und seinen (überflüssigen) Eskapaden. „Sonst“, weiß Hübner, „wird es schwer“. Dann könnte er, bis zum Ende gedacht, keine Hilfe mehr sein für die Eintracht. Im Moment hat Zambrano diese Mitte noch nicht gefunden. Vielleicht ist er, nach seiner schweren Knieverletzung, noch nicht wieder 100-prozentig auf der Höhe, vielleicht war die Partie in Köln nur ein Ausrutscher. So empfindet es zumindest Schaaf, der weiterhin dem 26-fachen Nationalspieler vertraut.


"Ich spiele so, wie ich spiele"

Zambrano selbst reagierte am Mittwoch nach dem Vormittagstraining ausweichend auf die Frage, ob er künftig seine rustikale Spielart umstelle. Es arbeitet wohl noch in ihm, die Verunsicherung ist mit Händen zu greifen. „Ich spiele so, wie ich spiele. Ich gebe immer alles“, sagt er nur. Für seinen Fehler vor dem 1:3 am Sonntag müsse er sich bei der Mannschaft entschuldigen. „Das darf nicht wieder vorkommen.“

Am Samstag geht es gegen den SC Paderborn. Für Carlos Zambrano kein ganz leichtes Spiel.





Quelle: fr-online.de