Karlsruhe: Interview mit dem neuen Trainer des KSC

Der ehemalige Bundesliga-Profi und Gewinner der kicker-Torjägerkanone Jörn Andersen (48) soll den Karlsruher SC vor dem Abstieg in die 3. Liga bewahren. Hier verrät der Norweger, wie er das mit den Badenern bewerkstelligen will. Und der Nachfolger von Rainer Scharinger spricht über den Rauswurf beim 1. FSV Mainz 05.

kicker: Sie sagten bei Ihrer Vorstellung, Sie wüssten, wo Sie den Hebel ansetzen müssen. Wo denn, Herr Andersen?

Jörn Andersen: Im Defensivverhalten der gesamten Mannschaft. Ich habe sie in dieser Saison drei-, viermal live spielen sehen, und mir ist aufgefallen, dass es zu viele leichte Gegentore gibt. Die wiederum wirken sich negativ aufs Selbstvertrauen aus. Hier beginne ich meine Arbeit, die ersten Einheiten auf dem Trainingsplatz waren schon sehr gut.

kicker: Wie wichtig ist eine feste Hierarchie im Team für Sie?

Andersen: Ich habe jetzt mit Einzel- und Gruppengesprächen angefangen und werde mir schnell ein Bild machen, wer die Führungsspieler sind. Eine Rangordnung innerhalb der Gruppe halte ich für wichtig.

kicker: Es kursierten nach der Entlassung von Rainer Scharinger viele Namen rund um den Wildpark, die Wahl fiel auf Sie. Wie haben Sie die KSC-Führung überzeugt?

Andersen: Oliver Kreuzer (der Manager, d.Red.) hat mich vergangene Woche angerufen und gefragt, ob ich Interesse hätte. Das habe ich bejaht, tags darauf sind wir dann mit dem Präsidium in Karlsruhe zusammengesessen, hatten ein sehr gutes Gespräch, in dem ich mein Konzept erläutert habe.

kicker: Wie sieht dieses Konzept auf dem Platz aus?

Andersen: Vereinfacht gesagt: Ich bin ein Trainer, der für alle Systeme offen ist, richte mich dabei aber nach dem Spielermaterial.

kicker: Haben Sie die öffentliche Posse um Lothar Matthäus verfolgt, der angeblich auch im Gespräch war?

Andersen: Das lässt mich völlig kalt. Der Präsident (Ingo Wellenreuther, d.Red) hat mir gesagt, wie es war, das reicht mir.
Wir müssen die Liga halten und dazu unsere aktuellen Talente, dann kann man hier langfristig etwas aufbauen.

kicker: Sie haben den KSC auch als Verein mit großem Entwicklungspotenzial beschrieben. Wo sehen Sie dieses?

Andersen: Das habe ich nicht kurz-, sondern langfristig gemeint. Sehen Sie, der KSC hat viele Jahre über eine hervorragende Jugend verfügt, große Namen hervorgebracht. Kahn, Scholl und viele andere. Lars Stindl spielt jetzt in Hannover, vor der Saison gingen Lukas Rupp und Matthias Zimmermann nach Mönchengladbach. Wir müssen die Liga halten und dazu unsere aktuellen Talente, dann kann man hier langfristig etwas aufbauen, davon bin ich überzeugt.

kicker: Ihr Vertrag läuft auch bei Klassenerhalt nur bis Saisonende. Ein Problem für Sie?

Andersen: Nein, gar nicht. Ich muss beweisen, was ich kann. Klappt es mit dem Klassenerhalt, setzen wir uns zusammen, dann würde ich natürlich gerne länger bleiben.

kicker: Sie haben viele Spiele live gesehen. Wie schätzen Sie das Niveau der 2. Liga ein?

Andersen: Sie wird immer interessanter und stärker. Ich hatte vor der Saison eigentlich mit einem Durchmarsch von Eintracht Frankfurt und St. Pauli gerechnet. Aber es freut mich, dass es mit Fürth, Düsseldorf oder Paderborn auch noch andere Teams gibt, die Gas geben und richtig guten Fußball spielen. Und unten geht es eng zu, viele spielen gegen den Abstieg. Das eröffnet uns alle Möglichkeiten.

kicker: Sie schafften 2009 mit Mainz den Aufstieg in die Bundesliga, mussten kurz vor dem Saisonstart aber gehen. Wie haben Sie das verdaut?

Andersen: Das erste Jahr hat es sehr, sehr wehgetan. Mein Nachfolger Thomas Tuchel hatte Erfolg mit einer Mannschaft, die ich teilweise mit zusammengestellt hatte, mit der ich mit Mainz aufgestiegen bin. Aber das Leben geht weiter, ich habe mit der Zeit Abstand gewonnen. Und jetzt besteht für mich wieder die Chance zu beweisen, was ich kann.

kicker: Hätten Sie Tuchel, zu Ihrer Zeit A-Jugendtrainer in Mainz, diesen Erfolg zugetraut?

Andersen: Er hat ja eine fertige Mannschaft von mir übernommen. Spieler wie Heinz Müller, Polanski, Ivanschitz, Bungert oder Bancé waren meine Vorschläge und sind auf meine Empfehlung gekommen. Ich war überzeugt, dass wir mit der Truppe eine gute Rolle in der Bundesliga spielen können. Von daher hat es mich nicht überrascht.

kicker: Danach heuerten Sie bei AE Larisa in Griechenland an, nach 22 Tagen und fünf Niederlagen war Schluss. Was lief schief?

Andersen: Ich habe in der Zeit Dinge erlebt, da brauchen andere drei Jahre dafür. Nur so viel: Im Nachhinein hätte ich mir diesen Job besser erspart.
Interview: Frank Linkesch
quelle: kicker.de