1. FC Magdeburg - Hallescher FC

Der Faktencheck zum Derby-Kracher



Auch beim letzten Duell ging es zur Sache: Sören Bertram (m.) gegen Magdeburg

Vor dem Landespokal-Halbfinale zwischen dem HFC und dem FCM werfen wir einen Blick auf beide Vereine und ihre Vergangenheit. Mit dabei: das "KWS", Joachim Streich, Christopher Schorch und Eintracht Braunschweig.

So viele Unterschiede, so viele Gemeinsamkeiten: In unserem Faktencheck vor dem Derby-Kracher zwischen dem Halleschen FC und dem 1. FC Magdeburg erinnern wir an legendäre Spielstätten, überraschende Pokalsiege und Spieler, die die beiden Vereine nach der Wende besonders prägten.

Titelsammler

Der HFC ist zwar aktuell sportlich die Nummer Eins im Land Sachsen-Anhalt, war aber jahrelang der David im Vergleich zum Goliath 1. FCM. Das spiegelt sich bis heute auch in den Erfolgen der beiden Vereine wider. Während die Elbestädter dreimal DDR-Meister wurden, mit sieben Erfolgen DDR-Rekordpokalsieger sind und 1974 sogar als einziger ostdeutscher Verein jemals einen Europapokal, nämlich den der Pokalsieger, gewinnen konnten, blickt der "kleine" HFC auf einen schüchternen DDR-Meistertitel und zwei Pokalsiege zurück, alle in der frühen Anfangszeit des DDR-Fußballs. Nach der Wende blieb es für beide Clubs bei Landespokalsiegen, von denen der FCM acht, der HFC sechs bejubeln konnte.

Beide Clubs spielten jahrelang auf historischen Plätzen. So wurde das Kurt-Wabbel-Stadion (KWS) des Halleschen FC bereits 1936 gebaut und bekam nach Ende des NS-Regimes den Namen des halleschen Schwerathleten und kommunistischen Gewerkschaftsfunktionärs Kurt Wabbel verliehen, der 1944 in einem Außenlager des KZ Buchenwald Suizid beging. 1961 wurde die erste Zuschauertribüne errichtet, acht Jahre später sahen schon 20.000 Zuschauer das Duell des HFC Chemie gegen den polnischen Traditionsclub Górnik Zabrze, mit dem die neu errichtete Flutlichtanlage eingeweiht wurde. Zwischen 2010 und 2011 wurde das legendäre KWS durch den Erdgas Sportpark ersetzt, der heute 15.000 Zuschauern Platz bietet.

Das Magdeburger Ernst-Grube-Stadion wurde hingegen erst 1955 eröffnet. Zur Aufschüttung der Wälle für die Zuschauertribünen wurden ganze 150.000 Kubikmeter Trümmerschutt aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Magdeburger Altstadt antransportiert. 2005 wurde das baufällige Stadion dann allerdings abgerissen und ein Jahr später die moderne MDCC-Arena durch Stargast Franz Beckenbauer feierlich eröffnet. So finden dort auch am kommenden Mittwoch bis zu 27.250 Zuschauer Platz.
Tormaschinen

Der 1. FC Magdeburg war bereits zu Oberligazeiten für seine überragenden Stürmer bekannt. Alleine das Trio Jürgen Sparwasser, Jürgen Pommerenke und Martin Hoffmann erzielte zusammen sagenhafte 271 Tore. Nur 100 Tore weniger erzielte allerdings Magdeburgs ewiger Torjäger ganz alleine: Joachim Streich. Die Legende des DDR-Fußballs war und ist bis heute im Trikot des FCM am geläufigsten. Dagegen kann der Rekordtorjäger des HFC, Werner Peter, mit starken 66 Toren trotzdem kaum ankommen.

Heute sind andere Spieler für die Tore bei den beiden Clubs zuständig. So feiert man an der Saale seit zweieinhalb Jahren "Finnenbomber" Timo Furuholm. Obwohl dem 27-Jährigen nicht selten fehlende Arbeitsmoral vorgeworfen wird, kommt der zehnfache Nationalspieler auf starke 31 Tore in 77 Spielen für den HFC. Sein Pendant an der Elbe ist Christian Beck. "Becks" traf für die Magdeburger in 71 Partien bereits 48 Mal, ist ebenso alt wie Timo Furuholm - und spielte 2008/2009 18 Mal für den Halleschen FC, wo ihm allerdings lediglich ein Treffer gelang. Aktuell werden Gerüchte laut, dass der HFC an einer erneuten Verpflichtung von Beck feilen soll. Gut möglich also, dass Furuholm und Beck bald Teamkameraden sind.



Luxusgut

Sowohl der 1. FCM als auch der HFC verfügen in ihren jeweiligen Ligen über einen äußerst ausgewogenen Kader. Beide jedoch haben auf der Torhüterposition ein absolutes Luxusproblem, denn sie sind doppelt bis dreifach und auch stark besetzt. An der Elbe hütete bis zum vergangenen Sommer Eigengewächs Matthias Tischer praktisch konkurrenzlos seit zehn Jahren das Tor der Magdeburger. Dann leistete sich der FCM einen Coup und aus Berlin kam der nicht minder populäre Jan Glinker, seinerseits eine Vereinslegende beim 1. FC Union Berlin und jahrelanger Stammkeeper beim Zweitligisten. Glinker musste sich gegen den Platzhirsch zwar hinten anstellen, übernahm aber mit seiner Erfahrung nach acht Spielen den Platz im Tor und gab ihn bis dato nicht mehr her.

Der HFC hatte in der laufenden Saison sogar schon drei Stammkeeper. Nach einer konkurrenzlosen Saison für Pierre Kleinheider verpflichteten die Hallenser den erfahrenen Lukas Königshofer, der Kleinheider nach einigen schlechten Spielen schon bald den Platz streitig machen konnte. Dann zog sich der Österreicher jedoch einen Kreuzbandriss zu, und in der Winterpause lieh man den talentierten Niklas Lomb von Bayer 04 Leverkusen, der sogleich zur Nummer Eins gekürt wurde - und bei seinem Debüt nach wenigen Minuten mit Rot vom Platz flog. Mittlerweile ist Lomb allerdings wieder der Stammtorwart.
Der Pokalschreck aus Sachsen-Anhalt

Viele Erfolge gab es für die beiden Mannschaften nach der Wende nicht mehr zu feiern, und trotzdem gelang es beiden Teams, zumindest im DFB-Pokal einige Male zu überraschen. So hatte der Hallesche FC 2010 als damaliger Viertligist in der ersten Runde Heimrecht gegen den Zweitligisten Union Berlin - und ließ dem hohen Favoriten in einem starken Spiel keine Chance. Zwar gewannen die Hallenser "nur" mit 1:0, zeigten aber eine beherzte Leistung und zogen völlig verdient in die zweite Runde ein, wo dann aber gegen den MSV Duisburg Schluss war.

Der 1. FC Magdeburg erlebte in der Saison 2000/2001 gleich mehrere Wunder. Erstes Opfer war Bundesligist 1. FC Köln, der mit 5:2 im Regen stehen gelassen wurde. Eine Runde später dann das Paradebeispiel der Pokalanarchie, als der FC Bayern München mit 5:3 n.E. aus dem Ernst-Grube-Stadion und dem DFB-Pokal verabschiedet wurde. FCM-Keeper Dreszer hielt damals die Elfmeter von Nationalspieler Jens Jeremies und Sturm-Legende Giovanne Elber. Nachdem in Runde drei auch der Karslruher SC vernascht wurde, war der spätere Finalist und "Meister der Herzen" Schalke 04, um Ebbe Sand und Emile Mpenza, im Viertelfinale eine Nummer zu groß.

Legende nach der Wende

Strozniak, Peter, Wosz sowie Streich, Pommerenke und Sparwasser - legendäre Spieler streiften zu DDR-Zeiten das Trikot der beiden Teams über. Nach der Wende gab es dann aber für die Traditionsteams aus Sachsen-Anhalt nicht mehr viel zu jubeln. Trotzdem brachte auch diese Zeit einige Vereinslegenden hervor. Beim Halleschen FC stand diese zwischen 2007 und 2013 zwischen den Pfosten. Der Kroate Darko Horvat war auf seiner Position über all die Jahre immer ein bisschen besser als seine Liga-Kollegen. Ob in der Regionalliga oder in Liga drei: Der HFC konnte sich auf "Horvat - unser Torwart" verlassen. 2013 feierte er einen tränenreichen Abschied aus der Saalestadt und ließ seine Karriere in Zagreb bei HASK gemächlich ausklingen.

Magdeburgs "Ewiger" ist bis heute Stephan Neumann. Der Linksverteidiger wurde in der Landeshauptstadt geboren, durchlief die Jugend des FCM und absolvierte, mit einer einjährigen Unterbrechung in Mönchengladbach, zwischen 2000 und 2014 288 Partien für den Club.

Ach, der spielte in der Jugend von ...

Beide Vereine sind seit Jahren für ihre gute Jugendarbeit bekannt und brachten zahlreiche spätere Bundesliga- und Nationalspieler hervor. Dass beispielsweise der deutsche Nationalspieler Marcel Schmelzer (Borussia Dortmund) aus der Magdeburger Jugendarbeit stammt, ist mittlerweile relativ bekannt. Doch wer erinnert sich daran, dass Maik Franz ebenfalls vom FCM in die große Fußballkarriere startete? "Iron Maik" wechselte 1998 aus Halberstadt in die U19 der Magdeburger und zwei Jahre später von dort nach Wolfsburg. Über die Jahre hinterließ er zudem in Karlsruhe, Frankfurt und Berlin verbrannte Spielfelder, war er doch als beinharter Verteidigungsterrier der alten Schule bekannt. Legendär, wie der damalige Stuttgarter Mario Gomez Franz nach einem schweißtreibenden Duell als "A****loch" bezeichnete.

Auch beim Halleschen FC konnte man den einen oder anderen interessanten Verteidiger hervorbringen. Einer von ihnen ist Christopher Schorch. Schorch hat bisher keine Weltkarriere hingelegt und spielt aktuell in Duisburg, wurde allerdings schlagartig berühmt, als er, in Diensten von Hertha BSC stehend, wohin er nach seiner Jugendzeit in Halle gewechselt war, ohne Profierfahrung von Real Madrid verpflichtet wurde. Plötzlich ein Königlicher, praktisch über Nacht. 800.000 Euro zahlten die Madrilenen für das junge Talent, um ihn dann zwei Jahre später für knapp eine Million Euro nach Köln zu transferieren. Der richtige Durchbruch gelang Schorch nie.

Liebe und Schmerz

So viel Rivalität zwischen den beiden Erzrivalen. Nicht wenige erwarten sogar ein sprichwörtliches "Hass-Duell" am kommenden Mittwoch. Dabei zeigen beide Vereine seit Jahren, dass es auch ganz kuschlig geht, wenn es nur der richtige Verein ist. So ist die Freundschaft zwischen dem Halleschen FC und dem 1. FC Lok Leipzig eine der engsten in Deutschland. Regelmäßig besuchen Fans des einen Vereins die Spiele des jeweils anderen. Und auch Rot-Weiß Erfurt gehört seit einigen Jahren dieser Freundschaft an, immer frei nach dem Motto: "Erfurt, Lok und Halle - gemeinsam gegen alle".



Nicht ganz so enge Verbindungen unterhält der FCM zur Eintracht aus Braunschweig. Generell gab es in Magdeburg über die Jahre immer wieder lose Freundschaften, die aber, aufgrund der Vielschichtigkeit der Magdeburger Fanszene, oft nicht von allen Fans getragen wurden. So wird auch die Freundschaft zum BTSV teils kritisch beäugt. Als einige Teile des organisierten Supports Anfang der 2000er-Jahre, aufgrund der gemeinsamen Abneigung gegen Halle und Lok Leipzig, eine Fanfreundschaft zum damaligen Sachsen Leipzig kultivieren wollten, liefen andere Teile der Fanszene Sturm.

Quelle: MZ