Vor dem Spiel beim Halleschen FC

Stuttgarter Kickers sind am Tiefpunkt



Tomislav Stipic hat mit den bisher enttäuschenden Stuttgarter Kickers große Pläne.

Nach sechs verlorenen Spielen in Folge zogen die Stuttgarter Kickers Ende Oktober die Notbremse und entließen Trainer Horst Steffen. Sein Nachfolger Tomislav Stipic übernimmt den einstigen Aufstiegskandidaten auf einem Abstiegsplatz.

Manchmal ist der Fußball einfach nicht rational zu erklären. Keiner weiß, warum Borussia Mönchengladbach nach dem überraschenden Rücktritt von Erfolgscoach Lucien Favre plötzlich mit denselben Spielern, die Wochen zuvor noch Spiel um Spiel kläglich verloren hatten, wieder zurück in die Erfolgsspur fand. Warum eine Darmstädter Mannschaft von Nobodies, die vor drei Jahren sportlich aus der dritten Liga abgestiegen war, im Folgejahr den Aufstieg in die zweite Liga bewältigte und mit neun der damaligen Aufstiegsspieler heute gegen Bayern München und Borussia Dortmund in der Bundesliga kickt.

Und so ist es ebenfalls kaum zu erklären, wie die Stuttgarter Kickers, als einstiger Aufstiegskandidat und nach einem soliden Saisonstart, im September so brutal einbrechen konnten. Seit dem 1:0 am 11. September gegen den 1. FC Magdeburg sind die Schwaben ohne Sieg, haben die letzten sieben Partien verloren und das mit einem gruseligen Torverhältnis von 6:19. Dabei schien es zwischenzeitlich egal zu sein, wer der Gegner ist. Ob die Übermannschaft von Dynamo Dresden (1:2), Aufsteiger Würzburg (1:2) oder gar Lokalrivale VfB Stuttgart II (1:2) - so ziemlich jeder durfte den Kickers zuletzt mal einen einschenken und so überrascht es nicht, dass das Team vor dem 17. Spieltag auf dem vorletzten Platz steht.
2014/2015 knapp am Aufstieg gescheitert

Ende Oktober zog die Vereinsführung die schmerzhafte Konsequenz und trennte sich vom einstigen Erfolgscoach Horst Steffen. Noch in der Vorsaison hatte Steffen dem talentierten Team eine für Drittliga-Verhältnisse extrem ansehnliche Spielweise eingeimpft, ließ seine Spieler um Enzo Marchese, Besart Halimi, Gerrit Müller, Elia Soriano und Randy Edwini-Bonsu tollen Angriffsfußball zelebrieren und scheiterte am Ende im Kampf um den Aufstieg um zwei Punkte an Holstein Kiel, die in der Relegation gegen Zweitligist 1860 München verloren.

In der Saison 2015/2016 wollten Steffen und sein Team, welches nur Halimi (Mainz) und Edwini-Bonsu (Aalen) verließen, dort ansetzen, wo sie in der vergangenen Saison gescheitert waren und taten das anfangs auch recht ordentlich. Lediglich gegen Erzgebirge Aue musste man sich am dritten Spieltag mit 0:2 geschlagen geben. Ansonsten verloren die Kickers an den ersten neun Spielen kein einziges mehr. Bis dato erfolgreiche Teams wie Hansa Rostock (Vierter am fünften Spieltag, 1:0) oder der 1. FC Magdeburg (Zweiter am achten Spieltag, 1:0) wurden routiniert in die Schranken verwiesen und vor dem Topspiel gegen Tabellenführer Dynamo Dresden waren die Kickers Fünfter, mit bester Sicht auf das Ziel Aufstiegsränge.

Mit der 1:2-Niederlage gegen Dresden passierte etwas mit dem Team. Statt die Niederlage wie so oft zuvor zu schlucken und konzentriert weiter zu arbeiten, klappte plötzlich nichts mehr. Als die damals zweitplatzierten Münsteraner und der Fünfte Großaspach hintereinander den Schwaben hintereinander je vier Tore einschenken, hatte selbst der "kleine" Konkurrent VfB Stuttgart II ein leichtes Spiel mit den Kickers.

Dass die Entlassung von Horst Steffen in erster Instanz nicht unbedingt zum Erfolg führte, zeigte das 1:4 gegen die U23 von Mainz 05. Zwar überraschte Interimstrainer Alfred Kaminski mit Aussagen darüber, dass ihm zu viel über das - gegen die Mainzer schlichtweg unpassende - System gesprochen werde, doch die Verantwortlichen der Kickers zeigten sich vor allem von der Mannschaft enttäuscht. "Ohne Mumm, ohne Leidenschaft, ohne Zweikampfstärke, ohne die nötige Organisation", fasste Sportdirektor Michael Zeyer gegenüber den Stuttgarter Nachrichten das Spiel in wenigen Worten treffend zusammen.
Stipic in jederlei Hinsicht anders

Der Lichtblick am grauen Horizont der Schwaben heißt Tomislav Stipic. Der offizielle Nachfolger von Horst Steffen gilt als anders, in jederlei Hinsicht. Bis 2013 arbeitete der Kroate noch von 22 bis 6 Uhr in der Nachtschicht bei Audi, betreute tagsüber Nachwuchsteams des FC Ingolstadt, schlief über Jahre hinweg täglich nicht mehr als drei Stunden. 2014 wurde er als Cheftrainer beim damaligen Zweitligisten Erzgebirge Aue präsentiert, konnte die Mannschaft aber trotz hochgelobter Motivationsmethoden nicht zum Klassenerhalt führen.

Trotzdem kann Stipic mit seiner selbstbewussten, natürlich autoritären Ausstrahlung der X-Faktor für die strauchelnden Kickers werden. Denn anders als mit dem Kopf ist die laufende Niederlagenserie kaum zu erklären. Doch auch taktisch hat der 36-Jährige, der während seiner freien Zeit unter anderem bei RB Leipzig im Sommertrainingslager hospitierte, eine klare Vorstellung. Dabei zeigte er sich in den Tagen vor seinem Debüt gegen den HFC am Samstag, anders als andere Neu-Trainer, nicht wie ein Revolutionär und lobte eindringlich den Einfluss von Schlüsselspieler Enzo Marchese, der weiterhin eine zentrale Rolle im Spiel der Kickers einnehmen soll.

Ob der Aufschwung jedoch bereits in Halle gelingt, ist fraglich. Die Qualität haben die Schwaben, um den in dieser Saison wieder heimstarken HFC (Platz drei in der Heimtabelle) zu besiegen, doch ob die Veränderungen Stipics in so kurzer Zeit bereits Früchte tragen - das wird erst das Spiel am Samstag zeigen.

Quelle: MZ