Derbypleite des Halleschen FC

Präsident Schädlich nimmt Spieler ins Gebet



Halles Torschütze zum 0:1, Osayamen Osawe, geht nach dem Spiel enttäuscht vom Feld.

Nach der Derby-Pleite gegen kämpferisch überzeugende Magdeburger nimmt Präsident Michael Schädlich die HFC-Spieler ungewohnt heftig ins Gebet.

Fast wäre Jens Härtel eingeschlafen. Seine Augen hatten sich bereits geschlossen. Den Kopf gestützt auf die gegeneinander gestemmten Hände. So saß der Trainer des 1. FC Magdeburg gestern Nachmittag auf dem Podium und wartete. Und wartete. Und wartete. Bis endlich Sven Köhler den Raum betrat. Was in der Pressekonferenz in der Magdeburger MDCC-Arena folgen sollte, interessierte jedoch kaum mehr. Die Verspätung hatte schon alles gesagt.

Null Punkte, letzter Tabellenplatz

Nach dem mutlosen Auftritt im Derby gegen den 1. FC Magdeburg versammelte sich das Führungs-Trio des Halleschen FC in der Kabine. Manager Ralph Kühne, Trainer Sven Köhler und Präsident Michael Schädlich hielten vor ihrer Mannschaft eine eindringliche Predigt. Mit 1:2 hatte sich der HFC dem Rivalen geschlagen geben müssen – trotz der frühen Führung nach 27 Sekunden, trotz einer mehr als 75-minütigen Überzahl.

Der Präsident hatte keine Lust auf Ausreden. „Eine leidenschaftlich kämpfende Mannschaft hat heute gegen eine Mannschaft gewonnen, die naiv und mit einem Schuss Überheblichkeit das Spiel leichtfertig aus der Hand gegeben hat“, meinte Michael Schädlich. „Ich verstehe, dass die Fans sauer sind. Auch ich bin einhundert Kilometer gefahren, um die Mannschaft kämpfen zu sehen. Aber das war nur bei Magdeburg der Fall. Bei uns überhaupt nicht.“

Wer denkt, das Vereinsoberhaupt sei in Rage gewesen, der irrte aber. Er wählte seine deutlichen Worte ganz bewusst. „Das ist das dritte Spiel, wo wir nicht annähernd das abgeliefert haben, was in der dritten Liga verlangt wird.“ Der HFC belegt mit null Punkten den letzten Tabellenplatz, während Aufsteiger Magdeburg nach dem emotionalen Derbysieg von Platz zwei grüßt – und das völlig verdient, weil „sie mit unheimlich viel Leidenschaft gespielt haben“, wie HFC-Trainer Sven Köhler sagte.

Dabei hätte das Derby nicht besser beginnen können für ihn und seine Elf. Bereits nach 27 Sekunden traf Osayamen Osawe zur Führung. Und nur eine Viertelstunde nach dem ersten HFC-Tor dieser Saison kam es noch besser: Magdeburgs Ahmed Waseem Razeek musste mit Gelb-Rot vom Platz. „Bis zum Platzverweis haben wir den Fußball gespielt, den du in Magdeburg spielen musst, um zu bestehen“, analysierte Köhler, der seiner Startelf aus dem starken DFB-Pokal-Spiel gegen Braunschweig das Vertrauen schenkte. „Aber danach haben wir die Zielstrebigkeit vermissen lassen. Die Sicherung in der Defensive war auch nicht gut.“

So traf Magdeburg noch vor dem Pausenpfiff zum Ausgleich und eine Viertelstunde vor dem Schluss sogar zum Sieg. Beide Treffer erzielte Christian Beck.

Beck ist genau der Stürmer, wie ihn der HFC derzeit vermisst. „Wir haben einige psychologische Problemkinder in der Mannschaft“, sagte Michael Schädlich, „wenn sie nicht bald die Kurve kriegen, könnten sie uns Probleme bereiten.“ Namen wollte der Präsident zwar nicht nennen, meinte aber vielsagend: „Was das Durchsetzungsvermögen der Stürmer betrifft, haben wir große Nachteile.“

HFC vergisst seine Tugenden

Doch es war eine geschlossen schlechte Mannschaftsleistung nach dem Platzverweis. Der HFC verpasste es, sich Möglichkeiten herauszuspielen. Geschweige denn solche zu nutzen. Die Magdeburger Konter waren gefährlicher. Und deshalb fühlte sich Schädlich vor 20 912 Zuschauern an frühere, bessere Zeiten erinnert: „Was uns in der Vergangenheit stark gemacht hat, war auch mal mit viel Kampf die Null zu halten und durch geschicktes Konterspiel ein Tor zu machen. Diese Tugenden sind aber alle weg, sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung.“

Stattdessen nahm der Präsident drastische Worte in den Mund, um das Spiel des HFC zu beschreiben: „Überheblichkeit“ und „Arroganz“. Teilweise habe das Team in den Eins-gegen-Eins-Situationen „wie eine Jugendmannschaft“ agiert.

Was dem HFC vor einer beeindruckenden Derby-Kulisse an Leidenschaft fehlte, besaß Magdeburg. „Die Mannschaft hat eine tolle Moral und da bin ich auch besonders stolz drauf, dass wir uns gegen alle Widerstände gewehrt haben“, freute sich FCM-Trainer Jens Härtel. „Das ist genau das, was den Magdeburger Fußball auszeichnet: Mit viel Herz zu spielen.“

Dieses Herzblut fehlte dem HFC. Den unbedingten Willen gegen spielerisch keinesfalls bessere Gegner zu gewinnen, spürte niemand. Die emotionalere Mannschaft setzte sich durch. Oder wie es Michael Schädlich formulierte: „Der Aufsteiger hat die Euphorie, er hat die Leidenschaft - und wir haben die Arschkarte.“

Quelle: MZ