Sven Köhler spricht ein letztes Mal


Sven Köhler im Gespräch mit HFC-Idol Klaus Urbanczyk (r.)

Der ehemalige Trainer kommt überraschend an den Erdgas Sportpark und geht in die Kabine zum Team. Dann übernimmt Benjamin Duray.

Genau zehn Minuten vor 10 Uhr marschiert Benjamin Duray aus der Kabine zum Trainingsplatz des Fußball-Drittligisten Hallescher FC. Duray ist überpünktlich. Er nimmt seinen Schlüssel, schließt die Metalltür des hohen Gitterzauns um den Übungsplatz auf und öffnet dabei auch gleich ein neues Kapitel beim HFC.

Es ist die erste Trainingseinheit nach der Entlassung von Sven Köhler am Sonntag. Geleitet wird sie von Benjamin Duray, und das Interesse bei den Kiebitzen ist natürlich groß. Gut zwei Dutzend Fans drängeln sich hinter dem Zaun und drücken sich am Metall die Nase platt. Denn rein darf keiner mehr, so wie es unter Köhler noch gestattet war. Nur die Fotografen der Presse erhalten an diesem besonderen Tag eine Ausnahme. Das ist die erste Anweisung von Interimstrainer Benjamin Duray in seiner neuen Rolle. „Das ist nichts persönliches“, meint er. Aber er will eben keinen Andrang direkt am Platz - irgendwie verständlich.

Köhler hält kleine Rede

Zwischen all den Autos auf dem üppig gefüllten Parkplatz steht auch der schwarze Wagen von Sven Köhler. Zumindest eine Zeit lang. Der 49-Jährige ist völlig überraschend doch noch einmal an seine Arbeitsstätte der letzten acht Jahre zurückgekehrt. Der Grund ist ein Bedürfnis: Vor dem Training wollte er sich in der Kabine persönlich von der Mannschaft verabschieden. Bevor sich die Spieler ihren Übungen widmen, hält Köhler noch einen Plausch mit HFC-Idol Klaus Urbanczyk. Zu Medienvertretern oder Kiebitzen will Köhler nichts sagen. Er braucht noch Zeit, um den Tiefschlag seiner plötzlichen Freistellung am Sonntag sacken zu lassen.

„Er hat keine große Rede gehalten. Er hat passende Worte gefunden, hat sich bei den Spielern für die gute Zusammenarbeit über mehrere Jahre bedankt“, erzählt Sören Bertram von Köhlers Auftritt in der Spielerrunde. „Man hat gemerkt, dass es ihm schwer fiel“, meinte Toni Lindenhahn. „Er hat die Namen angesprochen, mit denen er lange zusammengearbeitet hat.“ Konkretes geben die Spieler nicht preis. Es gilt die Regel: Was in der Kabine gesagt wird, bleibt auch dort.

Lindenhahn ist der Spieler, der aus dem aktuellen Kader am längsten unter Köhler trainiert hat. Seit 2007 spielt er wieder beim HFC, ist also all die Jahre von der Oberliga bis in 3. Liga mitgegangen. Hat zusammen mit Köhler zwei Aufstiege und fünf Pokalsiege gefeiert. Und auch die eine oder andere Krise in Liga drei erlebt. „Er hat mich damals hochgezogen in die erste Männermannschaft, wir haben eine lange Zeit zusammen durchgemacht. Daher ist sein Rauswurf natürlich schade und er hat mich auch schockiert, weil es doch relativ fix ging.“ Die Spieler können die Entscheidung des Vorstands zwar irgendwie nachvollziehen. Allerdings findet es nicht nur Lindenhahn bedauerlich, dass er die Entlassung über das Internet erfahren musste. „Es wäre für alle Spieler besser gewesen, das persönlich mitgeteilt zu bekommen“, meint er. Dem war nicht so.

Aber das ist jetzt auch egal. Es muss ja weitergehen nach der Ära Köhler. Auch das Training. Nach dem Einlaufen folgt ein Mannschaftskreis. Duray in der Mitte. Der Einweisung folgt ein Kurzpasstraining in Gruppen, bevor Duray und Physiotherapeut Steve Rohr einen Parcours mit mehreren Stationen aufbauen. Eine Langhantelübung, Sprints mit einem Reifen oder Kraftübungen mit einem Gummiband stehen auf dem Plan. Zu guter Letzt folgt eine Doppelpassübung auf Kleinfeld mit anschließendem Torschuss. Gewohnte Elemente, die Duray schon mehrmals eingesetzt hat als Köhler noch der Boss war.

Während die Spieler trainieren, wird hinter dem Metallgitter heiß diskutiert. Wer wird neuer Trainer? Wie ist die Stimmung? Über die Entlassung von Köhler gibt es geteilte Meinungen. Zwischen Verständnis und absolutem Unverständnis ist alles zu hören. Und: „Das ist ja eine Stimmung wie auf dem Friedhof“, meint einer mit Blick zum Trainingsplatz. Natürlich ist die Stimmung nicht gut nach fünf Niederlagen und einem Trainer-Rauswurf. Gelacht wird aber durchaus.

Auch Florian Brügmann hat sein sonniges Gemüt wiedergefunden. Am Samstag hatte der Linksverteidiger noch wutentbrannt nach seiner Auswechslung im Münster-Spiel gegen die Trainerbank getreten und in eine Kamera gebrüllt: „Hau doch ab.“ Die Emotionen kochten wegen der miesen Situation beim HFC über. „Du reißt dir den Arsch auf, bist gegen Münster klar besser und verlierst trotzdem. Das ist scheiße.“ 1:3 ging Köhlers Schicksalsspiel verloren. Nach Führung.

„Alles Negative draußen lassen“

Wie die Stimmung in der Mannschaft ist? „Benjamin Duray war wichtig in der derzeitigen Situation. Er hat gesagt, dass wir näher zusammenrücken müssen und alles Negative draußen lassen müssen“, erzählt Lindenhahn. Und Brügmann stellt klar, dass „jeder Spieler mit Herz dabei ist“. Aber wer auf Duray folgt, das ist die aktuell spannendste Frage.

Quelle: MZ