Nach 16 Punkten aus 7 Spielen

Sechs Gründe für den Aufschwung beim HFC



Ein Team - der Hallesche FC ist wieder da!

Nach einem verpatzten Saisonstart ist der Hallesche FC endlich wieder die Macht in Sachsen-Anhalt. Wir haben sechs Gründe gefunden, warum das so ist - und sich so schnell auch nicht ändern wird.

Drei Spiele, null Punkte, nur ein mickriges Tor. Dieses ausgerechnet als Führungstreffer beim Derby in Magdeburg, was man am Ende mit 1:2 verlor. Als wollte selbst das Schicksal den Halleschen FC verhöhnen und ihm sagen: "Tore? Könnt ihr haben. Für den Derbysieg reicht es aber nicht." Der Saisonstart beim HFC verlief alles andere als zufriedenstellend und forderte das vermutlich größte Opfer, was man sich zum damaligen Zeitpunkt vorstellen konnte: Trainerurgestein Sven Köhler, der nach sieben Jahren seinen für die meisten Beobachter fest zementierten Platz räumen musste.

Nach einer fast 14-tägigen Trainersuche wurde schließlich der neue Coach gefunden. Mit Stefan Böger wurde ein Übungsleiter vorgestellt, der auf den ersten Blick gut zum HFC passte - zu gut, wie manche befanden, die sich nach dem eher stillen und introvertierten Sven Köhler einen lautstarken Motivator gewünscht hatten.

Doch der 49-jährige Fußballlehrer belehrte die Kritiker schon nach wenigen Tagen eines besseren und sicherte sich den erfolgreichsten Start, den ein HFC-Trainer seit der Wende feiern konnte. Aus seinen sieben Spielen sammelte der Hallesche FC bei nur einer Niederlage und einem Unentschieden ganze 16 Punkte und kletterte vom Tabellenkeller ins obere Drittligamittelfeld, mit Sichtweite zu den Spitzenplätzen. Kein Wunder also, dass zwei unserer sechs Gründe für den HFC-Aufschwung eng mit dem neuen Übungsleiter zusammenhängen.


Akribisch: HFC-Trainer Stefan Böger

Grund 1: Neue Taktik, neues Glück

Als Neu-Trainer Böger seinen Dienst am Erdgas-Sportpark antrat, hatte die Mannschaft ein mächtiges blaues Auge. Zu schwach seien die Neuzugänge im Sommer gewesen, um tragende Stützen wie Andy Gogia (heute Brentford FC) oder Marcel Franke (SpVgg Greuther Fürth) zu ersetzen, zu löchrig sei vor allem die Defensive. Stefan Böger analysierte, verstand und tat das einzig Richtige: Er passte das Spielsystem den vorhandenen Stärken seiner Mannschaft an, statt die jungen Spieler umständlich in eine komplett neue Spielweise zu zwängen. Die Löcher in der Abwehr behob Ex-Auswahltrainer Böger mit einem "DFB-Trick": Wie einst Jogi Löw bei der WM verzichtete der Trainer auf klassische Außenverteidiger und zog die nominellen Innenverteidiger Jonas Acquistapace und Dominic Rau auf die Außenpositionen. Eine Viererkette, massiver als der Geldspeicher von Dagobert Duck.

Aufgrund dessen, dass Außenverteidiger Florian Brügmann nun im linken Mittelfeld gesetzt ist, ist die Defensive des Halleschen FC nun sogar in der Lage, bei Bedarf ein Bollwerk aus fünf bis sechs Spielern zu bilden, durch die bisher kaum eine Offensive ihren Weg fand. Lediglich die U23-Teams von Mainz 05 und Werder Bremen brachten die HFC-Defensive etwas ins Straucheln. Von den beiden Spielen abgesehen fingen sich die Rot-Weißen in den restlichen fünf Partien allerdings nur ein Gegentor.


Osayamen Osawe und Sören Bertram

Grund 2: "Osöryamen Bertrosawe"

Noch sichtbarer werden die taktischen Umstellungen beim halleschen Pendant zum legendären Münchener Sturmduo "Robbery": "Osöryamen Bertrosawe". Was klingt wie der kommende Europa-League-Gegner von Borussia Dortmund, hat sich mit elf Treffern hinter den Dresdenern Justin Eilers und Pascal Terstroet (zusammen 16 Tore) tatsächlich zum zweitgefährlichsten Stürmerduo der dritten Liga gemausert. Auch in der Scorerliste sind Sören Bertram und Osayamen Osawe ganz vorne mit dabei. Bertram ist mit fünf Toren und fünf Vorlagen Dritter, Osawe (6/2) Fünfter. Der lange Ball aus dem Mittelfeld auf die pfeilschnellen Stürmer des HFC - das klappt aktuell eigentlich immer.

Und alle Statistiken beiseite gelegt: Jeder der "Bertrosawe" zuletzt im Stadion bewundern konnte, weiß, dass die beiden allein mit ihrem dynamischen Angriffsspiel das Eintrittsgeld wert sind. Selbst Pavel Dotchev, Trainer des FC Erzgebirge Aue, kam beim Gastspiel der "Veilchen" nicht um ein Lob für die beiden herum. Und auch wir sind ehrlich: Sie könnten zurzeit auch auf der Leichtathletikbahn des Stadions am Bildungszentrum die 100 Meter um die Wette laufen - wir würden zusehen. Und Eintritt dafür bezahlen. Und Merchandise mit den Konterfeis der beiden kaufen.

Grund 3: Stefan Böger, Fußballtrainer und Psychologe

Friede, Freude und daumendicke Eierkuchen - wie schafft es die Mannschaft, da noch auf dem Boden zu bleiben? Die Antwort lautet erneut: Stefan Böger. Der Trainer weiß, in welchem Zustand er die Mannschaft im September übernommen hat und lässt keine Gelegenheit aus, auf die Euphoriebremse zu treten. Dabei wirkt Böger jedoch nicht wie ein stets bemühter Tiefstapler, der mit allen Mitteln Druck von der Mannschaft nehmen will, sondern überraschend realistisch. Der 49-Jährige redet offen über Schwächen des Teams, bleibt dabei seinen Spielern gegenüber aber stets loyal und ehrlich. Niemand fühlt sich in Watte gepackt, aber ebenso vergisst niemand, dass er kein Hobbyspieler, sondern Fußballprofi ist.

Böger legt wert auf ordentliche Trainingsleistungen und ist immer bereit, diese zu belohnen. So kam zuletzt Max Barnofsky zu seinen ersten Minuten als Profi. Auch die Trainingsleistungen von Toni Lindenhahn oder Björn Ziegenbein wurden nicht nur gelobt, sondern auch honoriert - und wenn "nur" mit Kurzeinsätzen. Gleichzeitig ist sich der Trainer auch nicht zu schade, gestandene Teamspieler wie Kapitän Tim Kruse auf die Tribüne zu verbannen. Immer mit dem Wissen, dass dieser Platz kein Abstellgleis ist und sich die Profis jeden Tag neu anbieten können - und auch beweisen müssen. Gleiches Recht für alle - das schweißt zusammen.


Grund 4: Bredlow, die Katze

Die wohl kontroverseste Personalie des bisherigen HFC-Spieljahres steht zwischen den Pfosten. Als Fabian Bredlow als Probespieler im Trainingslager mittrainierte, liefen einige "Tribünenexperten" Sturm gegen seine Verpflichtung. Man wolle keinen ehemaligen Spieler von RB Leipzig in Halle sehen. Der Verein blieb professionell und verpflichtete den U20-Nationaltorhüter. Am dritten Spieltag sorgte der damalige Coach Sven Köhler für Gesprächsstoff, als er Bredlow im Derby in Magdeburg der nominellen Nummer Eins Lukas Königshofer vorzog - ohne klar ersichtlichen Grund.

Zwei Monate später ist Bredlow der Shootingstar der Hallenser, weil er all die großen Eigenschaften seiner direkten Vorgänger in sich vereint: Die grandiosen Reflexe von Pierre Kleinheider, das Selbstbewusstsein von Niklas Lomb und die bodenständige Ruhe von Lukas Königshofer. Hält Bredlow weiter so überragend wie zuletzt, könnte er trotz der vereinzelten Schwierigkeiten zu Beginn seiner HFC-Karriere bald eine weitere - die goldene - Eigenschaft von einem seiner Vorgänger erhalten: Den Fanlieblings-Status von Darko Horvat.


„Die Vorbereitung auf die neue Saison wäre gestört“, meint Michael Schädlich, der Präsident des Halleschen FC.

Grund 5: Die Konkurrenz schläft n...och

Bei all der Stärke, die die Saalestädter momentan präsentieren, darf man die zum Teil erschreckend schwache Konkurrenz nicht ungeachtet lassen. Mit Holstein Kiel, dem SV Wehen-Wiesbaden, den Stuttgarter Kickers, Energie Cottbus und dem Chemnitzer FC spielen gleich fünf Mannschaften klar unter ihren Möglichkeiten. Gleichsam überzeugen Mannschaften wie die SG Sonnenhof Großaspach, Erzgebirge Aue und auch der 1. FC Magdeburg. Bei allen darf man nach aktuellem Stand nicht davon ausgehen, dass sie ihre bisherigen Leistungen halten werden. Gut für den HFC: Der Schlüssel zur äußerst ausgeglichenen dritten Liga ist seit jeher Konstanz. Dynamo Dresden macht es im Moment vor und auch der HFC hat in den letzten Wochen bewiesen, dass sie konstant punkten können. Gelingt das weiterhin, sind die Leistungen der Konkurrenten um das obere Tabellendrittel für die Hallenser relativ irrelevant.

Aber spielt der HFC seinerseits nicht auch über seinen Möglichkeiten? Klares Nein! Die Mannschaft und ihr Umfeld wurden seit dem Aufstieg konsequent weiterentwickelt, Rückschläge einkalkuliert. Zudem bewies die Führungsabteilung des HFC mit der Entlassung von Coach Sven Köhler, dass man bereit ist auch bislang undenkbare Wege zu gehen um den Verein weiterhin besser zu machen.

Grund 6: Der zwölfte Mann

Der HFC ist wieder da und das liegt seit langem auch wieder an den Fans, dem zwölften Mann. Aufgrund der miesen Heimbilanz in der Vorsaison und des ebenso miesen Saisonstarts blieben die Zuschauer im Erdgas-Sportpark zunächst aus. Seitdem der HFC aber endlich wieder regelmäßig punktet und dabei sogar ansehnlichen Fußball zeigt, steigen auch wieder die Zuschauerzahlen. Gegen den FC Erzgebirge Aue gab es zuletzt mit 9.030 Zuschauern das bisherige Saisonhoch, selbst gegen Werder Bremens U23 fanden immerhin noch 6.043 Fans ihren Weg ins Stadion.

Auch Diskrepanzen aus der vergangenen Saison wurden restlos geklärt. Ultras und Verein sind sich nach dem Streit zu Beginn der Saison 2014/2015 wieder grün, zudem ist der HFC als einer von zehn Vereinen (Strafen vom Spiel Rostock gegen Magdeburg noch ausstehend) in dieser Saison noch komplett straffrei. Man konzentriert sich auf lautstarken Support, seit neuestem auch mit fest installierten Lautsprechern am HFC-Fanblock.


Der hallesche Fanblock im Erdgas Sportpark.

Quelle: MZ