Nach Niederlage in Chemnitz

Ist die HFC-Defensive zu langsam?



Halles Trainer Stefan Böger analysierte die Fehler gegen Chemnitz intern mit den Spielern.

Beim 1:3 in Chemnitz wurde der Hallesche FC mehrfach überrannt. Fehlt es dem HFC an Dynamik in der Defensive und steht die Fortsetzung der Erfolgsserie aus den letzten Wochen deshalb auf dem Spiel? Die Antwort lautet: Nein.

Es war eine der Schlüsselszenen am Sonntag: In der 67. Minute startete Chemnitz' Linksverteidiger Alexander Nandzik einen Sololauf in der eigenen Hälfte - und lief. Und lief. Und lief. Immer verfolgt vom zum Ende hin schon fast bemitleidenswerten Ivica Banovic, der sein Bestes gab, aber den dynamischen Außenspieler nicht einholen konnte. Am Ende landete seine Flanke bei Cincotta, der zum 2:1 vollendete.

Es war nicht die einzige Szene beim 1:3 (0:1) in Chemnitz, in der die HFC-Defensive schlichtweg überrannt wurde. Immer wieder verlagerten die Hausherren das Spiel auf die Flügel, schickten ihre dynamischen Angreifer Cincotta, Türpitz, Fink und Stenzel ins Laufduell mit der halleschen Außenverteidigung, die seit der Ankunft von Trainer Stefan Böger bekanntlich aus zwei Innenverteidigern - Dominic Rau und Jonas Acquistapace - besteht. Resultat: Der HFC jagte hinterher und hatte in den Laufduellen zumeist das Nachsehen.

Stellungsspiel und Einsatz

So quälte eine zentrale Frage zahlreiche frustrierte HFC-Fans auf dem Heimweg aus Chemnitz: Ist der HFC - allen tollen Siegen der letzten Wochen zum Trotz - in der Defensive zu langsam? Ist die große Stärke des halleschen Angriffsduos Bertram und Osawe gleichzeitig die große Schwäche einer Hintermannschaft, die aus vier nominellen Innenverteidigern, sowie mit Ivica Banovic einem 35-jährigen Defensivanker besteht? Und endet mit diesem vom CFC "gelüfteten" Schwachpunkt der Hallenser die glorreiche Erfolgsserie?

Klare Antwort: Nein! Die Zauberworte lauten "Stellungsspiel" und "Einsatz". Letzteren hob auch HFC-Trainer Böger einige Tage nach dem Spiel in Sachsen hervor und versicherte, mit der Mannschaft daran arbeiten zu wollen. "Jeder Spieler muss sich im Defensivverhalten dafür verantwortlich fühlen, gefährliche Situationen sofort zu entschärfen", erklärte Böger im Gespräch mit der MZ und verwies auf die besagte Schlüsselszene um Nandzik und Banovic: "Wenn unsere Stürmer Verantwortung übernommen und das Solo des Chemnitzers Alexander Nandzik gleich im Ansatz unterbunden hätten, wäre dieses Gegentor vermeidbar gewesen."

Das Stellungsspiel hingegen ist eine der "goldenen Fähigkeiten" im Fußball. Gemeinhin gilt, dass gutes Stellungsspiel und intelligente Antizipation von Spielsituationen so ziemlich jedes Defizit in der Schnelligkeit des Verteidigers ausgleichen können. Kein Wunder also, dass die größten Verteidiger der Geschichte des Fußballs allesamt für ihr Stellungsspiel berühmt waren. Wie ein damals 37-jähriger Paolo Maldini seinerzeit in der italienischen Serie A athletisch hoch überlegene Jungspunde wie Zlatan Ibrahimovic kalt stellte? Wie ein Fabio Cannavaro Weltfußballer wurde? Es war das Stellungsspiel.

So mag der Bogen von "Catenaccio" zu "Acquistapace" zunächst höchstens ein phonetischer sein, doch man würde einen wichtigen Umstand vergessen, wenn man ihn an dieser Stelle nicht schlagen würde: Die Abwehr des HFC kann Stellungsspiel! Oder anders erklärt: Das Stellungsspiel und die damit verbundene Antizipation ist ein Grund, warum erst Sven Köhler einstige Offensivspieler wie Marco Engelhardt oder Ivica Banovic in die Tiefe oder sogar, im Falle Engelhardts, in die Innenverteidigung zog und auch Stefan Böger diesen Kniff beibehielt und auf Jonas Acquistapace und Dominic Rau ausweitete.

Mit Konzentration erfolgreich bleiben

Während die beiden Routiniers aufgrund ihrer Erfahrung vor allem in der Antizipation große Vorteile besitzen, konnte Böger sich mit dem Schachzug, zwei Innenverteidiger auf die Außenpositionen zu setzen, sicher sein, dass die Abwehrkette in der Regel standhaft bleibt. Dafür opferte er das moderne Spiel mit offensiven Außenverteidigern, doch schon Otto Rehhagel wusste: "Modern spielt, wer gewinnt." Und das tat der HFC zuletzt regelmäßig.

Wichtigster Faktor bleibt bei allen taktischen Feinheiten aber die Konzentration, deren Fehlen am vergangenen Sonntag in Chemnitz der tatsächliche Grund für die zweite Niederlage unter Bögers Führung war. Drum tat der HFC-Übungsleiter gut daran, nicht zu hart mit seinen Spielern ins Gericht zu gehen und die Konzentrationsfehler intern zu analysieren. Denn nach einer solchen Niederlage gleich das ganze System - oder auch die Dynamik einzelner Spieler - infrage zu stellen, wäre absolut übertrieben. Passend dazu fand Stefan Böger bereits unmittelbar nach dem Spiel in Chemnitz die richtigen Worte: "Wir haben mit der Mannschaft in den letzten Wochen eine Spielanlage entwickelt, die zu Punkten führt und auch weiterhin führen wird." So ist es.

Quelle: MZ