Trainer des Halleschen FC

Stefan Böger: „Die Spieler spielen einfach besser“


Stefan Böger wohnt inzwischen in einem Apartment in Halle.

Nach einem Monat im Amt spricht der neue HFC-Trainer Stefan Böger über den Erfolg, Anforderungen an seine Spieler und Menschlichkeit im Profigeschäft.

Dass er genau am Tag des Interviews sein einmonatiges Jubiläum als Trainer des Halleschen FC feiert? Stefan Böger macht sich nichts aus solchen Zahlen. „In der Schule haben sie mich interessiert, ich war ganz gut in Mathematik“, sagt der 49-Jährige.

Zwischen zwei Trainingseinheiten nahm sich der Fußball-Lehrer am Donnerstag die Zeit, um seinen erfolgreichen Start mit dem HFC zu erklären. Christian Elsaeßer und Daniel George sprachen mit ihm.

Herr Böger, in der Pressekonferenz zu Ihrem Amtsantritt wurden Sie gefragt, wie viel Halle bereits in Ihnen steckt. Nach zwei Tagen konnten Sie damals nur schmunzeln. Wie sieht das heute aus, nach einem Monat als Trainer des Halleschen FC?

Böger: Ich habe neulich Abend vor dem Computer gesessen und muss gestehen, dass ich dabei die eine oder andere Hallorenkugel genascht habe. Also steckt im wahrsten Sinne des Wortes schon ziemlich viel Halle in mir (lacht).

Sechs Spiele in einem Monat: Sie hätten entspannter in Ihre neue Aufgabe starten können.

Böger: Ich bin ganz schön rotiert in meinem Hamsterrad. Mir war auch nicht danach, nach links oder nach rechts zu schauen. Als Ralph Kühne mir Wohnungsbesichtigungen vorgeschlagen hat, musste ich ihn vertrösten. Ich wollte alles abseits des Fußballs ausblenden. Zum Glück haben wir diese Phase gut gemeistert. Es hätte auch nach hinten losgehen können.

Das Gegenteil ist eingetreten: Sie haben mit Ihrem Team 13 Punkte aus sechs Partien geholt, nur einmal verloren. Wie erklären Sie sich diesen Aha-Effekt?

Böger: Einen konkreten Punkt gab es nicht. Dazu hatten wir viel zu wenig Zeit. Manchmal reicht aber tatsächlich schon der Klang einer anderen Stimme, eine andere Form der Ansprache. Alles wird auf neu gestellt. Manche Spieler wittern eine neue Chance. Aber eine Sache ist mir ganz wichtig.

Welche denn?

Böger: Die Antwort auf die Frage, warum es plötzlich so gut läuft, ist eher bei den Spielern zu suchen. Die Trainer sind nur Wegbegleiter, die Angebote machen – verbal und inhaltlich. Ein Spieler kann mir zuhören oder er kann mir nicht zuhören. Letztendlich ist er selbst dafür zuständig, was er auf dem Platz zeigt. Viele Spieler neigen dazu, zum Training zu gehen und das zu machen, was der Vorturner vorgibt. Dann gehen sie nach Hause und machen am nächsten Tag dasselbe. Das möchte ich aber nicht. Ich möchte bewusstes Training. Die Spieler sollen mitdenken und hinterfragen, warum der Trainer das Training so gestaltet. Ich möchte, dass sie sich mehr mit ihrem Job beschäftigen, sich mehr mit ihrer Leistung auseinandersetzen. Das haben wir im Zuge des Kennenlernens auch schon besprochen. Die Mannschaft spielt jetzt nicht besser, weil der Trainer sich anders verhält. Die Spieler spielen einfach besser.

Aber Sie greifen ja durchaus ein. Im taktischen Bereich etwa. Zum Beispiel haben Sie Jonas Acquistapace aus der Innenverteidigung auf die linke Abwehrseite beordert.

Böger: Das ist ein gutes Beispiel. Jonas ist von seinen körperlichen Voraussetzungen und seiner Spielweise her ein Innenverteidiger, und er wird vielleicht sogar ein noch besserer Innenverteidiger. Aber in unserer Situation ging es erst einmal darum, für Stabilität zu sorgen, damit wir jetzt wieder befreiter Fußball spielen können. Nominelle Innenverteidiger auf der Außenbahn spielen zu lassen, davon möchte ich wegkommen. Ich möchte Spieler dort einsetzen, wo sie zu Hause sind. Meine Mannschaft, die ich im Kopf habe, sieht anders aus als die heute.

Wie sieht diese Idealvorstellung denn aus?

Böger: Das hat mit der Kaderstruktur zu tun. Ich bin mir sicher, dass sich die Mannschaft in der nächsten Saison verändern wird – egal unter welchem Trainer.

Ihr Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2016. Auch 17 Spielerverträge laufen aus. Muss, um den Kader zu planen, nicht zu allererst mit dem Trainer gesprochen werden? Sollte er bei Personalfragen nicht die entscheidende Figur sein?

Böger: Das denke ich nicht unbedingt. Das sollte auch eine Vereinsgeschichte sein. Wofür steht der HFC? Was für Fußball möchte der HFC spielen? Eines Tages kannst du dir dann den Trainer suchen, der zu dieser Philosophie passt. Mainz 05, wo Jürgen Klopp und Thomas Tuchel auch aus dem Nachwuchs kamen, und der SC Freiburg, der mit Christian Streich vorbildlich arbeitet, sind gute Beispiele dafür, wie solch ein Konzept funktionieren kann.

Sie haben dieser Tage zum ersten Mal wirklich Zeit, detailliert mit dem Team zu arbeiten.

Böger: Ja, es gelingt mir zunehmend, das Umfeld des Vereins und natürlich vor allem die Spieler kennenzulernen. Es ist wichtig, dass ich die Eigenarten herausfinde. Wer tickt wie? Wer braucht was? So ein bisschen nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche. Das ist für mich elementar. Denn die Trainingslehre an sich ist beinahe ausgereizt. Das Training in der ersten, zweiten und dritten Liga ist vergleichbar. Da nehmen sich Vereine heutzutage nicht mehr viel.

Also konzentrieren Sie sich auf den individuellen Bereich?

Böger: Nicht komplett, aber am Mittwoch haben wir uns zum Beispiel in Offensiv- und Defensivgruppen aufgeteilt. Da kann ich viel mehr positionsspezifisch korrigieren. Das mache ich gerne, Detailhinweise geben.

Welcher Spieler dient Ihnen dabei als verlängerter Arm?

Böger: Marco Engelhardt gehört in jedem Fall dazu. Er kann Prozesse innerhalb der Mannschaft sehr gut einschätzen. Mir gefällt, wie deutlich er seine Meinung sagt. Tim Kruse zum Beispiel ist ein anderer Typ, introvertierter, mit ihm führe ich eher Vier-Augen-Gespräche.

Dürfen Ihre Spieler Sie Duzen?

Böger: Das haben wir gar nicht thematisiert. Sie sprechen mich mit Trainer oder Sie an, ich duze sie.

Das erinnert ein bisschen an ein Schüler-Lehrer-Verhältnis.

Böger: Ist es ja auch. Ich darf mich Fußballlehrer nennen und lebe das mitunter auch aus. Gerade jungen Spielern etwas zu vermitteln, ist mir wichtig. Ihnen auch Dinge mitzugeben, die zum Leben gehören: Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin.

Herr Böger, stimmt es, dass Ihre Trainerkarriere eher ein Unfall war.

Böger: Ja. Ich wollte nie Trainer werden. Ich wollte Medizin studieren, nur ging das zu DDR-Zeiten in Kombination mit Profifußball nicht. Also habe ich Journalistik studiert. Später war ich mit 33 Jahren quasi fertig mit meiner Spielerkarriere und mir war klar, dass ich etwas anderes machen wollte. Doch dann hat die zweite Mannschaft des HSV einen Trainer gesucht und sie haben mich gefragt. So bin ich über Nacht zum Trainer geworden – und dabei geblieben.

Wer war Ihr Lieblingstrainer?

Böger: Da gab es keinen speziellen. Aber ich habe mir von einigen etwas abgeschaut. Hannes Bongartz war damals in Duisburg zum Beispiel einer der ersten, die das Thema Viererkette auf der Agenda hatten. Das war unglaublich lehrreich. Und was das Zwischenmenschliche angeht, ist Ewald Lienen ein Vorbild. Trotz des manchmal brutalen Profigeschäfts vergisst er nie den menschlichen Umgang. Im Fußball ist das heute leider nicht mehr normal.

Wie versuchen Sie das in Ihrer täglichen Arbeit zu berücksichtigen?

Böger: Es macht keinem Spaß, einem Spieler zu sagen, dass er nicht spielt oder dass man nicht mehr mit ihm plant. Aber diese Gespräche müssen geführt werden und sie müssen gut vorbereitet sein. Ich gebe den Spielern regelmäßig Rückmeldungen über ihr Auftreten. Ich versuche, ständig im Austausch zu sein. Vielleicht gibt es auch mal ein Problem zu Hause, eine Erklärung aus dem privaten Kontext heraus, warum einer seine Leistung nicht abrufen kann.

Wie finden solche Gespräche statt?

Böger: Wenn es um rein sportliche Dinge geht, führe ich sie im Trainerbüro. Bei anderen Themen, wenn wir auswärts spielen, hole ich den Spieler dann auch schon mal auf mein Hotelzimmer, wo wir in Ruhe plaudern können. Da geht es auch mal ganz einfach darum: Wie geht es dir? Wie geht es mir? Manchmal reicht das.

Quelle: MZ