Auslaufmodell Ballack: Demontage des Capitanos

Die große Zeit des Michael Ballack scheint endgültig abgelaufen zu sein. Nachdem bereits bei der deutschen Nationalmannschaft kaum noch jemand die Rückkehr des 34-Jährigen wirklich herbei sehnt, hat er auch bei seinem Klub Bayer Leverkusen keinen Freibrief mehr. Das wurde spätestens am 22. Bundesliga-Spieltag klar, als Bayer-Coach Jupp Heynckes beim 3:0-Auswärtserfolg des Werksklubs bei Eintracht Frankfurt einen fitten Ballack 90 Minuten lang auf der Bank schmoren ließ.

Offiziell wollte Heynckes kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen. Bevor Ballack wieder alte Stärken ausspielen könnte, müsse er erstmal "richtig fit werden", so der Trainerfuchs. "Im Fußball müssen Sie Top-Fitness und Wettkampfpraxis haben, um wieder Stärken ausspielen zu können." Um zu alter Form zu finden, brauche Ballack nicht nur Spielpraxis, so Heynckes weiter. "Er muss sich seine Fitness auch über umfangreiche Trainingsarbeit erwerben. Bei den Rekonvaleszenten ist das eben ein Annäherungsprozess an die Normalform."

Die Konkurrenz schläft nicht

Die Aussagen des 65-Jährigen klingen auf den ersten Blick harmlos. Doch zeigen sie deutlich, dass Ballack in Leverkusen von Heynckes mittlerweile wie jeder andere Spieler auch behandelt wird. War früher ein halbwegs gesunder Ballack aus einer Startformation – egal ob in der Nationalmannschaft oder im Klub – nicht wegzudenken, ist dieser Sonderstatus mittlerweile aufgebraucht. Die jüngere Konkurrenz hat mindestens gleichgezogen.

In der Nationalmannschaft hat diese Konkurrenz den Capitano längst überholt. Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira haben bei der WM in Südafrika ihre Klasse eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Löw betonte zuletzt zwar immer wieder, dass Ballack zurückkehren könne, sobald er seine alte Form wiedergefunden habe. Doch dass es tatsächlich noch einmal soweit kommt, glaubt kaum noch jemand. Löw misst mit zweierlei Maß und keinen stört es. Der Wolfsburger Arne Friedrich fehlte nahezu die komplette Vorrunde, kehrte aber gegen Italien ruckzuck ins DFB-Team zurück – auch ohne seine starke WM-Form wiedergefunden zu haben.

Nicht mehr beim Team

Während sich Löw noch nicht richtig traut, offiziell das Ende der Ära Ballack nach 98 Länderspielen im DFB-Team zu erklären, ist die "Bild"-Zeitung schon entschlussfreudiger. Das traditionell mit dem DFB gut vernetzte Blatt ließ die Öffentlichkeit nach dem 1:1 gegen Italien wissen: "Die Nationalelf braucht Ballack nicht mehr". Dass dürfte sogar der Star mittlerweile eingesehen haben. Weder beim Länderspiel gegen Aserbaidschan im September in Köln noch gegen Italien war Ballack im Stadion. So verhält sich niemand, der sich selbst noch als Kapitän der Nationalmannschaft sieht.

Doch was sich derzeit in Leverkusen abspielt, geht noch weiter. Selbst beim Werksklub ist der ehemalige Spieler des FC Chelsea und des FC Bayern nicht mehr unumstritten. Das machte Heynckes im Spiel gegen Frankfurt klar, als er Ballack nicht nur auf der Bank schmoren ließ, sondern ihn noch nahezu die gesamte zweite Hälfte warmlaufen ließ, ohne ihn einzuwechseln. Stattdessen brachte er einen gewissen Hanno Balitsch. Der von Hannover 96 gekommene Balitsch setzte dem ganzen noch die Krone auf, als er eine Traumkombination über Stefan Kießling mit dem 3:0-Endstand abschloss. "Ich glaube, dass ist ein deutliches Zeichen an Ballack, dass er mehr machen muss", sagte Thomas Strunz gegenüber LIGA total!.
Völler hält weiter zu Ballack

Die Führsprecher für Ballack werden immer weniger. Öffentlich macht sich fast nur noch Rudi Völler für ihn stark. "Er hat es selbst in der Hand", sagte der ehemalige Teamchef, der mit Ballack 2002 Vize-Weltmeister wurde, zu einem möglichen Comeback in der Nationalelf. Völler entlockte im Sommer dem Konzern ein paar Millionen extra, um Ballack zu finanzieren. Kein Wunder, dass er sich so für ihn einsetzt.

Der Bayer-Sportdirektor hofft aber auch, dass Heynckes seinen Vertrag endlich bei Bayer verlängert. Doch der Coach lässt sich schon eine ganze Weile Zeit mit der Unterschrift. Liegt es an der Personalie Ballack? "Er stagniert auf dem Weg seiner Genesung", sagte Heynckes vor dem Frankfurt-Spiel vielsagend und ließ ihn draußen. Die Mannschaft lieferte eine Top-Vorstellung ab. Ein Grund mehr Ballack auch im nächsten Spiel draußen zu lassen. Im September wird er 35 Jahre alt, sein Vertrag in Leverkusen läuft noch bis 2012. Ob sich Ballack, der nie Welt- und Europameister wurde und nie die Champions League gewinnen konnte, sich das noch so lange antun wird?

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